LG Arnsberg erklärt Autokredit für widerrufbar

Für Aufsehen hat das Urteil des LG Arnsberg vom 17.11.2017 (Az.: 2 O 45/17) gesorgt, in welchem der Widerruf eines Autokredites für wirksam angesehen wurde, weil der der Kunde nicht hinreichend über das Kündigungsrecht aufgeklärt worden ist. Das Gericht meinte, dass Darlehensvertrag "klare und verständliche" Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages hätte enthalten müssen.

 

Hintergrund des Urteils war folgender:

 

Der Kläger erwarb im Oktober 2014 bei der S GmbH einen gebrauchten Pkw zur Nutzung für private Zwecke zu einem Kaufpreis in Höhe von 36.290,00 €. Einen Teil des Kaufpreises ließ der Kläger durch die Beklagten finanzieren. Zu diesem Zwecke schlossen die Parteien - vermittelt durch die S GmbH - am 20.10.2014 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 22.290,00 €.Mit Schreiben vom 12.07.2016 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 23.09.2016, das ein Widerruf des Darlehens aufgrund des Ablaufs der 14 tägigen Widerrufsfrist nicht möglich sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.10.2016 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Widerruf als wirksam und das Bestehen eines Rückabwicklungsverhältnisses anzuerkennen. Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2016, dass ein Widerruf aufgrund der ordnungsgemäß erteilten Widerrufsbelehrung nicht mehr möglich sei.

 

Tatsächlich war der Widerruf nach Ansicht des LG Arnsberg sehr wohl wirksam. Dies wurde überzeugend wie folgt begründet:

 

Der Kläger hat mit Schreiben vom 12.07.2016 den Widerruf erklärt.

Der Widerruf erfolgte insbesondere fristgerecht. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 BGB grundsätzlich 14 Tage und beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist. Enthält die dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde nicht die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, beginnt die Frist gemäß § 356 b Abs. 2 S.1 BGB erst mit Nachholung dieser Angaben.

 

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Der Darlehensvertrag enthält die gemäß § 492 Abs. 2 BGB erforderlichen Angaben nach Artikel 247§§ 6 bis 13 EGBGB jedenfalls deshalb nicht, weil der Kläger nicht hinreichend über sein Kündigungsrecht aufgeklärt worden ist. Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB muss der Verbraucherdarlehensvertrag klare und verständliche „Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages“ enthalten. Ob unter diesen Angaben das außerordentliche Kündigungsrecht des Verbrauchers aus § 314 BGB zu zählen ist, ist in der Literatur nicht unumstritten.

 

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Nach Ansicht von Kessal-Wulf soll über jede Form der Vertragsbeendigung bei regulärem Vertragsverlauf, mithin über ordentliche Kündigungsgründe zu informieren sein (vgl. Staudinger/Sibylle Kessal-Wulf (2012) BGB § 492, Rn. 46). Nach Ansicht von Schürnbrand spricht die Auslegung der Norm für die Annahme, dass (allein) auf das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers abzustellen sei, sodass bei befristeten Verträgen § 500 zu beachten, bei befristeten auf das Kündigungsrecht des § 314 hinzuweisen sei (vgl. MüKoBGB/Schürnbrand BGB § 492 Rn. 25-27a, beck-online).

 

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Was unter den „Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages“ zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.

 

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Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll die Regelung dem Darlehensnehmer verdeutlichen, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam sei und wie der Darlehensnehmer selbst den Vertrag kündigen könne, sodass bei befristeten Darlehensverträgen zumindest darauf hingewiesen werden müsse, dass eine Kündigung nach § 314 BGB möglich sei (vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 16/11643).

 

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Für dieses Verständnis von der Norm spricht neben dem Willen des Gesetzgebers insbesondere eine europarechtskonforme Auslegung. Nach Art. 10 Abs. 2 lit s) Verbraucherkreditverträgerichtlinie sind die „einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung“ des Kreditvertrags in klarer und prägnanter Form anzugeben. Zu diesen Modalitäten zählt jedenfalls die Benennung des Kündigungsgrundes, wie aus Art. 10 Abs. 2 lit. p) Verbraucherkreditverträgerichtlinie folgt. Danach ist u.a. über Folgendes zu informieren: „das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“. Dabei spricht gerade der Zweck der Norm für die Annahme, dass der Verbraucher über alle in Betracht kommenden Kündigungsgründe informiert werden soll.

 

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Eine dahingehende Auslegung der Reglung(en) führt auch nicht zu einer überschießenden Umsetzung der Richtlinie. Aus dem Erwägungsgrund 33 der Verbraucherkreditrichtlinie ergibt sich keine Einschränkung der Informationspflicht auf ordentliche Kündigungsrechte. Die Vorschrift stellt lediglich klar, dass dem Verbraucher ein ordentliches Kündigungsrecht bei unbefristeten Verträgen zustehen sollte. Dass der Verbraucher gemäß Art. 10 Abs. 2 s) Verbraucherkreditrichtlinie aber nur über diese ordentlichen Kündigungsrechte informiert werden soll, ist den Erwägungen nicht zu entnehmen. Gegen ein solches Verständnis spricht insbesondere auch, dass eine beschränkte Angabe von Kündigungsgründen zu einem erschwerten Verständnis beiträgt. Für den Verbraucher ist ohne weiteres nicht erkennbar, ob es sich bei den dann erteilten Hinweisen auf die Kündigungsgründe um eine abschließende Benennung aller Kündigungsgründe handelt oder nicht.

 

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Der Verbraucher ist gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB vollumfänglich darüber zu informieren, ob ihm ein Kündigungsrecht zusteht oder nicht. Zwar muss der Darlehensnehmer nicht über alle möglichen Lösungsrechte informiert werden. Nach dem Ergebnis der Gesetzesauslegung aber über alle möglichen Kündigungsgründe. Sofern in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, dass nur über ein ordentliches Kündigungsrecht zu belehren sei, schließt sich die Kammer dieser Ansicht aus den oben genannten Gründen nicht an.

 

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Auf eine Gesetzlichkeitsfiktion kann sich die Beklagte nicht berufen, da Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, anders als etwa Art. 247 § 6 Abs. 2 S.3 EGBGB, eine solche Regelung nicht enthält. Eine Nachholung der erforderlichen Information im Sinne des § 492 Abs. 6 BGB ist nicht erfolgt, sodass die Widerrufsfrist im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht zu laufen begonnen hat.