Erfolgreicher Widerruf eines finanzierten Hyundai i30

Das Landgericht Ravensburg hat mit Urteil vom 23.08.2022 (Aktenzeichen: 2 O 212/21) einem Verbraucher ermöglicht, ein 2016 finanzierten Hyundai i30 wegen Widerrufs des Darlehensvertrages zurückzugeben. Der Kläger schuldet der Bank Anspruch auf Wertersatz für den eingetretenen Wertverlust, soweit dieser auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Kläger schloss mit der beklagten Bank am 22.03.2016 einen Darlehensvertrag  über einen Nettodarlehensbetrag von 9.402,- €, der zweckgebunden dem Kauf eines Kraftfahrzeugs Hyundai i30 zur privaten Nutzung diente. Der Kaufpreis belief sich auf einen Betrag von 14.280,- €. Der Kläger leistete eine Anzahlung von 5.280,- € an die Verkäuferin und finanzierte den restlichen Betrag von 9.000,- € und eine Restschuldversicherungsprämie von 402,- € über das vorgenannte Darlehen. Die Beklagte bediente sich bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung der Verkäuferin als Darlehensvermittlerin. Vereinbart wurde im Darlehensvertrag weiter, dass der Kläger die Darlehenssumme von 9.836,87 € (Nettodarlehensbetrag von 9.402,- € zuzüglich Zinsen von 434,87 €) ab 15.05.2016 mittels einer Rate von 246,87 und 35 gleichbleibenden Monatsraten in Höhe von jeweils 274,- € zurückzuzahlen hat. Der Kläger hat sämtliche vorgenannten Ratenzahlungen erbracht.

Mit Schreiben vom 01.03.2021 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung.

Das Landgericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

 

Der Zahlungsantrag des Klägers gem. Klageantrag Ziff. 1 ist in Höhe von 14.714,87 € begründet.

 

1. Der Darlehensvertrag hat sich durch die Widerrufserklärung des Klägers vom 01.03.2021 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet.

 

a) Der Widerruf ist nicht verfristet, da die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB über die im Fall des Verzuges anfallenden Verzugszinsen informiert hat.

 

Nach dem Urteil des EuGH vom 09.09.2021 - C-33/20, C-155/20, C-187-20 - (dort Tenor Ziff. 3 Satz 1 und Rn. 93) muss der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages geltende Verzugszinssatz im Kreditvertrag konkret in Form eines Prozentsatzes angegeben werden. Die Verweisung auf andere Vorschriften, aus denen sich dann der Verzugszinssatz entnehmen lässt, genügt nicht.

 

Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung ist Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB daher so zu verstehen, dass im Darlehensvertrag der bei Vertragsabschluss geltende Verzugszinssatz als konkreter Prozentsatz anzugeben ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2021 - 6 U 32/19 -, juris Rn. 25 ff).

 

Im vorliegenden Fall wird im Darlehensvertrag in Ziff. 13 der Allgemeinen Darlehensbedingungen über den gesetzlichen Verzugszinssatz nicht informiert. Es wird zwar erklärt, während der Vertragslaufzeit würden keine Verzugszinsen berechnet. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Beklagte nach Vertragsende sehr wohl Verzugszinsen berechnen kann, so dass über die konkrete Höhe des Zinssatzes im Darlehensvertrag zu informieren gewesen wäre.

 

Dies hat zur Folge, dass die in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelte Widerrufsfrist nicht begonnen hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2021 - 6 U 32/19 -, juris Rn. 36). Denn nach § 356b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Frist nicht zu laufen, wenn die Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB im Kreditvertrag nicht vollständig enthalten sind oder die Angaben nachgeholt worden sind.

 

b) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf die Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts. In dem Urteil vom 09.09.2021 (C-33/20, C-155/20 und C-187/20) hat der EuGH entschieden, dass es dem Kreditgeber verwehrt ist, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß dieser Bestimmung durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat (Urteilstenor Ziff. 6). In der Urteilsbegründung wird dazu ausgeführt, dass die RL 2008/48 keine zeitliche Beschränkung der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher für den Fall vorsieht, dass ihm diese Informationen nicht erteilt wurden, und dass eine solche Beschränkung mithin auch nicht in einem Mitgliedstaat durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden kann (EuGH, Urteil vom 09.09.2021, C-33/20 u.a., Rn. 117).

 

Dadurch ist klargestellt, dass eine Dispositionsbefugnis der Mitgliedstaaten für die Annahme einer Verwirkung bei nicht ausreichender Information des Verbrauchers nicht besteht. Ausgehend von dieser Prämisse hat es sich für den EuGH erübrigt, auch auf die Umstände einzugehen, nach denen im Rahmen des Unionsrechts eine Verwirkung nach nationalem Recht zulässig sein könnte (Knops, WM 2021, 2169).

 

Der Meinung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 12.10.2021 - 6 U 715/19 - juris Rn. 97 ff.), es bestünden weiterhin Zweifel, ob das Widerrufsrecht bei beiderseitig erfüllten Verträgen verwirkt sein kann, da eine Verwirkung nicht nur ein Zeitmoment, sondern auch ein Umstandsmoment voraussetzt, kann daher nicht beigetreten werden. Die Entscheidung des EuGH ist in diesem Punkt klar und eindeutig (acte éclairé). Zwei der vorgelegten Fälle, die dem Urteil des EuGH vom 09.09.2021 zugrunde liegen (nämlich LG Ravensburg Az. 2 O 280/19 - und - Az. 2 O 334/19 - im Verfahren des EuGH Az. C-155/20) waren gerade solche beiderseitig erfüllten Verträge, so dass sich der EuGH entsprechend geäußert hätte, wenn nach seiner Auffassung in diesen Fällen ausnahmsweise eine Dispositionsbefugnis der Nationalstaaten bestehen sollte.

 

c) Dem Widerruf steht auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.

33Nach der aktuellen ständigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH kann zwar eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts auch dann in Betracht kommen, wenn der Verbraucher nicht alle Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB im Darlehensvertrag erhalten hat und auch nicht nachträglich belehrt wurde (BGH, Urteil vom 16.10.2018 - XI ZR 69/18, juris Rn. 17 ff.)

 

Durch das Urteil des EuGH vom 09.09.2021 (Tenor Ziff. 7 und Rn. 127) ist dieser nationalen Rechtsprechung aber die Grundlage entzogen. Nach dem Urteil des EuGH kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht in Betracht, soweit die zwingenden Angaben gem. Art. 10 Abs. 2 RL 2008/48/EG nicht vollständig im Vertrag oder nachträglich erteilt worden sind. Der EuGH begründet dies mit dem Zweck des Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b) RL 2008/48/EG, nämlich sicherzustellen, dass der Verbraucher alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung zu beurteilen, und den Kreditgeber, der diese Informationen nicht erteilt, zu bestrafen (a.a.O. Rn. 124 f.).

 

Nach diesen Grundsätzen ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nach nationalem Recht kein Raum, da die Angaben gem. § 492 Abs. 2, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB (die den zwingenden Angaben gem. Art. 10 Abs. 2 RL 2008/48/EG entsprechen) nicht vollständig erteilt worden sind (siehe oben a)).

 

2. Nachdem der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden ist, steht dem Kläger gem. §§ 355 Abs. 3, 357a Abs. 1 a. F., 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der an die Beklagte bis zum Widerruf geleisteten Darlehensraten in Höhe von 9.836,87 € zu.

 

Ein Anspruch besteht auch hinsichtlich der aus eigenen Mitteln des Klägers an das Autohaus geleisteten Anzahlung in Höhe von 5.280,- €, da nach dem Zweck des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB die Rückabwicklung ausschließlich zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber erfolgen soll (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08 -, juris Rn. 27; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 358 Rn. 21).

 

3. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Beträge von insgesamt 15.116,87 € ist gem. § 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten (die allerdings, obwohl als „unbedingte Aufrechnung bezeichnet, eine Hilfsaufrechnung ist, da die Beklagte weiterhin dem Widerruf entgegentritt) mit dem Anspruch auf Wertersatz gem. § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB a. F. für die vollständig in Anspruch genommenen Versicherungsdienstleistungen im Wert von 402,- € erloschen. Denn infolge der Erstreckung des Widerrufs auf die Restschuldversicherung erfolgt eine Berechnung des Rückzahlungsanspruchs des Verbrauchers unter Abzug der „verbrauchten“ Versicherungsprämie (OLG Schleswig WM 2010, 1074, 1076; LG Bremen WM 2009, 2215 Rn 29; Knops ZIP 2010, 1268; Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 14.06.2022, § 358 Rn. 208).

 

Der Wert der vom Kläger vollständig in Anspruch genommenen Versicherungsdienstleistungen ergibt sich aus dem dafür vertraglich vereinbarten Betrag von 402,- €.

 

Nach Aufrechnung verbleibt ein von der Beklagten zu erstattender Betrag von 14.714,87 €.

 

4. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Beträge erlischt jedoch nicht durch die weitere Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Darlehenszinsen in Höhe von 434,87, da eine solche Forderung nicht besteht.

 

Bei Rückabwicklung eines Darlehensvertrags, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist, besteht kein Anspruch aus §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. auf Verzinsung des Darlehens (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2021 - 9 U 107/19, juris Rn. 83 ff.).

 

Nach feststehender höchstrichterlicher Rechtsprechung und einhelliger Meinung in der Literatur (BGH, Urteil vom 17.09.1996 - X ZR 164/95 - juris Rn. 15, 17; Grüneberg/ Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 358 Rn. 1) kann der Darlehensgeber bei einem darlehensfinanzierten Kauf das Darlehenskapital nach Widerruf des Darlehens vom Darlehensnehmer nicht zurückfordern. Denn bei der Prüfung, was der Darlehensnehmer nach dem Widerruf als empfangene Leistung zurückzugewähren hat, kommt dem Schutzzweck der Widerrufsregelung entscheidende Bedeutung zu. Der Käufer/Darlehensnehmer soll innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen entscheiden können, ob er an seinen Verpflichtungserklärungen festhalten will oder nicht. Dieser Schutzzweck würde gefährdet, wenn der widerrufende Verbraucher dem Darlehensgeber den - dem Verkäufer zugeflossenen - Kreditbetrag erstatten müsste und selbst das Risiko der Anspruchsdurchsetzung gegen den Verkäufer tragen müsste (BGH, a.a.O., juris Rn. 15, 17 m. w. Nachw.).

 

Die gleichen Erwägungen müssen aber auch für die Verzinsung des Darlehens gelten. Auch insoweit erfordert der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dass der Darlehensnehmer solchen Ansprüchen des Darlehensgebers nicht ausgesetzt ist, ansonsten hätte er nämlich ein Regressrisiko gegenüber dem Verkäufer der finanzierten Sache. Er würde also bei der Rückabwicklung der beiden Verträge, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, zunächst doppelt zur Kasse gebeten (nämlich für den Wertersatz für das Fahrzeug und für die Zinsen aus dem Darlehen) und müsste bei dem Verkäufer, der das Darlehen (in Form des Kaufpreises) empfangen hat und daraus Nutzungen ziehen konnte, mit ungewissem Ausgang wegen dieser Nutzungen Regress nehmen. Eine solche Abwicklung würde auch unnötigerweise den Aufwand der Rückabwicklung in diesem Dreiecksverhältnis steigern, denn die Bank müsste vom Verkäufer das Darlehen zurückfordern, und der Verbraucher die Zinsen. Bei Ablehnung der Rückerstattung durch den Verkäufer müssten dann parallel zwei Prozesse geführt werden.

 

Aus § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. (in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung, identisch mit § 357b Abs. 3 Satz 1 BGB n. F.) ergibt sich nichts Anderes, denn diese Regelung ist auf den Normalfall eines Darlehens zugeschnitten und nicht auf den Sonderfall eines darlehensfinanzierten Kaufs, bei dem Kauf- und Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine restriktive Auslegung ist insoweit geboten.

 

Auch kann aus § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB kein Umkehrschluss gezogen werden, dass bei einem Widerruf des Darlehensvertrags gem. § 358 Abs. 2 BGB die Darlehenszinsen vom Darlehensnehmer zu zahlen sind, denn aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber bei einem darlehensfinanzierten Kauf den Fall des Widerrufs des Kaufvertrags gegenüber dem Fall des Widerrufs des Darlehensvertrags unterschiedlich behandeln wollte (Wildemann, VuR 2011, 55). Soweit die Gegenauffassung einen Darlehenszinsanspruch bejaht (Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 14.06.2022, § 358 Rn 204.2), wird der Schutzzweck des Widerrufsrechts bei verbundenen Verträgen ausgeblendet. Wenn dabei nebulös der Gerechtigkeitsgehalt des § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB als „systemfremder“ Vorschrift bezweifelt und auf den grundlegenden Gerechtigkeitsgehalt eines Bereicherungsausgleichs verwiesen wird (Staudinger/Herresthal, a.a.O. Rn. 207), bleibt unberücksichtigt, dass der Darlehensnehmer die Nutzungen aus dem Darlehen nicht ziehen kann (sondern nur der Verkäufer, der den Darlehensbetrag erhält), und dass der Darlehensnehmer daher auch nicht bereichert ist.

 

Auch aus Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherkreditrichtlinie RL 2008/48/EG folgt nichts Anderes (a. A. Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 14.06.2022, § 358 Rn. 204.1 und 207.4; Rosenkranz/Beck-OGK-BGB, Stand 01.01.2022, § 358 Rn. 119.2). Soweit Art. 14 Abs. 3 lit. b) RL 2008/48/EG anordnet, dass der Verbraucher das Darlehen einschließlich der „ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen“ zurückzuzahlen hat, ist der Normalfall gemeint, dass der Kreditnehmer den Kredit ausgezahlt bekommt und für eigene Zwecke nutzt, und nicht der Sonderfall des mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrags. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unionsgesetzgeber dem nationalen Gesetzgeber auch für diese Sonderkonstellation eine konkrete Vorgabe für die Rückabwicklung der beiden Verträge machen wollte. Die Richtlinie regelt überhaupt nicht, welche Folgen der Widerruf des Kreditvertrags für einen verbundenen Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen hat (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 15.07.2021, C-155/20, Celex-Nr. 62020CC0155, Rz. 126). In der Richtlinie ist nicht einmal geregelt, dass der verbundene Vertrag für den Fall des Widerrufs des Darlehensvertrags unwirksam ist, geschweige denn die Rückabwicklung selbst. Art. 15 Abs. 1 RL 2008/48/EG bestimmt nur für den umgekehrten Fall des Widerrufs des verbundenen Vertrags, dass damit auch der Kreditvertrag unwirksam ist, aber auch hier ist die Rückabwicklung nicht geregelt. Der nationale Gesetzgeber kann daher für die Sonderkonstellation des Widerrufs unter Beachtung des Schutzzwecks des Widerrufsrechts eine von Art. 14 Abs. 3 lit b) RL 2008/48/EG eine abweichende Regelung treffen. Wie oben erörtert, gebietet es der Schutzzweck des Widerrufsrechts sogar, den Verbraucher bei der Rückabwicklung im Dreiecksverhältnis nicht zunächst doppelt zu belasten, indem ihm das Risiko der Durchsetzung eines Regressanspruchs zugeschoben wird.

 

II.

Der Klageantrag Ziff. 2 ist begründet. Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug.

 

Zwar hat der Kläger der Beklagten das Fahrzeug nicht tatsächlich im Sinne des § 294 BGB angeboten. Denn nach aktueller Rechtsprechung des BGH muss die Übergabe des Fahrzeugs nach § 357 Abs. 4 BGB grundsätzlich als Vorleistung in Form der Übergabe am Geschäftssitz der Beklagten (BGH, Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 498/19 -, juris Rn. 22 ff.) erfolgen.

50Der Kläger hat der Beklagten allerdings mit Schreiben vom 06.08.2021 (Anlage K 4) die Übergabe des Fahrzeugs an der von der Beklagten gewünschten Adresse angeboten. Ein wörtliches Angebot genügt gem. § 295 BGB, wenn der Gläubiger die Annahme endgültig abgelehnt hat. In dem vorprozessualen Verhalten und auch im Prozessverhalten der Beklagten ist vorliegend eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Annahme zu erblicken (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2019 - 16 U 102/18- juris Rn. 28). Denn die Beklagte ist dem Widerruf mit Schreiben vom 09.03.2021 entgegengetreten, genauso in der Klagerwiderung. Die gleichzeitig erklärte Bereitschaft der Beklagten, das Fahrzeug anzunehmen, ist unbeachtlich. Eine wirksame Annahmeerklärung setzt jedoch voraus, dass der Gläubiger, der die Vorleistung ernsthaft haben will, anschließend bereit ist, die ihm nach Erfüllung der Vorleistung obliegende Gegenleistung zu erbringen, ohne den Widerruf weiterhin gerichtlich in Frage zu stellen. Die Zurückweisung des Widerrufs und eine gleichzeitige Annahmeerklärung schließen sich aus.

 

III.

Der Kläger hat außerdem einen Anspruch gem. Klageantrag Ziff. 3 auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Beklagte hat den Widerruf des Klägers gem. Schreiben vom 09.03.2021 entgegen der Rechtslage nicht akzeptiert und hat wegen dieser Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB für einzustehen, dass der Kläger zur Rechtsdurchsetzung einen Rechtsanwalt beauftragen musste. Die Beklagte hat den Kläger daher von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.134,86 € freizustellen (1,3-Geschäftsgebühr aus dem Streitwert von 15.116,87 €).

 

IV.

Der Widerklageantrag Ziff. 1 ist begründet, denn nach Widerruf ist der Kläger zur Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet.

 

V.

Die hilfsweise erhobene Feststellungswiderklage (Widerklageantrag Ziff. 3) ist ebenfalls begründet, da der Beklagten ein Wertersatzanspruch gem. §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB dem Grunde nach zusteht, limitiert allerdings durch die bereits im Gesetz enthaltene Einschränkung, dass der Wertverlust auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen sein muss, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war. Die Beklagte hat außerdem keinen Anspruch auf Feststellung der Wertersatzpflicht, soweit dies künftige Wertminderungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung betrifft. Insoweit steht die Wertersatzpflicht dem Grunde nach noch nicht fest.

 

Möglich ist beispielsweise, dass das Fahrzeug verkauft wird. Schließlich kann auch nur dem Grunde nach über die Ersatzpflicht befunden werden, die Feststellung der Berechnungsfaktoren bleibt dem Verfahren über die Höhe des Wertersatzanspruchs vorbehalten.

 

VI.

Für die Einräumung des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2022 beantragten Schriftsatzrechts gibt es keinen Grund. Es ist seit dem Schriftsatz der Beklagten vom 05.05.2022 keinerlei weiterer Vortrag der Beklagten eingegangen, zu dem der Kläger noch ein Äußerungsrecht gebraucht hätte. Der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, dass der Widerklageantrag Ziff. 1 für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs begründet sein dürfte, hat auch kein Schriftsatzrecht ausgelöst.

 

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.