BGH: AGB mit Pflichtangaben müssen dem Vertrag beigeheftet sein

Der Bundesgerichtshof hat Urteil vom 04.07.2017 (Aktenzeichen: XI ZR 741/16) klargestellt, dass Pflichtangaben, zu deren Angabe im Darlehensvertrag sich die Bank vertraglich verpflichtet hatte, zwar grundsätlich in den AGB enthalten sein können. Hat die Bank mittels der Wendung über der Unterschriftszeile, die „beigehefteten Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“ seien „Bestandteil dieses Vertrags“, eine Anheftung selbst zur Bedingung für eine ordnungsgemäße Unterrichtung ihrer Kunden gemacht,muss sie sich an diesen Vorgaben messen lassen.

Der BGH hat insoweit ausgeführt:

 

I.

Das BerGer. hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit im Revisionsverfahren von Interesse – ausgeführt:

 

Der Feststellungsantrag der Kl. sei zulässig. Er beschränke sich nicht nur auf die Klärung einer bloßen Vorfrage. Eine Leistungsklage sei nicht vorrangig. Das Darlehen valutiere gegenwärtig noch in erheblicher Höhe. Den Kl. stehe mithin „per Saldo“ kein Zahlungsanspruch zu. Mithin könne ihnen nicht zugemutet werden, die Last der weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht gänzlich unproblematischen Berechnung eigener Ansprüche zu übernehmen und einen Rechtsstreit zu beginnen, an dessen Ende mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht die beantragte Verurteilung der Bekl. zu einer Leistung stehe. Im Übrigen könne von der Bekl. als Bank erwartet werden, dass sie sich an ein Feststellungsurteil halten werde.

 

 

Das Begehren der Kl. habe aber in der Sache keinen Erfolg. Die Bekl. habe die Kl. hinreichend klar und verständlich über ihr Widerrufsrecht informiert. Die vierzehntägige Widerrufsfrist sei daher bei Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen gewesen.

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II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

 

1.

Zu Unrecht ist das BerGer. von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen.

 

a) Der Feststellungsantrag der Kl., den sie zuletzt klarstellend dahin gefasst haben, sie erstrebten die Feststellung des „Nichtmehrbestehen(s) des Darlehensverhältnisses infolge des Widerrufs“, zielt auf die positive Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs der Kl. vom 7.4.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat (vgl. Senat, NJW-RR 2017, 815= WM 2017, 766 Rn. 1, 11; NJW 2016, 2428 = WM 2016, 454 Rn. 5 und BKR 2016, 204 Rn. 1 f.). Eine Auslegung des Feststellungsantrags dahin, die Kl. begehrten die negative Feststellung, die Bekl. habe gegen die Kl. seit dem Zugang der Widerrufserklärung keinen Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung, kommt mangels eines in diesem Sinne auslegungsfähigen anspruchsleugnenden Zusatzes nicht in Betracht (einen anderen Fall betrifft daher Senat, NJW 2017, 2340 = WM 2017, 1258 Rn. 10 ff., 16).

 

 

b) Als positive Feststellungsklage ist der Feststellungsantrag der Kl. unzulässig. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senat, NJW-RR 2017, 815 = WM 2017, 766 Rn. 11 ff.; NJW 2017, 1823 = WM 2017, 906 Rn. 13 ff.; NJW-RR 2017, 812 = WM 2017, 849 Rn. 19und NJW 2017, 2340 = WM 2017, 1258 Rn. 16), muss ein Kl., der die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend macht, vorrangig mit der Leistungsklage auf der Grundlage der § 357 I 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: aF) iVm §§ 346 ff. BGB gegen die Bekl. vorgehen. Ist dem Kl. eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm, was auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann.

 

Im konkreten Fall steht nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt. Die Feststellungsklage ist damit auch nicht nach den Maßgaben des Urteils des Senats vom 24.1.2017 (NJW-RR 2017, 815 = WM 2017, 766 Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig.

 

2.

Rechtsfehlerhaft ist überdies die Annahme des BerGer., die Bekl. habe den Kl. sämtliche Pflichtangaben erteilt, so dass die vierzehntägige Widerrufsfrist im Oktober 2010 angelaufen und bei Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen gewesen sei.

 

a) Zutreffend ist das BerGer. allerdings davon ausgegangen, der Vertrag habe die nach Art. 247 § 9I 3 EGBGB in der zwischen dem 11.6.2010 und dem 20.3.2016 geltenden Fassung (künftig: aF) iVm Art. 247 § 6 II EGBGB in der zwischen dem 30.7.2010 und dem 3.8.2011 geltenden Fassung (künftig: aF) erforderlichen Angaben zum Widerrufsrecht enthalten.

20aa) Die Parteien haben, was der Senat selbst feststellen kann (Senat, BGHZ 208, 278 = NJW 2016, 1379 Rn. 17; NJW 2017, 1306 = WM 2017, 427 Rn. 24 und NJW 2017, 2104 = WM 2017, 1004 Rn. 14), einen Immobiliardarlehensvertrag iSd § 503 I BGB in der zwischen dem 11.6.2010 und dem 20.3.2016 geltenden Fassung geschlossen. Die Zurverfügungstellung des Darlehens war von der Sicherung unter anderem durch eine Grundschuld abhängig. Laut MFI-Zinsstatistik für das Neugeschäft der deutschen Banken – Wohnungsbaukredite an private Haushalte (s. unter www.bundesbank.de) betrug der durchschnittliche effektive Jahreszins für festverzinsliche Hypothekarkredite bei Vertragsschluss auf Wohngrundstücke mit einer Laufzeit von über fünf bis zehn Jahren 3,52 % p. a. Der zwischen den Parteien vereinbarte effektive Jahreszins lag weniger als ein Prozentpunkt über dem Vergleichswert der MFI-Zinsstatistik, so dass die Bekl. den Kl. ein Darlehen zu Bedingungen gewährt hat, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge üblich waren.

 

bb) Die für Immobiliardarlehensverträge aus Art. 247 § 9 I 3 EGBGB aF iVm Art. 247 § 6 II EGBGBaF resultierende Verpflichtung, Angaben zum Widerrufsrecht zu machen, hat die Bekl. klar und verständlich erfüllt (Senat, NJW 2017, 1306 = WM 2017, 427 Rn. 16 ff., 21 f., 23 ff.).

 

Soweit die Bekl. nach der Angabe „§ 492 II BGB“ in einem Klammerzusatz „Pflichtangaben“ aufgeführt hat, bei denen es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben bei Immobiliardarlehensverträgen handelte, machten die Parteien wirksam die bei Immobiliardarlehensverträgen entbehrlichen Angaben nach Art. 247 § 6 I Nrn. 3 und 5 EGBGB in

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BGH: Widerruf eines Darlehensvertrags bei fehlerhaften „Pflichtangaben“(NJW-RR 2017, 1077)

der vom 11.6.2010 bis zum 20.3.2016 geltenden Fassung (künftig: aF) in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form zur zusätzlichen Voraussetzung für das Anlaufen der Widerrufsfrist (Senat, NJW 2017, 1306 = WM 2017, 427 Rn. 29 f.).

 

Auch im Übrigen genügten die Angaben der Bekl. den gesetzlichen Anforderungen. Das gilt auch, soweit die Bekl. den gem. Art. 247 § 6 II 2 EGBGB iVm Art. 247 § 9 I 3 EGBGB aF pro Tag anzugebenden Zinsbetrag auf der Grundlage einer Tageszählmethode angegeben hat, die jeden Monat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Tagen zählt. Art. 247 § 6II 2 EGBGB macht für die Umrechnung von Jahreszinsen keine Vorgaben. Die Bekl. durfte daher diese in der Bundesrepublik Deutschland für Bankkredite übliche (vgl. Nagel in Derleder/Knops/Bamberger, Dt. und europ. Bank- und KapitalmarktR, 3. Aufl., § 14 Rn. 20) Methode anwenden.

 

 

b) Dagegen fehlen tragfähige Feststellungen des BerGer. zur Erteilung der Angaben nach Art. 247 § 6 I Nr. 3 und Nr. 5 EGBGB aF.

 

aa) Zwar konnte die Bekl. die vertraglichen „Pflichtangaben“ zu der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde gem. Art. 247 § 6 I Nr. 3 EGBGB aF und zu dem einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags nach Art. 247 § 6 I Nr. 5 EGBGB aF in ihren „Allgemeine(n) Bedingungen für Kredite und Darlehen“ erteilen.

 

Von der Revision angeführte Gründe der Gesetzessystematik stehen dem nicht entgegen. Freilich zählt der Gesetzgeber Allgemeine Geschäftsbedingungen des Darlehensgebers zu den „weiteren Vertragsbedingungen“ iSd Art. 247 § 6 I Nr. 6 BGB aF (BT-Drs. 16/11643, S. 128). Daraus folgt anders als von der Revision vertreten im Gegenschluss aber nicht, die Pflichtangaben nach Art. 247§ 6 I Nr. 3 und Nr. 5 EGBGB aF dürften nur außerhalb der „weiteren Vertragsbedingungen“ erteilt werden. Aus der Auflistung in verschiedenen Nrn. des Art. 247 § 6 I EGBGB aF lässt sich das Gebot einer räumlichen Trennung im Verbraucherdarlehensvertrag nicht herleiten. Art. 247 § 6 I EGBGBaF beschränkt sich vielmehr auf eine Benennung der Angaben mit der Vorgabe, sie müssten sämtlich „klar und verständlich“ erteilt werden. Ist diesem Erfordernis genügt, können die Angaben nach Art. 247 § 6 I Nr. 3, Nr. 5 und Nr. 6 EGBGB aF zusammengefasst werden.

 

Die Angaben zu der für die Bekl. zuständigen Aufsichtsbehörde und zu dem einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags in den „Allgemeine(n) Bedingungen für Kredite und Darlehen“ waren klar und verständlich. Ihre Gestaltung ermöglichte es einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher (Senat, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = GRUR-RS 2016, 06439 Rn. 32 ff. und NJW 2017, 1306 = WM 2017, 427 Rn. 14), die jeweils einschlägigen Angaben aufzufinden. Sie waren übersichtlich gegliedert. Die wesentlichen Punkte waren in Fettdruck hervorgehoben. Eines gesonderten Hinweises im Vertragsformular auf den Standort der Informationen bedurfte es daneben nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.2017 – 17 U 204/15, BeckRS 2017, 104898 Rn. 40; aA Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2012, § 492 Rn. 47).

 

 

bb) Es kann dahinstehen, ob es Bedingung einer für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 495 II 1 Nr. 2 Buchst. b BGB in der zwischen dem 30.7.2010 und dem 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: aF) erforderlichen vertragsgemäßen Information ist, dass die „Allgemeine(n) Bedingungen für Kredite und Darlehen“ zumindest an das Vertragsformular angeheftet werden, oder ob die vom XII. Zivilsenat des BGH im Bereich des Mietrechts entwickelten Grundsätze (BGHZ 136, 357 [359 ff.] = NJW 1998, 58 = DStR 1997, 1980 = NZM 1998, 25 und BGH, NJW 2003, 1248, mwN; vgl. außerdem BGH, NJW 1999, 1104 = DStR 1999, 429 = NZM 1999, 310 = WM 1999, 595 [596]), wonach für die Wahrung der Schriftform die zweifelsfreie Bezugnahme der Haupturkunde auf die Anlage genügt, auf § 492 BGB übertragbar sind (dafür MüKoBGB/Schürnbrand, 7. Aufl., § 492 Rn. 19; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2012, § 492 Rn. 13 f.; Bülow/Artz, VerbraucherkreditR, 9. Aufl., § 492 BGB Rn. 39; Erman/Saenger, BGB, 14. Aufl., § 492 Rn. 6; Nobbe in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 12. Aufl., § 492 Rn. 5; offen OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.2017 – 17 U 204/15, BeckRS 2017, 104898 Rn. 38; aA Soergel/Seifert, BGB, 13. Aufl., § 492 Rn. 8). Denn die Bekl. hat mittels der Wendung über der Unterschriftszeile der Kl., die „beigehefteten Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“ seien „Bestandteil dieses Vertrags“, eine Anheftung selbst zur Bedingung für eine ordnungsgemäße Unterrichtung der Kl. gemacht. An dieser Vorgabe muss sie sich messen lassen.

 

cc) Feststellungen zum Einbezug der „Allgemeine(n) Bedingungen für Kredite und Darlehen“, die die Bekl. erst mit der Berufungserwiderung vorgelegt hat, hat das BerGer. nicht getroffen. Wegen des Inhalts des Darlehensvertrags hat es auf eine mit der Klageschrift vorgelegte „Anlage A“ Bezug genommen, der die „Allgemeine(n) Bedingungen für Kredite und Darlehen“ nicht beigefügt waren. Vortrag der Bekl. dazu, die „den Kl. ausgehändigten Vertragsunterlagen, insbesondere der Darlehensvertrag selbst nebst den Allgemeinen Bedingungen für Kredit und Darlehen“ hätten alle Pflichtangaben enthalten, hat es mit Tatbestandswirkung als streitig festgestellt, ohne sich in den Urteilsgründen über den Hinweis auf den „Abschluss des Vertrags“ und die „Aushändigung der in diesem Zusammenhang beigefügten Unterlagen“ hinaus damit zu befassen, ob und in welcher Form die „Allgemeine(n) Bedingungen für Kredite und Darlehen“ dem Vertragsformular hinzugefügt waren.

 

III.

Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

 

Denn zwar ist das Feststellungsinteresse gem. § 256 I ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein Feststellungsbegehren, das das BerGer. für zulässig erachtet hat, kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (Senat, NJW 2014, 3360 = WM 2014, 1621 Rn. 18; NJW 2017, 1823 = WM 2017, 906 Rn. 41 und NJW-RR 2017, 812 = WM 2017, 849 Rn. 33).

 

 

Hier kann der Senat indessen nicht aus anderen Gründen auf die sachliche Unbegründetheit des Klageantrags erkennen, weil die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 495 II1 Nr. 2 Buchst. b BGB aF nicht geklärt sind.

 

 

IV. Da die Sache auch nicht sonst zur Endentscheidung reif ist (§ 563 III ZPO), verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurück (§ 563 I 1 ZPO).