Widersprüchliche Widerrufsbelehrungen sind unwirksam

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einem aktuellen Urteil vom 20.04.2015 (Az.: 6 O 9499/14) festgestellt, dass ein Darlehensvertrag der PSD Bank, in dem zwei unterschiedliche Widerrufsbelehrungen enthalten waren, noch Jahre nach Vertragsschluss widerrufen werden kann.

Zur Begründung führte das Landgericht Nürnberg-Fürth aus:

Zwischen den Parteien wurde im Jahr 2009 ein Darlehensvertrag [...] abgeschlossen. [...]. Auf einer separaten Seite der Vertragsunterlagen befand sich eine Widerrufsbelehrung. Diese wies u.a. folgenden Inhalt auf:

 

„Widerrufsrecht

 

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen

 

-      eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung,

-      die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrages sowie

-      die Information nach Fernabsatzrecht

 

zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

 

Der  Widerruf ist zu richten an:

 

[...]“

 

Teil der Vertragsunterlagen waren des Weiteren sog. „Fernabsatz-Informationen zu grundpfandrechtlich gesicherten langfristigen Darlehen“ (im Folgenden: „Fernabsatz-Informationen“). Dort wurde auf Seite 6 unter Ziff. III („Informationen über die Besonderheiten des Fernabsatzvertrags“) folgendes ausgeführt:

 

„[...]

 

Widerrufsbelehrung für den Kunden

 

Widerrufsrecht:

Der Kunde kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform, z.B. Brief, Fax, Email, widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Widerrufsbelehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:

 

[...]

 

Widerrufsfolgen:

Im Fall eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Dies kann dazu führen, dass der Kunde die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum des Widerrufs gleichwohl erfüllen muss.

 

Besonderer Hinweis:

Das Widerrufsrecht des Kunden erlischt vorzeitig, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist und der Kunde dem ausdrücklich zugestimmt hat.

Für die weiteren Einzelheiten zur Ausübung und zu den Rechtsfolgen des Widerrufs wird auf die beigefügte gesonderte Widerrufsbelehrung verwiesen.

 

Ende der Informationsschrift“

 

Die Kombination beider Belehrungen führte nach Ansicht des Landgerichts dazu, dass der Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Zur Begründung führte es aus:


Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH NJW-RR 2009, 709, Rz. 14). Bestandteil der Widerrufsbelehrung ist neben dem Bestehen des Widerrufsrechts als solches u.a. auch die Dauer und der der Beginn der Frist (vgl. nur Kessal-Wulf in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2012, § 495, Rn. 28).

 

Durch die in den Fernabsatz-Informationen unter Ziff. III befindliche Widerrufsbelehrung wurde die Klägerin jedoch über den Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig informiert. Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 09.12.2009 (Az. VIII ZR 219/08 = NJW 2010, 989, Rz. 15) ausgeführt, dass der Verbraucher wegen des verwendeten Wort „frühestens“ der Klausel zwar entnehmen kann, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, jedoch darüber im Unklaren gelassen wird, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt. Damit ist die Belehrung objektiv unzureichend.

 

Die in den Fernabsatz-Informationen enthaltene Widerrufsbelehrung kann auch die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV a.F. nicht für sich in Anspruch nehmen: Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 24.03.2009 war bereits das Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV vom 01.04.2008 in Kraft, das durch die Verordnung vom 04.03.2008 (BGBl. I S. 292) neu gefasst worden war. Ältere Muster haben gemäß § 16 BGB-InfoV nur bis zum 30.09.2008 an der Gesetzlichkeitsfiktion teilgenommen.

Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, wonach es sich bei der Widerrufsbelehrung in den Fernabsatz-Informationen lediglich um einen verkürzten Hinweis auf das Widerrufsrecht handele. Die Widerrufsbelehrung enthält Erklärungen zum Widerrufsrecht zu den Widerrufsfolgen sowie den sog. Besonderen Hinweis. Sie macht damit auf einen unbefangenen durchschnittlichen Verbraucher, auf welchen abzustellen ist (BGH NJW 2010, 989 Rz. 14), den Eindruck vollständig zu sein. Hieran vermag auch der letzte Satz der Belehrung nichts zu ändern, wonach für die weiteren Einzelheiten zur Ausübung und zu den Rechtsfolgen des Widerrufs auf die beigefügte gesonderte Widerrufsbelehrung verwiesen wird. Ein unbefangener durchschnittlicher Verbraucher wird hierdurch nämlich suggeriert, dass die entscheidenden Informationen bereits in den Fernabsatz-Informationen erteilt worden seien. Durch die Formulierung wird auch nicht das Rangverhältnis zwischen den beiden Belehrungen deutlich genug klar gemacht.

 

Damit kann auch dahinstehen, ob die von der Beklagten verwendete weitere Widerrufsbelehrung wirksam war. Bleibt nämlich ein Widerspruch zwischen zwei Belehrungen, fehlt es insgesamt an einer unmissverständlichen Belehrung (BGH, Az. II ZR 352/02 = NZM 2005, 33).

 

Der BGH hat mehrfach klargestellt, dass auch der Widerruf eines bereits gekündigten Vertrages noch möglich ist (vgl. nur IV ZR 52/12 = NJW 2013, 3776 Rz. 24) Der herrschenden Rechtsprechung zufolge ist auch eine Vereinbarung zwischen Darlehensnehmer und der kreditgebenden Bank über die vorzeitige Ablösung des Kredits nicht als Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, sondern als Modifizierung des Vertragsumfangs ohne Reduzierung des Leistungsumfangs zu qualifizieren (OLG Brandenburg, Az. 4 U 194/11 = BeckRS 2013, 10370). Damit liegt eine bloße Änderung des Darlehensvertrages vor, die den ursprünglichen Vertrag als solchen – und damit auch das Widerrufsrecht – unberührt ließ.