Maklervertrag -  Widerruf und Rückforderung von Gebühren

Viele Maklerkunden können von der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs profitieren. Mit Urteil vom 01.12.2022 (Aktenzeichen: I ZR 28/22) hat der BGH eine für viele Hauskäufer überaus interessante Entscheidung getroffen: Die Maklerverträge, die zahlreiche Sparkassen im Bundesgebiet mit ihren Kunden abgeschlossen haben, sind widerruflich!  Kunden können auch über ein Jahr nach Abschluss des Vertrages die hohen Maklerprovisionen zurückfordern.

 

Nach Recherchen der Kanzlei Stenz & Rogoz haben nicht nur die Sparkassen-Maklerverträge fehlerhaften Widerrufsbelehrungen enthalten. Auch zahlreiche Makler von anderen Instituten waren nicht sorgfältig bei der Belehrung ihrer Kunden. 

 

Mit Urteil vom 20. April 2023 (Aktenzeichen: I ZR 113/22) hat der BGH ferner entschieden, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist. Kunden können auch Jahre später solche Gebühren zurückfordern. 

 

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Das aktuelle BGH-Urteil:

Dem Bundesgerichtshof lag folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor: 

 

Die Kläger zu 1 und 2 waren bei der Immobilienabteilung der Stadt- und Kreissparkasse E. H. He. (im Folgenden: Sparkasse E.) als Interessenten für den Erwerb einer in E. gelegenen Eigentumswohnung vorgemerkt. Mit E-Mail vom 18. April 2019 übersandte die Sparkasse E. der Klägerin zu 2 ein Angebot für eine zum Verkauf stehende Eigentumswohnung in E. . Die Sparkasse E. trat dabei in Vertretung für die Beklagte, eine Maklergesellschaft, auf. Die E-Mail enthielt einen Link zu einem im Internet abrufbaren Exposé mit Objektinformationen und Fotos. Die Klägerin zu 2 aktivierte noch am gleichen Tag den Link und griff auf das Exposé zu. Dem Exposé waren „Verbraucherinformationen“ und „Datenschutzhinweise“ beigefügt. In den „Verbraucherinformationen“ war der im Folgenden eingeblendete Text enthalten:

 

Die Klägerin zu 2 vereinbarte für den Nachmittag des 18. April 2019 einen Besichtigungstermin. Nachdem die Kläger mit E-Mail vom 22. April 2019 gegenüber der Sparkasse E. ihr Kaufinteresse bekundet hatten, übersandte die Sparkasse E. am 23. April 2019 dem Kläger zu 1 eine an beide Kläger gerichtete E-Mail, der im Anhang die Anlage „Objektnachweis und Provisionsvereinbarung“ beigefügt war, die die Kläger unterschrieben. Mit dieser Vereinbarung beauftragten die Kläger die Beklagte mit der Vermittlung einer Gelegenheit zum Abschluss eines Kaufvertrags für die in Rede stehende Immobilie und versprachen ein Erfolgshonorar in Höhe von 3,57% des Gesamtkaufpreises. Die Kläger sandten diese Vereinbarung sodann an die wiederum in Vertretung für die Beklagte auftretende Sparkasse E. zurück.

 

Mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Juni 2019 erwarben die Kläger die angebotene Wohnung und bezahlten in der Folge die von der Beklagten am 11. Juli 2019 in Rechnung gestellte Maklercourtage in Höhe von 17.778,60 €.

 

Mit E-Mail vom 13. Februar 2020 erklärten die Kläger gegenüber der Beklagten und gegenüber der Sparkasse E. den Widerruf des Maklervertrags und forderten die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung der Maklercourtage auf.

 

Die Kläger haben die Beklagte auf Zahlung von 17.778,60 € sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch genommen. Sie sind der Ansicht, dass eine ordnungsgemäße Belehrung über ihr Widerrufsrecht nicht erfolgt sei, so dass der Widerruf wirksam, insbesondere nicht verfristet erklärt worden sei.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Klageantrag auf Zahlung von 17.778,60 € nebst Zinsen weiter.

 

Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung auszugsweise wie folgt begründet:

 

A.

Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägern stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der Maklerprovision zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

 

 

[...]

 

B.

Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

[...]

 

II.

Die Revision ist auch begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger auf Rückgewähr der an die Beklagte gezahlten Maklerkaution gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht verneint werden. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Widerruf der Kläger sei unwirksam, weil sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Widerrufsbelehrung gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB berufen könne und der Widerruf daher verfristet gewesen sei.

 

1.

Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass die Parteien einen Maklervertrag gemäß § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB geschlossen haben und die Beklagte eine Maklerleistung erbracht hat, die einen Anspruch auf eine vertragsgemäße Courtagezahlung begründet hat. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

 

2. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass den Klägern gemäß § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zustand.

 

a) Nach § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt (§ 312c Abs. 1 BGB). Zu den Fernkommunikationsmitteln gehören Briefe, Telefonanrufe und E-Mails (§ 312c Abs. 2 BGB).

 

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Vertragsschluss im Streitfall unter alleiniger Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt sei. Da das Berufungsgericht abweichende Feststellungen nicht getroffen hat, ist für das Revisionsverfahren außerdem davon auszugehen, dass der Maklervertrag von der Beklagten als Unternehmerin und von den Klägern als Verbraucher abgeschlossen worden und der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Dienstleistungssystems erfolgt ist. Auch die Revisionserwiderung macht nichts Abweichendes geltend.

 

3. Das Berufungsgericht hat außerdem angenommen, dass der von den Klägern mit E-Mail vom 13. Februar 2020 gegenüber der Beklagten und gegenüber der Sparkasse E. erklärte Widerruf des Maklervertrags nicht fristgerecht erfolgt sei, weil das Widerrufsrecht zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits durch den Ablauf der gesetzlichen Frist von 14 Tagen erloschen gewesen sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

 

a)

Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Widerrufsfrist beginnt bei Fernabsatzverträgen nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat (§ 356 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Regelung in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB legt die Informationspflichten des Unternehmers fest, wenn dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB zu informieren. Der Unternehmer kann nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB diese Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das in der Anlage 1 zum Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt. Nach Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen nach Art. 246a § 1 EGBGB vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Bei einem Fernabsatzvertrag muss der Unternehmer die Informationen in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise zur Verfügung stellen (Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB).

 

Diese Regelungen beruhen auf Art. 9 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Abs. 4, Art. 8 Abs. 1 der RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher und sind daher richtlinienkonform auszulegen. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der RL 2011/83/EU steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatzvertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen kann. Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist zwölf Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist ab (Art. 10 Abs. 1 der RL 2011/83/EU). Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der RL 2011/83/EU informiert der Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag im Fernabsatz gebunden ist, bei Bestehen eines Widerrufsrechts in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Art. 11 Abs. 1 der RL 2011/83/EU sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B der Richtlinie. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 der RL 2001/83/EG können diese Informationen mittels der Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A gegeben werden. Die Informationspflicht des Unternehmers ist gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der RL 2001/83/EG erfüllt, wenn der Unternehmer dieses Informationsformular zutreffend ausgefüllt dem Verbraucher übermittelt hat. Bei Fernabsatzverträgen erteilt der Unternehmer nach Art. 8 Abs. 1 der RL 2011/83/EU die Informationen dem Verbraucher in klarer und verständlicher Sprache in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise bzw. stellt diese Informationen entsprechend zur Verfügung. Soweit diese Informationen auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt werden, müssen sie lesbar sein.

 

b)

Die Kläger haben mit der E-Mail vom 13. Februar 2020 das Widerrufsrecht ausgeübt und den Widerruf des Maklervertrags erklärt. Ein Grundstücksmaklervertrag, der wie im Streitfall unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen worden ist, ist ein Fernabsatzvertrag im Sinne der genannten Vorschriften (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 [juris Rn. 30 und 32 bis 54]).

 

b)

Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dieser Widerruf sei nicht fristgerecht erfolgt, weil die Kläger den Widerruf später als 14 Tage nach Vertragsschluss erklärt hätten und sie sich nicht darauf berufen könnten, dass die Widerrufsfrist infolge einer nicht ordnungsgemäßen Information über den Beginn der Widerrufsfrist nicht begonnen habe.

 

aa) Allerdings ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt seiner Prüfung mit Recht davon ausgegangen, dass der Unternehmer die für den Beginn der Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB maßgebliche Informationspflicht gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB auf zwei Wegen erfüllen kann.

 

Zum einen kann der Unternehmer seine Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB das in der Anlage 1 zu dieser Bestimmung vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt. Wählt der Unternehmer diese Form der Unterrichtung und erfüllt er die in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB aufgestellten Voraussetzungen, kommt ihm die sogenannte „Gesetzlichkeitsfiktion“ bzw. der „Musterschutz“ dieser Bestimmung zugute. Dies bedeutet, dass nicht weiter geprüft werden muss, ob die Informationspflichten tatsächlich in der gebotenen Weise eindeutig und umfassend erfüllt sind (BeckOGK.BGB/Busch, Stand: 1. Juni 2021, Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 42; Erman/Koch, BGB, 16. Aufl., § 312d Rn. 26; zu § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB aF in Verbindung mit § 14 Abs. 1 BGBInfoV aF vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 [juris Rn. 9, 10 und 14]). Im Ergebnis gehen damit mögliche Fehler des Gesetzgebers bei der Fassung der Musterbelehrung zulasten des Verbrauchers (vgl. BeckOK.BGB/Martens, 64. Edition [Stand: 1. November 2022], Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 35; zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 [juris Rn. 15] mwN).

 

Die Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung ist indessen nicht verpflichtend. Der Unternehmer kann seine Informationspflichten deshalb zum anderen auch durch eine Belehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 8; BeckOK.BGB/Martens aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 35; BeckOGK.BGB/Busch aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 36; MünchKomm.BGB/Wendehorst, 8. Aufl., Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 4; BeckOK.ITRecht/Föhlisch, 8. Edition [Stand: 1. Oktober 2022], Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 80; Ring in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 4. Aufl., Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 9). In einem solchen Fall trägt der Unternehmer allerdings das Risiko, dass seine Information den allgemeinen Anforderungen an eine korrekte Belehrung genügt (vgl. BeckOK.BGB/Martens aaO Rn. 35; Grüneberg/Grüneberg aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 8; Ring in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 11).

29bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich im Streitfall mit Erfolg auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB berufen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

 

(1) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB zugutekomme, obwohl die von der Beklagten gegebene Widerrufsinformation nicht vollständig mit der Musterbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung übereinstimme. So heiße es am Ende des zweiten Satzes „Vertragsschlusses“ statt „Vertragsabschlusses“; außerdem sei die Angabe von zwei möglichen Adressen, an die der Widerruf zu richten sei, wie sie sich in der Widerrufsbelehrung der Beklagten finde, in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nicht vorgesehen. Diese Abweichungen verfälschten aber den Text der Widerrufsinformation nicht. Dieser werde vielmehr inhaltlich richtig wiedergegeben und sei von der Beklagten daher zutreffend ausgefüllt worden. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

 

(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nur dem Unternehmer zugute, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung unverändert verwendet und richtig ausfüllt (vgl. Grüneberg/Grüneberg aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 8; BeckOK.BGB/Martens aaO Rn. 35; MünchKomm.BGB/Wendehorst, 9. Aufl., § 312d BGB Rn. 51; BeckOGK.BGB/ Busch aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 43; Erman/Koch, BGB, 16. Aufl., § 312d Rn. 26; BeckOK.IT-Recht/Föhlisch aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 80; Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., Art. 246a Rn. 130, anders wohl Rn. 154 f.; Bierekoven in Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 3. Aufl., § 26 Rn. 157; Ring in Heidel/Hüßtege/ Mansel/Noack aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 12; zu § 14 Abs. 1 und 3 BGBInfoV vgl. BGH, NJW 2014, 2022 [juris Rn. 15] mwN). Dies ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck, Regelungszusammenhang sowie einer unionsrechtskonformen Auslegung des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB.

 

(a) Dem Wortlaut dieser Bestimmung ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die Schutzwirkung der Musterverwendung auch dann eintreten kann, wenn der Unternehmer das gesetzlich vorgesehene Muster verändert. Anders als § 14 Abs. 3 BGB-InfoV in der Fassung vom 5. August 2002 (BGB-InfoV aF) enthält Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB keine Regelung, nach der Abweichungen in Format oder Schriftgröße sowie die Anbringung von Zusätzen wie der Firma oder ein Unternehmenskennzeichen zulässig sind. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB enthält zudem abweichend von den für Verbraucherdarlehensverträge geltenden Bestimmungen weder eine ausdrückliche Erlaubnis zur Abweichung vom Muster in Format und Schriftgröße (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB) noch den Begriff „entspricht“ (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB) und damit keine Regelung, die einer Prüfung Raum geben könnte, ob und unter welchen Umständen gewisse Veränderungen am gesetzlichen Muster nur eine für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädliche Bearbeitung darstellen (zu § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 [juris Rn. 22 bis 24]; Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 [juris Rn. 25]; zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2021 – XI ZR 608/20, NJW-RR 2022, 130 [juris Rn. 11 f.]). Nach dem Wortlaut von Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB setzt die Inanspruchnahme der Schutzfunktion vielmehr voraus, dass der Unternehmer seine Informationspflicht erfüllt, indem er „das“ in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung „zutreffend ausgefüllt“ dem Verbraucher übermittelt.

 

(b) Das Erfordernis der unveränderten Verwendung des Belehrungsmusters entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte in Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der RL 2011/83/EU festschreiben, dass das Muster der Widerrufsbelehrung nicht verändert werden darf und entsprechend der Gestaltungshinweise auszufüllen und zu verwenden ist (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/12637, S. 75).

 

(c) Der Sinn und Zweck der Gesetzlichkeitsfiktion in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB spricht ebenfalls für das Erfordernis, dass sich nur der Unternehmer mit Erfolg auf diese Fiktion berufen kann, der sich exakt an die gesetzliche Musterbelehrung und die Ausfüllungsanweisung hält. Zweck der Gesetzlichkeitsfiktion ist es, dem Unternehmer die Erfüllung der Informationspflichten durch die Verwendung gesetzlich vorgesehener Muster zu erleichtern (Erman/Koch aaO § 312d Rn. 26). Die Geschäftspraxis für den Unternehmer soll vereinfacht sowie Rechtssicherheit hergestellt und in der Folge die Rechtspraxis entlastet werden (zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF vgl. BGHZ 194, 238 [juris Rn. 16]). Werden Abweichungen des Mustertextes zugelassen, lässt sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF vgl. BGH, NJW 2014, 2022 [juris Rn. 18]). Für die Zulassung gewisser individueller Änderungen durch den Unternehmer besteht auch kein schutzwürdiges Bedürfnis. Dem Unternehmer steht es frei, auf die Schutzwirkung der Musterverwendung zu verzichten und seine Informationspflichten durch eine individuell gestaltete Belehrung zu erfüllen.

 

(d) Das Erfordernis, dass die Inanspruchnahme der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB die exakte Musterverwendung voraussetzt, ergibt sich ferner aus der Regelungssystematik des Gesetzes. Der Umstand, dass der Gesetzgeber dem Unternehmer zwei Möglichkeiten der Erfüllung seiner Informationspflichten zum Widerrufsrecht eingeräumt und daran eine unterschiedliche Risikotragung im Hinblick auf deren Erfüllung geknüpft hat, spricht dagegen, den Musterschutz auf eine dritte Form der Belehrung zu erstrecken, die zwar vom Muster ausgeht, aber individuelle Änderungen des Unternehmers beinhaltet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber – anders als in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV aF und Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB – nicht selbst gewisse Änderungen des Musters zulässt und damit die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen definiert (vgl. BGHZ 212, 207 [juris Rn. 25]).

36(e) Eine unionsrechtskonforme Auslegung von Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB führt zum selben Ergebnis. Nach dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der RL 2011/83/EU ist die Informationspflicht des Unternehmers gemäß Absatz 1 Buchstabe h dieser Bestimmung erfüllt, wenn der Unternehmer „dieses“ Informationsformular „zutreffend ausgefüllt“ dem Verbraucher übermittelt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Gesetzlichkeitsfiktion dem Unternehmer auch bei einer Abweichung vom Muster zukommen kann, finden sich in der Vorschrift nicht. Auch der Zweck des Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der RL 2011/83/EU rechtfertigt es nicht, die Schutzwirkung auf vom Muster abweichende Belehrungen zu erstrecken. Ziel der unionsweiten Einführung der Musterbelehrung war gerade die Schaffung eines einheitlichen Musters, das dem Verbraucher die Ausübung des Widerrufs erleichtert (Schirmbacher in Spindler/Schuster aaO Rn. 122). Dem Vereinheitlichungszweck stünde es entgegen, individuelle Veränderungen des Musters zuzulassen und es der Prüfung des Einzelfalls zu überlassen, wann und aus welchen Gründen die Grenze der Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion überschritten ist. Mit dem Wahlrecht des Unternehmers, die Informationspflichten entweder – auf eigenes Risiko – unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen durch eine eigene Fassung der Belehrung zu erfüllen oder aber sich im Interesse der Rechtssicherheit ohne Änderungen des gesetzlichen Musters zu bedienen, ist dem Erfordernis gemäß dem Erwägungsgrund 4 der Richtlinie

2011/83/EU Rechnung getragen. Danach ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, wobei gleichzeitig die unternehmerische Freiheit des Unternehmers, wie sie in Art. 16 der Charta der Grundrechte gewährleistet wird, zu wahren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – C-179/21, GRUR 2022, 832 [juris Rn. 39] = WRP 2022, 688 – Victorinox).

 

(3)

Nach diesen Maßstäben kann sich die Beklagte im Streitfall nicht mit Erfolg auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen.

 

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von der Beklagten gegebene Widerrufsinformation nicht vollständig dem Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB entspricht.

 

  • Während das Muster im Hinblick auf die Widerrufsfrist nach dem Gestaltungshinweis 1 a) die Formulierung „des Vertragsabschlusses“ vorsieht, ist im von der Beklagten verwendeten Belehrungstext von „des Vertragsschlusses“ die Rede.
  • Außerdem hat die Beklagte einen im Muster für die Widerrufsbelehrung nicht vorgesehenen Text eingefügt, der die Überschrift „Den Widerruf richten Sie bitte an:“ und anschließend den Namen, die Anschrift, die Telefonnummer, die Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse sowohl der Sparkasse E. als auch – verknüpft mit der Wendung „oder“ – der Beklagten enthält.
  • Hinzu kommt, dass in der Widerrufsbelehrung der Beklagten der im Muster vorgesehene Hinweis fehlt, dass die im Falle eines Widerrufs vorzunehmende Rückzahlung aller vom Kunden erhaltenen Zahlungen auch die dort näher bestimmten Lieferkosten umfasst.

Diese Abweichungen vom Muster kann der Senat nach den allgemeinen Grundsätzen zur Revisibilität der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbst feststellen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 [juris Rn. 40]; BGH, NJW-RR 2022, 130 [juris Rn. 11]).

39cc) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, jedenfalls inhaltlich ihre Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB erfüllt zu haben.

 

(1)

Die gesetzlichen Vorschriften zur Information über das Widerrufsrecht bezwecken den Schutz des Verbrauchers. Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung. Dem tragen die bei der Belehrung von Gesetzes wegen zu beachtenden Formvorschriften und inhaltlichen Anforderungen Rechnung. Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses wirksam auszuüben. Der regelmäßig rechtsunkundige Verbraucher soll unter anderem über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig informiert werden, er darf über ihre Berechnung nicht im Unklaren gelassen werden (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 55/00, GRUR 2002, 1085 [juris Rn. 16] = WRP 2002, 1263 – Belehrungszusatz, mwN). Entscheidend ist, ob der vom Gesetz mit der Einräumung eines Widerrufsrechts zugunsten des Verbrauchers verfolgte Zweck mit der verwendeten Widerrufsbelehrung erreicht wird (BGH, GRUR 2002, 1085 [juris Rn. 15] – Belehrungszusatz). Unzulässig ist eine Belehrung, deren Inhalt oder Gestaltung die Gefahr begründet, dass der Verbraucher irregeführt und von einem rechtzeitigen Widerruf abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2021 – III ZR 126/19, NJW 2021, 3122 [juris Rn. 15 und Rn. 22 f.]).

 

(2) Nach diesen Maßstäben werden die gesetzlichen Anforderungen an die Erfüllung der Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB durch die Belehrung der Beklagten nicht erfüllt.

 

(a) Allerdings ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die Angabe, die Widerrufsfrist betrage „vierzehn Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses“, nicht wegen fehlender Eindeutigkeit zu beanstanden.

 

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach den Umständen des Streitfalls könne ein verständiger Kunde aufgrund dieser Angabe den Beginn der Widerrufsfrist anhand der Belehrung der Beklagten nicht eindeutig ermitteln. Es sei unklar, wann der Maklervertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Ein Vertragsschluss komme zum einen durch die Aktivierung des per E-Mail am 18. April 2019 übersandten Links zum im Internet bereitgestellten Exposé in Betracht. Die Beklagte habe darüber hinaus am 23. April 2019 Unterschriften unter den Maklervertrag verlangt, die die Kläger auch geleistet hätten, wobei offengeblieben sei, wann diese Erklärung der Beklagten zugegangen sei. Aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers sei damit auch ein Vertragsschluss erst am 23. April 2019 oder bei Zugang der von den Klägern unterschriebenen Erklärung bei der Beklagten in Betracht gekommen. Die verschiedenen für den Verbraucher denkbaren Ereignisse führten danach zu unterschiedlichen Fristläufen. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

 

Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass bei der Beurteilung, ob ein Unternehmer durch eine Belehrung inhaltlich seine Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB erfüllt, grundsätzlich nicht auf die individuellen Umstände des Einzelfalls abzustellen, sondern ein objektivierter, an den Verständnismöglichkeiten des typischerweise angesprochenen Kunden orientierter Maßstab anzulegen ist. So ist zu prüfen, wie ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher die Information über das Widerrufsrecht versteht (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, WM 2020, 838 [juris Rn. 9] mwN). Dieser wird in Rechnung stellen, dass der Unternehmer angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten und Zeitpunkte eines Vertragsschlusses regelmäßig nicht alle Umstände des Einzelfalls antizipieren und bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung in der gebotenen eindeutigen, klaren und verständlichen Weise berücksichtigen kann. Mithin kommt es für die Frage, ob der Unternehmer durch seine Widerrufsbelehrung die gesetzlichen Anforderungen an die Erfüllung der Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB erfüllt, nur auf solche Gesichtspunkte an, die sich bereits aus der Formulierung der Belehrung selbst ergeben. So erfüllt beispielsweise eine Belehrung nicht die Anforderung einer hinreichend klaren Formulierung der Bedingungen für den Beginn der Widerrufsfrist, wenn auf den regelmäßig für den Verbraucher nicht erkennbaren Umstand des Zugangs einer Vertragsausfertigung beim Unternehmer abgestellt wird (zu § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2009 – XI ZR 456/07, NJW-RR 2009, 1275 [juris Rn. 14]). Gleiches gilt, wenn mit dem Begriff „frühestens“ ein für sich genommen nicht eindeutiger Begriff verwendet wird (vgl. BGHZ 194, 238 [juris Rn. 9] mwN). Dagegen ist die hier in Rede stehende Anknüpfung des Beginns der vierzehntägigen Widerrufsfrist an den Tag des „Vertragsschlusses“ – die dem Wortlaut des Gesetzes (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB) und dem für Dienstleistungsverträge maßgeblichen Wortlaut des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB entspricht – nicht zu beanstanden.

 

(b) Die Belehrung der Beklagten erfüllt die sich aus Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB ergebenden gesetzlichen Anforderungen aber aus anderen Gründen nicht. Sie informiert den Verbraucher nicht in der gebotenen Klarheit über den Beginn der Widerrufsfrist, sondern enthält widersprüchliche Angaben zum Adressaten eines Widerrufs und birgt die Gefahr einer Irreführung über den Vertragspartner.

 

So heißt es im dritten Satz des ersten Absatzes der Widerrufsbelehrung:

Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (die Sparkassen-I. – V. -GmbH, [Anschrift, Telefonnummer, Telefaxnummer, E-Mail-Adresse]) mittels einer eindeutigen Erklärung … über ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.

 

Mit der auf die Beklagte bezogene Wendung „müssen Sie uns“ wird zum Ausdruck gebracht, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht wirksam nur dadurch ausüben kann, dass die Widerrufserklärung über einen der aufgeführten Kontaktkanäle der Beklagten zugeht. Im folgenden Absatz werden dagegen unter der Überschrift „Den Widerruf richten Sie bitte an:“ nicht nur die Beklagte mit der entsprechenden Angabe ihrer Firma, Anschrift, Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse, sondern – verknüpft mit der Wendung „oder“ – auch die Sparkasse E. mit deren entsprechenden Kontaktdaten aufgeführt.

 

Durch die Angabe von zwei möglichen Adressaten der Widerrufserklärung könnten Verbraucher zu dem irreführenden Schluss geführt werden, (auch) die Sparkasse E. sei Vertragspartner und es komme für den Fristbeginn auf den „Vertragsschluss“ mit dieser an. Jedenfalls ist die Belehrung widersprüchlich und damit insgesamt unklar, weil für die wirksame Ausübung des Widerrufs zunächst nur die Beklagte mit ihren Kontaktdaten genannt wird („müssen Sie uns“), während später („Den Widerruf richten Sie bitte an … oder an …“) auch die Kontaktdaten eines weiteren Adressaten genannt werden. Für den Verbraucher ist damit nicht eindeutig erkennbar, ob für die Einhaltung der Widerrufsfrist der Zugang des Widerrufs nur bei der Beklagten oder der Zugang (auch) bei der Sparkasse E. maßgeblich ist.

 

C.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 – Cilfit u.a.; Urteil vom 6. OktoberC-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 33, 36 und 39 bis 49] – Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi).

 

D.

Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die Revision lediglich zum Grund des Rückzahlungsanspruchs zugelassen hat und der Rechtsstreit damit nicht zur Endentscheidung reif ist.

 

Vorinstanzen:

  • LG München I, Entscheidung vom 21.07.2021 – 24 O 14214/20.
  • OLG München, Entscheidung vom 31.01.2022 – 17 U 6087/21.

Aktuelle Entscheidungen:

Reservierungsgebühren des Maklers können zurückverlangt werden

Mit Urteil vom 20. April 2023 (Aktenzeichen: I ZR 113/22) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist. 

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