Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 17.09.2019 (Az.: 4 U 109/18) ein Darlehensvertrag für widerruflich angesehen, der im Fernabsatz geschlossen wurde.
Der Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger schlossen als Darlehensnehmer am 26. September / 2. Oktober 2007 ohne vorausgegangenen persönlichen Kontakt im Wege des Antragsverfahrens mit der Beklagten unter der Hauptdarlehensnummer 6xx98xx00x einen Darlehensvertrag über ein grundpfandrechtlich besichertes Darlehen im Nennbetrag von insgesamt 210.000 € (vgl. Anlage K 1 / Anlage B 2) mit einem bis zum 30. September 2027 gebundenen Nominalzins von 5,12% p.a. bei einer jährlichen Tilgung von 1,0% (zuzüglich ersparter Zinsen). Unter der Vertragsziffer 3.3 wurden den Klägern ab dem dritten Vertragsjahr die Möglichkeit des zweimaligen Tilgungssatzwechsels sowie jährliche Sondertilgungsrechte eingeräumt. Im Zuge des Vertragsschlusses wurden die Kläger über ihr Widerrufsrecht belehrt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag Bezug genommen.
Im September 2013 änderten die Parteien auf Wunsch der Kläger die Tilgungsvereinbarung mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 dahin, dass die jährliche Tilgung 3,74% (zuzüglich ersparter Zinsen) betragen und die erstmals zum 31. Oktober 2013 fällige monatliche Rate fortan 1.550,50 € betragen sollte (vgl. Anlage B 4).
Unter dem 10. November 2013 erklärten die Kläger, gestützt auf § 489 BGB, die Kündigung des Darlehensvertrags zum 31. Mai 2018 (Anlage B 5).
Mit Schreiben vom 16. Juni 2016 widerriefen die Kläger sodann ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen (Anlage K 3).
Wegen der sonstigen getroffenen Feststellungen und der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das landgerichtliche Urteil (GA 176 ff.) Bezug genommen.
Die Kläger, die der Auffassung sind, dass die im Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei, diese überdies durch eine im Vertrag vereinbarte Annahmefrist entwertet werde und sich infolgedessen auch deshalb als fehlerhaft erweise, haben - in Reaktion auf eine in der Klageerwiderung erklärte Hilfsaufrechnung - in erster Instanz zuletzt beantragt,
1.
a) festzustellen, dass aus dem Darlehensvertrag über 210.000,00 € vom 2. Oktober 2007 (HauptDarlNr. 6xx98xx00x) durch den Widerruf vom 16. Juni 2016 ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden ist und sie zur Erfüllung sämtlicher Zahlungsansprüche der Beklagten aus diesem Rückgewährschuldverhältnis sowie zur Erfüllung etwaiger Zahlungsansprüche der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung (einschließlich etwaiger Nutzungsersatzansprüche) wegen der Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem vorgenannten Rückgewährschuldverhältnis hinsichtlich des Zeitraums bis zum 16. Juni 2016 (d.h. Stand 16. Juni 2016) vorbehaltlich der nach diesem Tag auf das Darlehenskonto geflossenen Geldbeträge eine Zahlung in Höhe von 70.645,35 € schulden;
b) hilfsweise hinsichtlich des Antrags zu 1a):
festzustellen, dass ihre primären Leistungspflichten aus dem Darlehensvertrag über 210.000,00 € vom 2. Oktober 2007 (HauptDarlNr. 6xx98xx00x) zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 16. Juni 2016 erloschen sind;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie sämtliche Geldbeträge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten [hilfsweise: 2,5 Prozentpunkten] über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Eingang auf dem Darlehenskonto zurückzugewähren, die zwischen dem 17. Juni 2016 und der Rechtskraft dieses Urteils [hilfsweise: zwischen dem Tag nach der mündlichen Verhandlung und der Rechtskraft dieses Urteils] auf das unter 1 b) genannte Darlehnskonto geflossen sind;
3.
a) die Beklagte zu verurteilen, an sie [hilfsweise: an die A Aktiengesellschaft] 3.209,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche Inanspruchnahme der anwaltlichen Bevollmächtigten zu zahlen;
b) [hilfs-]hilfsweise hinsichtlich des Antrages zu 3. a): die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten in Höhe von 3.209,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche Inanspruchnahme der anwaltlichen Bevollmächtigten freizustellen.
Die Beklagte, die der Klage entgegen getreten ist, hat die Auffassung vertreten, dass die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß sei, und sie hat ein etwaiges Widerrufsrecht als im Juni 2016 verwirkt und seine Ausübung als rechtsmissbräuchlich erachtet.
Nachdem die Klage vom Landgericht abgewiesen wurde, hat das OLG den Kläger auf ihre Berufung hin stattgegeben. Dies hat es wie folgt begründet:
[Die Berufung] ist begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des mit dem Hilfsantrag zu 1. b) geltend gemachten negativen Feststellungsantrags wendet (dazu b). Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg (dazu a).
a) Die Berufung bleibt hinsichtlich der mit ihr weiterverfolgten Klageanträge zu 1. a), zu 2) und zu 3) ohne Erfolg.
[...]
b) Die Berufung der Kläger ist allerdings begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des mit dem Hilfsantrag zu 1. b) verfolgten negativen Feststellungsantrags wendet.
aa) Der negative Feststellungsantrag, über den wegen der zur innerprozessualen Bedingung erhobenen Erfolglosigkeit des Antrags zu 1. a) zu befinden ist, ist zulässig, da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs bestreitet und ihre Bestandsbehauptung auf das Fortbestehen vertraglicher Erfüllungsansprüche gegen die Kläger aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zielt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15 -, WM 2017, 1258 Rn. 9, 15).
bb) Der negative Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Kläger haben ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen, so dass sich aufgrund des Widerrufs der in Rede stehende Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat und die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Leistung des Vertragszinses und die vertragsgemäße Tilgung hat. Denn den Klägern stand im Juni 2016 ein sogenanntes „ewiges“ Widerrufsrecht zu, das sie wirksam ausgeübt haben.
41(1) Ihnen kam gemäß § 495 Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 3. August 2009 geltenden Fassung (künftig: aF) das Recht zu, ihre auf Abschluss des Ende September/Anfang Oktober 2007 abgeschlossenen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen nach näherer Maßgabe des § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) zu widerrufen.
42Nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF begann die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Widerrufsbelehrung über sein Widerrufsrecht mit dem in der vorgenannten Vorschrift näher beschriebenen Inhalt in Textform mitgeteilt wurde, gemäß § 312d Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 BGB aF jedoch nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB aF und nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses.
(2) Nach dieser Maßgabe hatte die gesetzliche Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF im Juni 2016 noch nicht zu laufen begonnen.
(a) Die Beklagte hat den Klägern eine der nach § 312d Abs. 2 und 5 Satz 2, § 312c Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 BGB aF in Verbindung mit § 1 BGB-InfoV aF geschuldeten Informationen nicht in der gebotenen Deutlichkeit erteilt.
(aa) Im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist der Standpunkt des Landgerichts, die Beklagte habe den Klägern die Informationen nach § 1 BGB-InfoV aF inhaltlich zutreffend erteilt.
Auch verfängt der Einwand der Berufung nicht, die Beklagte habe den Klägern entgegen § 312c Abs. 2 Satz 1 BGB aF die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht übersendet. Die Beklagte hat den Klägern mit dem Darlehensantrag ihre Finanzierungsbedingungen überlassen. Dies war vorliegend ausreichend. Denn nur diese Finanzierungsbedingungen der Beklagten waren gemäß seiner Ziffer 4.1 in den Darlehensvertrag, bei dessen Bestimmungen es sich im Übrigen auch um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt (vgl. Wendehorst, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 312d Rn. 89), einbezogen. Eine weitergehende Pflicht des Darlehensgebers zur Übersendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die mangels Einbeziehung in das konkrete Vertragsverhältnis für dieses ohne Bedeutung sind, wird von § 312d Abs. 2 Satz 1 BGB aF nicht statuiert.
(bb) Allerdings hat - was die Berufung zutreffend rügt - das Landgericht in diesem Zusammenhang übersehen, dass nach § 1 Abs. 4 Satz 3 BGB-InfoV aF unter den dort beschriebenen und auch hier gegebenen Umständen unter anderem Informationen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 10 sowie Abs. 2 Nr. 3 BGB-InfoV aF in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form mitzuteilen waren.
Diese Voraussetzung ist - soweit es die Informationen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 10 BGB-InfoV aF betrifft - erfüllt. Denn diese Informationen sind jeweils in der Widerrufsbelehrung enthalten, die optisch deutlich hervorgehoben und klar strukturiert ist.
Anders verhält es sich indes für die gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BGB-InfoV aF geschuldete Information über die vertraglichen Kündigungsbedingungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen. Diese im Darlehensvertrag nicht enthaltene Information wurde zwar in dem als Anlage B 2 vorgelegten Formular „Information und Merkblatt zum Baufinanzierungsdarlehen für den Verbraucher“ (Stand: 10.2006), das den Klägern mit den Darlehensantragsformularen und Finanzierungsbedingungen überlassen wurde, unter der mit „Vertragliche Kündigungsregeln“ überschriebenen Ziffer B. 7 erteilt. Doch fehlt es an der Wahrung der vom Gesetz geforderten hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form. Denn die in die siebenseitige „Information und Merkblatt …“ ohne drucktechnische Hervorhebung eingebettete und im Kleindruck erteilte Information unterscheidet sich in ihrer Form nicht von den im selben Dokument erteilten übrigen Informationen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. Mai 2019 - 4 U 118/18 - unter Ziffer II. 1 a der Gründe). Soweit die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingewandt hat, der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 Satz 3 BGB-InfoV aF sei nur eröffnet, wenn die dort genannten Informationen in die eigentlichen Vertragsbestimmungen einschließlich etwaiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen eingearbeitet seien, vermag sie damit nicht durchzudringen. Ein solches vornehmlich am Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 3 BGB-InfoV aF orientiertes Verständnis lässt unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber bei der Fassung der in § 1 Abs. 4 InfoV aF geregelten Mitteilungspflicht - und hier insbesondere des Satz 3 - den Regelungsgedanken der Vorgängernorm in der bis zum 7. Dezember 2014 geltenden Fassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 InfoV aF aufgreifen wollte (vgl. BT-Drucks. 15/2946 S. 27), der, um dem Verbraucher die Auffindung der für ihn wesentlichen Informationen zu erleichtern, einschränkungslos vorsah, dass der Unternehmer dem Verbraucher die entsprechenden Informationen „in Textform und in einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form mitzuteilen“ habe (vgl. BT-Drucks. 14/2658 S. 39). Nichts spricht dafür, dass der Gesetzgeber, der im Wege einer richtlinienüberschießenden Umsetzung „hinsichtlich der Informationspflichten ein Mehr an Verbraucherschutz“ verfolgte (BT-Drucks. 15/2946 S. 27), mit der Wendung „soweit die Mitteilung … durch Übermittlung der Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt“ Anlass gesehen haben könnte, in Bezug auf die in § 1 Abs. 4 Satz 3 InfoV aF genannten Informationen, denen er wegen ihrer Bedeutung für die gesamte Vertragsabwicklung (auch) für Finanzdienstleistungen besonderes Gewicht beimaß (vgl. BT-Drucks. 15/2946 S. 27), Abstriche zu machen und die gesteigerten Anforderungen auf die Fälle zu beschränken, in denen die Informationen in die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst integriert sind. Denn der gesetzgeberische Regelungszweck greift auch und insbesondere in dem - hier gegebenen - Fall, dass die in § 1 Abs. 4 Satz 3 InfoV aF genannten Informationen nicht in die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingearbeitet sind, sondern in einem vielseitigen Formulartext enthalten sind, der dem Verbraucher zusammen mit den Vertragsbestimmungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen übermittelt wird (vgl. Wendehorst, in: MünchKommBGB, 5. Aufl., § 312c Rn. 116). Im einen wie im anderen Fall besteht die Gefahr, dass die Informationen „untergehen“ und vom Verbraucher nicht wahrgenommen werden.
50(b) Vor diesem Hintergrund kann dahin stehen, ob die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung die Kläger ordnungsgemäß über Beginn und Dauer der Widerrufsfrist belehrte.
(3) Der Wirksamkeit des erklärten Widerrufs steht weder der Einwand der Verwirkung entgegen (dazu [a]) noch erweist sich die Ausübung des Widerrufsrechts aus sonstigen Gründen als rechtsmissbräuchlich (dazu [b]).
(a) Die Voraussetzungen einer Verwirkung liegen hier nicht vor.
(aa) Zwar kann das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB aF verwirkt werden (vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, BGHZ 211, 105 Rn. 39 ff. und XI ZR 564/15 -, BGHZ 211, 123 Rn. 34 ff.; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 -, WM 2016, 2295 Rn. 30 ff.; BGH, Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 -, WM 2017, 849 Rn. 27; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17 -, WM 2018, 614 Rn. 11).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist mithin verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Dabei besteht zwischen dem Zeitmoment und dem Umstandsmoment insoweit eine Wechselwirkung, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände umso geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 - X ZR 150/98 -, BGHZ 146, 217, 224 f.; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - XII ZR 224/03 -, WM 2006, 977, 979 f.; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 393/16 -, WM 2017, 2247 Rn. 9; OLG Schleswig, Urteil vom 23. Februar 2017 - 5 U 171/16 -, WM 2017, 1304, 1305). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, BGHZ 211, 105 Rn. 40 und XI ZR 564/15 -, BGHZ 211, 123 Rn. 37; BGH, Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 -, WM 2017, 849 Rn. 27; BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15 -, WM 2017, 1258 Rn. 27).
(bb) Doch sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt. Denn es liegt jedenfalls das Umstandsmoment hier nicht vor.
(α) Der Unternehmer kann allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 -, BGHZ 211, 123 Rn. 39). Dies gilt namentlich bei laufenden Vertragsbeziehungen im Hinblick darauf, dass es der Bank während der Schwebezeit jederzeit möglich und zumutbar ist, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH a.a.O. Rn. 41). Etwas anderes gilt bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen, weil dort eine Nachbelehrung sinnvoll nicht mehr möglich ist. Gerade hier kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, BGHZ 211, 105 Rn. 41; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 449/16 -, WM 2017, 2251 Rn. 19; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 555/16 -, WM 2017, 2259 Rn. 19; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17 -, WM 2018, 614 Rn. 16). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrages auf einen Wunsch des Darlehensnehmers zurückgeht (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 -, BGHZ 212, 207 Rn. 30, 31 aE; BGH, Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 -, WM 2017, 849 Rn. 28; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 555/16 -, WM 2017, 2259 Rn. 19; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 455/16 -, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 12. März 2019 - XI ZR 30/17 -, juris Rn. 14) bzw. wenn die Parteien den Darlehensvertrag einverständlich beendet haben (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 393/16 -, WM 2017, 2247 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 12. September 2017 - XI ZR 365/16 -, WM 2017, 2146 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17 -, WM 2018, 614 Rn. 16).
57(β) So liegt der Fall hier aber nicht. Der im September/Oktober 2007 geschlossene Darlehensvertrag war bei Erklärung des Widerrufs unstreitig noch nicht vollständig erfüllt bzw. - da die seitens der Kläger erklärte Kündigung erst zum 31. Mai 2018 wirksam wurde - nicht beendet, weshalb der Beklagten bis zum Widerruf eine Nachbelehrung möglich war.
58(b) Ferner steht dem Vorgehen der Kläger nach Maßgabe der höchstrichterlichen Grundsätze (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 -, BGHZ 211, 123 Rn. 42 ff. m.w.N.) auch der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung aus sonstigen Gründen nicht entgegen.
59Zwar kann die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung - wie hier - nicht vorliegen. Ob dies im Einzelfall anzunehmen ist, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller am Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 242 BGB kann der Tatrichter auch solche Umstände berücksichtigen, die erst nach Erklärung des Widerrufs eingetreten sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16 -, WM 2018, 45 Rn. 17). Dabei erweist sich jedoch die Ausübung des Widerrufsrechts nicht allein deshalb als rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts motiviert ist; dies erfolgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf von jedem Begründungserfordernis freizuhalten (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 -, BGHZ 211, 123 Rn. 45 ff.). Die - unter anderem in der Regelung des Art. 229 § 38 Abs. 3 Satz 1 EGBGB zum Ausdruck kommende - bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, in einer Vielzahl von Fällen die unbefristete Geltendmachung von Verbraucherwiderrufsrechten zu ermöglichen, kann nicht durch eine extensive Anwendung des § 242 BGB unterlaufen werden, um so empfundene vermeintliche Defizite bei einem sachgerechten Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien aufzuwägen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 47, 49).
60Nach dieser Maßgabe erweist sich der Umstand, dass die Kläger auch nach Erklärung des Widerrufs die vertraglich vereinbarten Raten weiterhin gezahlt haben, als nicht geeignet, bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen darauf zu begründen, die Kläger würden an dem von ihnen erklärten Widerruf nicht mehr festhalten (vgl. Senatsurteil vom 21. August 2018 - 4 U 128/17 - sub II.2.b aa der Gründe; Senatsbeschluss vom 1. März 2018 - 4 U 92/17 - sub II der Gründe). Gegenteiliges ergibt sich vielmehr aus der vorgerichtlich bis in das Frühjahr 2017 zwischen den Parteien geführten Korrespondenz (Anlagen K 6) sowie der im Dezember 2017 erhobenen Klage und der im Verfahrensverlauf erfolgten Ausführungen, in der die Kläger unmissverständlich zu erkennen gegeben haben, dass sie von der Wirksamkeit ihres Widerrufs ausgehen und an diesem trotz der abweichenden Sicht der Beklagten festhalten wollten. Vor diesem Hintergrund führen auch weder die Berufstätigkeit der Kläger noch die nach Klageerhebung fortgesetzten monatlichen Ratenzahlungen zu einer abweichenden Beurteilung. Entsprechend verhält es sich für die im November 2013 vereinbarte Tilgungssatzänderung und die Leistung von Sondertilgungen, denn diese - von den Klägern wahrgenommenen - Möglichkeiten waren im Ursprungsvertrag angelegt.
2. a) Die für das Verfahren erster Instanz zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO, die für das Berufungsverfahren zu treffende Kostenentscheidung auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
b) Die inhaltliche Abänderung der Kostenentscheidung des Landgerichts beruht auf der inhaltlichen teilweisen Abänderung des von der Berufung angegriffenen Urteils und auf der - ohnedies von Amts wegen gebotenen - Heraufsetzung des für das erstinstanzliche Verfahren festzusetzenden Streitwerts (dazu nachstehend unter III.1). Danach obsiegten die Kläger mit dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag zu 1. b, auf den ein Streitwert von 181.841,50 € (= 59%) entfiel. Der mit dem Berufungsantrag zu 2. b geltend gemachte Zahlungsantrag war in erster Instanz nicht Verfahrensgegenstand und deshalb nicht zu berücksichtigen.
633. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Nr. 10 Satz 1, § 711 ZPO.
644. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Grundsätzliche Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn eine Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juli 2007 - 1 BvR 650/03 -, NJW-RR 2008, 26, 29 und vom 28. April 2011 - 1 BvR 3007/07 -, WM 2011, 1117, 1118; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 -, BGHZ 152, 182, 190; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03 -, BGHZ 159, 135, 137; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 -, BGHZ, 151, 221, 223; BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - X ZR 82/02 -, BGHZ 153, 254, 256; BGH, Beschluss vom 27. März 2007 - V ZR 291/02 -, BGHZ 154, 288, 291 f.). Die Beurteilung der Zulässigkeit des Feststellungsantrags zu 1 a) ist - wie aus den vorstehend (unter 1. a aa) ausgeführten Gründen ersichtlich - durch den Bundesgerichtshof bereits geklärt und somit nicht mehr klärungsbedürftig. Auch fordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 13. August 2019 unter Hinweis auf ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 24. Januar 2018 (- 13 U 242/16 -, WM 2018, 618) eine sich abzeichnende Divergenz behaupten und sie darauf gestützt die Zulassung der Revision beantragen, verkennen sie, dass der Senat seiner Entscheidung die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteile vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16 -, WM 2018, 664 Rn. 13 und vom 27. Februar 2018 - XI ZR 417/17 - Rn. 12 sowie XI ZR 458/17 - Rn. 10), die dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg bei Verkündung seiner Entscheidung noch nicht bekannt sein konnte, zugrunde gelegt hat.
III.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den Erwägungen, die der Senat unter Ziffer III seines Hinweisbeschlusses vom 25. Februar 2019 ausgeführt hat; dem mit Schriftsatz vom 5. Juli 2019 eingeführten Hilfsantrag zu 2. b) kam - ebenso wie dem Antrag zu 2. a) - gegenüber dem Hilfsantrag zu 1. b) keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu.