LG Hamburg: Textkasten macht Widerrufsinformation unwirksam

Das Landgericht Hamburg hat mit seinem viel beachteten Urteil vom vom 19.09.2016 - 325 O 42/16 zahlreiche Widerrufsinformationen der DSL-Bank aus den Jahren 2010 - 2014 für unwirksam erklärt. Betroffen sind Widerrufsinformationen, denen sich ein Textkasten folgenden Wortlauts anschloss:

 

Verbindlichkeit dieses Antrages / Bindefrist

 

Durch Unterzeichnung dieser Erklärung gibt der Darlehensnehmer ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Darlehensvertrages ab.

 

Der Darlehensnehmer bindet sich mit seiner Unterschrift für einen Monat an seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Die Frist beginnt mit Unterzeichnung dieses Vertragsangebotes durch den Darlehensnehmer.

 

 

Zur Begründung hat das Landgericht Hamburg u.a. ausgeführt:

 

Fehlerhaft ist die Belehrung nämlich deshalb, weil sie durch die auf der folgenden Seite mitgeteilte Bindung des Darlehensnehmers an seine Vertragserklärung in einer Weise entwertet wird, dass selbst ein verständiger und aufmerksamer Verbraucher nicht sicher erkennen kann, ob ihm ein Recht zum Widerruf des Verbraucherdarlehens zusteht.

 

aa) Dabei ist unerheblich, dass der Vertragstext über die Bindung des Darlehensnehmers an sein Vertragsangebot außerhalb des durch einen Rahmen markierten Textes der Widerrufsbelehrung steht. Zwar mag ein Verbraucher aufgrund der optischen Gestaltung erkennen können, dass die Bindefrist nicht Bestandteil der Widerrufsbelehrung ist. Dennoch ist auch eine für sich genommen ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung fehlerhaft, wenn ein von der Darlehensgeberin vorformulierter Vertragstext an anderer Stelle eine Erklärung enthält, die geeignet ist, um die in der Widerrufsbelehrung enthaltene Information des Verbrauchers über Bestehen und Inhalt seines Widerrufsrechts zu konterkarieren. Würde etwa der vorformulierte Text auf einer Folgeseite die Erklärung enthalten: „Mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrags verzichtet der Darlehensnehmer auf sein Widerrufsrecht“, so wäre damit die Widerrufsbelehrung - auch wenn sie ansonsten beanstandungsfrei erteilt worden ist - entwertet, weil dem Verbraucher der Eindruck vermittelt würde, dass er kein Widerrufsrecht besitzt.

 

bb) Die Erklärung über die rechtliche Bindung für einen Zeitraum von einem Monat betrifft auch nicht einen anderen Zeitraum als denjenigen des Widerrufsrechts (OLG Köln, Beschluss v. 30.9.2015 - 13 W 33/15, juris; LG Bonn, Urt. v. 26.10.2015 - 3 O 488/14, Anlage B11). Die beiden Zeiträume können sich durchaus überschneiden. Sie hätten sich sogar vollständig gedeckt, wenn die Vertragsannahmeerklärung der Bank innerhalb von 16 Tagen bei dem Verbraucher eingegangen wäre, während bei den konkreten Daten des Falles die Fehlvorstellung nahelag, dass die Widerrufsfrist aufgrund der Bindungserklärung auf vier Tage reduziert sei. Die Erklärung über die Bindefrist ist danach auch in zeitlicher Hinsicht geeignet, beim Verbraucher den Eindruck zu vermitteln, dass er von seinem Widerrufsrecht nicht oder nur eingeschränkt Gebrauch machen könne.

 

cc) Selbst wenn der Verbraucher aus dem Umstand, dass im Darlehensvertrag getrennte Regelungen für die Verbindlichkeit des Antrags und für den Widerruf existieren, schließt, dass es sich dabei um differierende Sachverhalte handele, mit denen die Regelung beabsichtigt sei, dass er bis zum Vertragsschluss, maximal jedoch einen Monat lang, an seine Vertragserklärung gebunden sei, dass er aber nach Vertragsschluss für einen Zeitraum von zwei Wochen ein Widerrufsrecht besitze, so stünde dies mit der gesetzlichen Regelung des Widerrufsrechts nicht in Einklang. Denn der Verbraucher, der ein gesetzliches Widerrufsrecht besitzt, bei dem die Widerrufsfrist erst mit Vertragsschluss zu laufen beginnt, darf dieses bereits vor Vertragsschluss ausüben (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 355 BGB Rn. 7, ebenso schon die Vorauflagen zur Zeit des Abschlusses des Darlehensvertrags).

 

dd) Zwar mag die Beklagte beabsichtigt haben, mit der Bindefrist ausschließlich die ihr zur Verfügung stehende Annahmefrist zu regeln, ohne dass dies irgendeinen Einfluss auf das Widerrufsrecht des Klägers haben sollte. Ein solches Verständnis der im Vertrag getroffenen Regelung ist jedoch auch von einem verständigen Verbraucher nicht zu erwarten. Denn nur bei Kenntnis der gesetzlichen Regelungen der §§ 147 Abs. 2, 148 BGB lässt sich ein Bedarf für eine vom Widerrufsrecht des Klägers unabhängige Regelung einer Bindungsfrist erkennen. Die Kenntnis der genannten Bestimmungen aus dem allgemeinen Teil des BGB kann jedoch bei einem Verbraucher nicht vorausgesetzt werden.“

 

Damit sind zahlreiche Darlehensverträge der DSL-Bank aus den Jahren 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 unwirksam.