OLG Düsseldorf und die Bindung deutscher Gerichte an das EuGH-Urteil

In einem bislang noch nicht veröffentlichten Beschluss vom 31.03.2020 hat sich das OLG Düsseldorf (Aktenzeichen I-6 U 160/19) vermutlich als erstes deutsches Obergericht mit dem EuGH-Urteil vom 26.03.2020  (C-66/19 - "JC / Kreissparkasse Saarlouis) auseinandergesetzt. 

Den Informationen der Kanzlei Stenz & Rogoz zufolge hat das OLG Düsseldorf u.a. folgendes ausgeführt:

 

"[...] Im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs [...] sei vorsorglich darauf hingewiesen, dass [...] der Gesetzgeber [...] den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB mit Gesetzesrang als eine klare und verständliche Gestaltung der Information über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist vorgegeben [hat]. Aus dem Gesetzeswortlaut, der Systematik und den Materialien der zum 30.07.2010 in Kraft getretenen Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergibt sich, dass der Gesetzgeber selbst eine Erläuterung anhand des um Beispiele ergänzten § 492 Abs. 2 BGB nicht nur für sinnvoll (BTDrucks. 17/1394, S. 25 f.), sondern als mit den sonstigen gesetzlichen Vorgaben in Einklang stehend erachtete. Durch die schließlich Gesetz gewordene Auswahl der für eine Mehrzahl unterschiedlicher Vertragstypen relevanten Beispiele (BT-Drucks. 17/2095, S. 17) brachte der Gesetzgeber überdies zum Ausdruck, dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher die Ermittlung der für den einschlägigen Vertragstyp jeweils relevanten Pflichtangaben anhand des Gesetzes zuzutrauen. Über dieses gesetzgeberische Gesamtkonzept dürfen sich die Gerichte, die ihrerseits der Gesetzesbindung unterliegen, bei der Auslegung des gleichrangigen übrigen nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG nicht hinwegsetzen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.02.2019 - 6 U 88/18, juris Rn. 12 ff., 19). In der Entscheidung, der Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB sei unzureichend klar und verständlich, läge eine Missachtung der gesetzlichen Anordnung, die dazu führte, dass das Regelungsziel des Gesetzgebers in einem wesentlichen Punkt verfehlt und verfälscht und einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben würde. Dazu sind die Gerichte nicht befugt. Das deutsche Gesetz und der Wille des deutschen Gesetzgebers sind derart eindeutig, dass auch eine entgegenstehende richtlinienkonforme Auslegung ausscheidet (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 19.03.2010- XI ZR 44/18, juris Rn. 16, 17 m.w.N.)." 

 

Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:

 

Die vom OLG Düsseldorf angeführten Erwägungen können nicht überzeugen. Das OLG verweist auf Materialien der Gesetzgebung zum Erlass eines gesetzlichen Widerrufsmusters (Bundestagsdrucksache 17/1394, S. 25 f.). Dort heißt es u.a.: 

 

"Satz 1 der Mustervertragsklausel informiert darüber, dass der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen kann. Dieser Wortlaut entspricht den Vorgaben der §§ 495 Absatz 1, 355 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 und Absatz 2 Satz 1 BGB – neu –, § 495 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BGB-E sowie Artikel 247 § 6 Absatz 2 Satz 1 EGBGB – neu –, durch die Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p sowie Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 der Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt werden.

 

Mit Satz 2 wird über den Beginn der Widerrufsfrist informiert. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags und erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB erhalten hat. Was Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB-E sind, wird mit dem Klammerzusatz beispielhaft erläutert. Herausgegriffen wurden aus dem Angabenkatalog, dessen Umfang vom konkreten Vertrag abhängt, solche Beispiele, die stets relevant sind."

 

Mit anderen Worten ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien lediglich, dass sich der deutsche Gesetzgeber Gedanken darüber gemacht hat, wie ein Muster einer Widerrufsbelehrung aussehen kann. Der Gesetzgeber hat aber gerade keine Aussage getroffen, dass eine Belehrung, die sich nicht am Muster orientiert den Kaskadenbeweis enthalten darf.

 

Wir erwarten, dass der Bundesgerichtshof sich in Kürze vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils nochmals neu mit dem Kaskadenverweis auseinandersetzt. Dabei wird der BGH zu beachten haben, dass in den Materialien der Gesetzgebung (Bundestagsdrucksache 17/1394, S. 25 f.) u. a. ausgeführt wurde:

 

Die Kanzlei Stenz & Rogoz wird den Beschluss des OLG Düsseldorf in Kürze anonymisiert veröffentlichen.