BGH: Wann liegt ein Verbraucherdarlehensvertrag vor?

Die Widerrufsvorschriften sind nur für sog. Verbrauchergeschäfte anwendbar. Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 20.02.2018 (Aktenzeichen: XI ZR 445/17) wiederholt dazu geäußert, wann ein Verbraucherdarlehensvertrag (in Abgrenzung zu einem gewerblichen Darlehensvertrag) gegeben ist.

Sein Urteil hat der Bundegerichtshof u.a. wie folgt begründet:

 

Nach § 13 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Verwaltung eigenen Vermögens grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit (Senat, BGHZ 149, 80 [86] = NJW 2002, 368 und NJOZ 2012, 887 = WM 2011, 548 Rn. 25). Zur Verwaltung eigenen Vermögens gehört generell auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie (Senat, NJW 2002, 368). Die Aufnahme von Fremdmitteln kann insbesondere beim Immobilienerwerb der ordnungsgemäßen Verwaltung zugeordnet werden und lässt daher nicht zwangsläufig auf ein Gewerbe schließen. Das ausschlaggebende Kriterium für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßigen Vermögensverwaltung ist vielmehr der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor (Senat, NJW 2002, 368).

 

Die Höhe der verwalteten Werte oder des Kreditbetrags ist dabei nicht maßgeblich. Handelt es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, so ist dementsprechend nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Ein ausgedehntes oder sehr wertvolles Objekt an eine geringe Anzahl von Personen zu vermieten, hält sich daher grundsätzlich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Dagegen spricht die Ausrichtung auf eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte für ein professionelles Vorgehen. Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand danach insgesamt das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermittelt, bleibt eine im Einzelfall zu beurteilende Frage (Senat, BGHZ 149, 80 [86 f.] = NJW 2002, 368).

 

Hintergrund des Falles war folgender:

 

Die Klägerin ist Nachlassverwalterin des am 23. Dezember 2012 verstorbenen Franz Karl B. . Dieser war gemeinsam mit Goran N. Eigentümer mehrerer Grundstücke in der K. Straße in R. . Die Grundstücke waren mit einem Wohn- und Gaststättengebäude, einem Apartmenthaus mit 12 Wohnungen, einem Mehrfamilienhaus mit sechs fremdvermieteten Wohnungen und einem Einfamilienhaus nebst Scheune bebaut. Betrieben wurde dieser Komplex von der GbR B. & N. -Pension und Gästehaus L. und der Grundstücksgemeinschaft B. & N. . Zur Finanzierung der Immobilien hatten die Eigentümer B. und N. bei der Beklagten vier Darlehen aufgenommen, nämlich am 13. Februar 2007 mit einer Darlehenssumme von 410.000 € und 390.000 € zu einem Sollzins von jeweils 5,39% und mit einer Zinsbindung von zehn Jahren (Darlehensendnummern 87 und 88), am 5. Juli 2007 mit einer Darlehenssumme von 610.000 € zu einem Sollzins von 6,15% und mit einer Zinsbindung von 15 Jahren (Darlehensendnummer 89) und am 25. März/1. April 2009 mit einer Darlehenssumme von 198.000 € zu einem Sollzins von 5,25% und mit einer Zinsbindung von zehn Jahren (Darlehensendnummer 90). Das Darlehen mit der Endnummer 88 sollte im Februar 2042 endfällig sein, während es sich bei den übrigen Darlehen um Annuitätendarlehen handelte. Sämtliche Darlehen waren durch Grundschulden auf dem Grundbesitz der beiden Darlehensnehmer gesichert.

 

Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 kündigte die Beklagte das Darlehen mit der Endnummer 89 außerordentlich wegen Zahlungsverzugs und machte zugleich Verzugszinsen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die offene Darlehensforderung sowie einen Refinanzierungsschaden in Höhe von 104.242,52 € geltend. Mit Schreiben vom 5. April 2012 kündigte die Beklagte auch die weiteren Darlehen wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse außerordentlich und verlangte auf die jeweils offene Restvaluta Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz sowie die Erstattung der Refinanzierungsschäden in Höhe von 61.108,77 € (Endnummer 87), 59.913,93 € (Endnummer 88) und 20.437,96 € (Endnummer 90).

 

Während des von der Beklagten betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens in die grundschuldbesicherten Immobilien wurden diese im September 2015 verkauft. Der Kaufpreis wurde zu Händen der Beklagten gezahlt. Von diesem behielt sie neben den von ihr geltend gemachten Verzugszinsen in Höhe von 106.246,06 € für den Zeitraum zwischen den Kündigungen und der Rückführung der Darlehensvaluta einen weiteren Betrag in Höhe von 245.703,18 € zum Ausgleich der Refinanzierungsschäden ein. Diese hatte sie für die Zinsforderungen anhand der erzielbaren Wiederanlagezinsen und abgezinst auf das Datum der Wirksamkeit der Kündigungen berechnet. Den restlichen Kaufpreis kehrte sie an die Klägerin aus.

 

Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung des als Vorfälligkeitsentschädigung einbehaltenen Betrags von 245.703,18 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei den vier Darlehen um Verbraucherdarlehensverträge handele, weshalb der Beklagten wegen der Sperrwirkung des § 497 Abs. 1 BGB keine Vorfälligkeitsentschädigung zugestanden habe. Aber selbst wenn keine Verbraucherdarlehen vorgelegen hätten, sei die Beklagte gehindert gewesen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen, weil dieser nicht kumulativ zu dem von der Beklagten verlangten Verzögerungsschaden beansprucht werden könne.