Aufhebungsvereinbarung der DSL Bank steht Widerruf nicht entgegen

Die DSL Bank hat in den vergangenen Jahren mit vielen ihrer Kunden eine sog. "Vereinbarung über vorzeitige Vertragsaufhebung" abgeschlossen. Darin findet sich eine Abgeltungsklausel mit dem Wortlaut "Nach Zahlung der vorgenannten Beträge sind alle gegenseitigen Ansprüche bezüglich der v. g. Darlehensbeträge abgegolten. Die DSL stellt sich bei Widerrufen auf den Standpunkt, dass hierdurch der Widerruf ausgeschlossen ist. Dieser Ansicht hat das Landgericht Bonn mit Urteil vom 04.03.2016 nun eine klare Absage erteilt.

In seinem sehr gut begründeten Urteil Urteil vom 04.03.2016 (Az.: 3 O 367/15) hat das Landgericht Bonn folgendes ausgeführt:

 

"Die Ausübung des Widerrufsrechts ist vorliegend entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht durch die zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvereinbarung vom 28.11./05.12.2014 ausgeschlossen.

 

(1) Die Frage, was mit der Vereinbarung über die vorzeitige Aufhebung des Darlehensvertrages von den Parteien gewollt war, ist anhand des im Wege der Auslegung des durch die Umstände des konkreten Einzelfalles determinierten Parteiwillens anhand eines objektiven Maßstabes zu bestimmen, §§ 133,157 BGB. Wenn sich nicht zweifelsfrei anderes ergibt, ist dabei davon auszugehen, dass die Parteien dasjenige gewollt haben, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH NJW 1994, 1537, 1538; NJW 1981, 816; OLG Köln, Urteil vom 07.08.2008, Az. 18 U 55/06, Rn. 47, juris).

 

Die unrichtige Bezeichnung einer schriftlichen Vereinbarung ist dabei irrelevant, da sich der Charakter eines Vertrages nicht nach einer formellen Bezeichnung, sondern danach richtet, was die Parteien mit ihm bezweckt haben. Auch ein klarer und eindeutiger Wortlaut einer Erklärung bildet keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände, da sich die Feststellung, ob eine Erklärung eindeutig ist oder nicht, erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen lässt (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2001, Az. XII ZR 281/99, NJW 2002, 1260, 1261m. w. N.). Es unterliegt insofern der - nur beschränkt überprüfbaren - tatrichterlichen Verantwortung, die Gesamtumstände des Zustandekommens und der Ausgestaltung des Vertrages im konkreten Einzelfall zu bewerten und hieraus Schlussfolgerung zu ziehen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014, Az. XII ZR 111/12, Rn. 50, juris zur Auslegung von Abgeltungsklauseln in Vergleichen, bei der das Berufungsgericht auf die Regelungssystematik abgestellt hat).

 

In diesem Zusammenhang ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Darlehensnehmer an die Beklagte herangetreten ist mit dem Wunsch, das KfW-Darlehen entgegen der vorgesehenen Vertragslaufzeit vorzeitig abzulösen. Dies bringt unmissverständlich den Wunsch zum Ausdruck, die im Tilgungsplan bestimmten Zeitpunkte für die Erbringung der Zins- und Tilgungsleistungen zeitlich nach vorne zu verschieben. In der Aufhebungsvereinbarung kann daher nicht ohne weiteres eine einvernehmliche Beendigung des Schuldverhältnisses durch zweiseitige Willenserklärungen - und erst recht nicht der Ausschluss von Gestaltungsrechten, wie dem Widerruf oder der Anfechtung - gesehen werden.

 

Die Vereinbarung zielt nach Auffassung der Kammer darauf ab, die vertraglichen Verpflichtungen einvernehmlich zu ändern, nicht hingegen darauf, Pflichten aufgrund gesetzlich bestehender und möglicherweise ausgeübter Gestaltungsrechte vollständig und abschließend aufzuheben. Bei Auslegung der Vereinbarung anhand der §§ 133, 157 BGB ist eine ausdrückliche Regelung dahingehend, dass der gesamte Darlehensvertrag und die darin enthaltenen Vereinbarungen aufgehoben werden und sämtliche wechselseitigen Ansprüche erloschen sind, nicht getroffen worden. Die Parteien haben insofern lediglich eine Modifizierung der den Darlehensverträgen ursprünglich zugrunde liegenden Bedingungen dergestalt vorgenommen, dass sie sich auf eine vorzeitige Ablösung der mit einer Laufzeit bis März 2023 versehenen Darlehen unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verständigten (vgl. dazu Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 4 U 194/11, Rn. 34, juris unter Verweis auf BGH, Urteil vom 6.10.2010, Az. XI ZR 367/07, Rn. 28). Unter Berücksichtigung der Vereinbarung sind die Darlehnsverträge mit ihrem konkreten Leistungsumfang weder durch einen neuen Vertrag gänzlich zum Wegfall gekommen noch vollständig durch eine neue Vereinbarung ersetzt worden, so dass für einen Widerruf Raum bleibt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.01.2012, Az. 6 W 221/11, Rn. 15, juris).

 

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des BGH vom 16.10.2013 (Az. IV ZR 52/12, Rn. 24, juris). Danach schließt eine zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages den späteren Widerruf nicht aus, wenn der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben habe können. Denn bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht sei nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können (BGH, a. a. O.). Die Erwägung des BGH, wonach der Verbraucher, der über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt wurde, sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf nicht sachgerecht ausüben kann (vgl. BGH, a. a. O.; BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, Rn. 36, juris), ist auf die vorliegende Konstellation einer Aufhebungsvereinbarung übertragbar. Gleiches gilt für die allgemeine Erwägung, der Widerrufsberechtigte könne auch nach Beendigung eines Vertrages und Erlöschen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer Rückabwicklung des Vertrages haben, weshalb die Kündigung einen späteren Widerruf nicht generell ausschließe (BGH, a. a. O., Rn. 28).

 

Ein Erlöschen des Widerspruchsrechtes nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 2 Verbraucherkreditgesetz. So ist eine entsprechende Anwendung dieser Regelung nach Außerkrafttreten dieses Gesetzes nicht möglich (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11 Rn. 37, juris).

 

 

(2) Auch bei isolierter Betrachtung der in der Aufhebungsvereinbarung enthaltenen Abgeltungsklausel vermag die Kammer eine materiellrechtliche vertragliche Verzichtserklärung nicht zu erkennen.

Die zwischen den Parteien geschlossene Abgeltungsklausel bezieht sich bereits aufgrund ihres Wortlauts nur auf die wechselseitigen Ansprüche betreffend die geschuldeten „v.g. Darlehensbeträge“. Sie schließt dahingegen keineswegs die Ausübung eines gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsrechts, wie das Widerrufsrecht, aus, wobei an eine solche Beschränkung der zum Zwecke des Verbraucherschutzes vorgesehenen gesetzlichen Regelungen zum Widerruf hohe Anforderungen zu stellen wären.

Gemäß § 397 Abs. 1 BGB erlischt ein Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt. In der Aufhebungsvereinbarung wird indes keine Regelung dazu, dass die Bank - oder die Darlehensnehmer - auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichten, sondern lediglich eine Regelung im Hinblick auf die vorzeitige Ablösung des Darlehensvertrages getroffen. Eine Verzichtserklärung setzt jedoch denklogisch voraus, dass der Verzichtende sich dessen bewusst ist, worauf er verzichtet. Dies setzt die Kenntnis des rechtsgeschäftlichen Umfangs seiner Verzichtserklärung zwingend voraus. Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht wäre demnach, dass bestehende Unsicherheiten der Parteien gerade über das Widerrufsrecht bestehen, dessen sich der Darlehensnehmer sodann begibt. Dazu müsste der Darlehensnehmer denknotwendig wissen, dass ihm ein Widerrufsrecht überhaupt noch zur Verfügung steht, um dann zu entscheiden, ob er dieses Recht - unter bestimmten Bedingungen - aufgeben will (OLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2015, Az. 6 U 21/15, Rn. 57, juris). Dass diese Anforderung vorliegend erfüllt ist, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Kammer geht bei lebensnaher Betrachtung und unter Würdigung der Gesamtumstände des Zustandekommens der Aufhebungsvereinbarung vielmehr davon aus, dass den Klägern zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der so genannten Aufhebungsvereinbarung gerade nicht bewusst war, dass sie die Verträge auch hätten widerrufen können.

Ob eine Abgeltungsklausel auch unbekannte Ansprüche umfasst, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1997, II ZR 236/96, Rn. 12, nach juris = NJW 1998, 1315; Palandt-Grüneberg, 75. Aufl., § 397 BGB Rn. 4 m. w. N.). Unbekannte Ansprüche können insbesondere von einer Abgeltungsklausel umfasst sein, wenn ein Gläubiger mit ihnen rechnet (OLG Köln, Urteil vom 07.08.2008, Az. 18 U 55/06, Rn. 52, juris). Diesem Grundsatz trägt auch die Rechtsprechung des BGH Rechnung, wonach Vergleiche, deren Inhalt zwingendem Recht widerspricht, nur dann wirksam sind, wenn die ernstliche Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden ist (BGH, Urteil vom 09.11.2006, Az. IX ZR 285/03, Rn. 17, juris; BGHZ 65, 147; OLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2015, Az. 6 U 21/15, Rn. 57, juris). An einem aufgrund der Unklarheiten betreffend die Gesetzeslage bestehenden gegenseitigen Nachgeben fehlt es indes bei der - hier vorliegenden - einseitigen Vorgabe eines Abrechnungsergebnisses durch die Bank.

In der vorliegenden Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Darlehensnehmer davon ausgingen und ausgehen mussten, dass die Abgeltungsklausel sich über die Geltendmachung der vorgenannten Beträge hinaus auch darauf erstreckt, die Ansprüche auszuschließen, die aus einem widerrufsbedingt eintretenden gesetzlichen Rückgewährschuldverhältnis resultieren. Dies gilt unabhängig von der zu vermutenden Unkenntnis betreffend das Bestehen eines Widerrufsrechts insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Ansprüche eine andere Rechtsnatur aufweisen und ihrer Berechnungsweise bzw. Größenordnung nach über die in der Aufhebungsvereinbarung genannten Ansprüche möglicherweise hinausgehen.

 

Die DSL Bank kann sich auch nicht darauf berufen, dass hiermit ein negatives Schuldanerkenntis vereinbart wurde: 

 

Auch ein negatives Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, da der Darlehensnehmer mit Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung keineswegs anerkennt, dass das infolge des Widerrufs gesetzlich eintretende Rückgewährschuldverhältnis nicht besteht. Er erklärt sich lediglich damit einverstanden, dass nach Zahlung der vorgenannten Beträge die gegenseitigen Ansprüche „betreffend die vorgenannten Darlehensbeträge“ aus dem bestehenden Darlehensverhältnis abgegolten sind. Darin ist bei der gebotenen strengen Auslegung der Willenserklärung keineswegs die Erklärung mit enthalten, dass auch auf Ansprüche aus dem, völlig andere Leistungspflichten betreffenden, Rückgewährschuldverhältnis verzichtet werden soll.

(3) Selbst wenn der Abgeltungsklausel eine solche weit gehende Bedeutung beigemessen würde, so wäre diese jedenfalls unwirksam.

Denn eine Abgeltungsklausel, die gesetzlich bestehende zwingende Regelungen ausschließt, ist ungeachtet dessen unwirksam, ob sie als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB auszulegen und damit auch anhand des Maßstabes der §§ 307 ff. BGB auf das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung hin zu überprüfen ist.

Widerrufsrechte sind als tragender Bestandteil des Verbraucherschutzes insofern zwar zugunsten des Verbrauchers abdingbar, nicht aber zu seinen Lasten. Damit ist es auch ausgeschlossen, durch besondere Vereinbarungen im Vertrag das Widerrufsrecht auszuschließen oder seinem wesentlichen Inhalt nach einzuschränken. Dies ergibt sich für Finanzierungsverträge ausdrücklich aus § 511 BGB, wonach von den Vorschriften der §§ 491 bis 510 BGB abweichende Vereinbarungen auch dann unzulässig sind, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Für die in den §§312 ff. BGB geregelten Widerrufsrechte, insbesondere das Fernabsatzgeschäft, resultiert dies gleichsam aus § 312 i BGB in der bei Abschluss der Aufhebungsvereinbarung geltenden Fassung vom 27.07.2011. Gegen diese gesetzlichen Leitbilder verstoßende Allgemeine Geschäftsbedingungen sind unangemessen benachteiligend, § 307 Abs. 1 BGB.

 

Damit bedarf es keiner Klärung der Frage, ob den Klägern im Hinblick auf die Aufhebungsvereinbarung ein Widerrufsrecht zustand, welches sie fristgemäß ausgeübt haben bzw. ob die Anfechtung durchgreift. Es kann auch dahinstehen, ob ein Berufen auf die Abgeltungsklausel durch die Bank vor dem Hintergrund rechtsmissbräuchlich ist, dass sie im konkreten Einzelfall aufgrund der insofern eindeutigen Rechtsprechung des BGH vom 10.03.2009 (Az. XI ZR 33/08) möglicherweise bereits dringenden Grund zur Annahme hatte, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht im Ursprungsvertrag unrichtig war und sie den Darlehensnehmer hierüber im Unklaren gelassen hat, indem sie eine Nachbelehrung unterließ.