Tolles Urteil aus Konstanz: Das Landgericht Konstanz hat die VR-Bank am 08.12.2020 verurteilt, an ihre Kunden die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen (Aktenzeichen: C 4 O 155/20). Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung waren nach Ansicht des Gerichts unzureichend im Sinne des gesetzlichen Vorschriften. Die Kunden erhalten in Höhe von über 8.200,00 Euro zurück.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Kläger verlangen von der Beklagten - einer Bank - Rückzahlung einer klägerseits geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung.
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Im Jahr 2017 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag (Anlage K1). Hintergrund war die Finanzierung einer von den Klägern privat genutzten Immobilie.
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In vorgenanntem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag heißt es unter Ziff. 8:
„Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung (vergleiche Ziffer 7 dieses Vertrages) oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses (vergleiche Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen) hat der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Der Berechnung dieses Schadens wird der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode zugrunde legen, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden.
Danach wird berücksichtigt:
- Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht. Die Differenz zwischen dem Vertragszins des abzulösenden Darlehens und der Hypothekenpfandbriefrendite ist um angemessene Beträge sowohl für ersparte Verwaltungsaufwendungen als auch für das entfallene Risiko des abzulösenden Darlehens zu kürzen. Die auf der Grundlage der so ermittelten Nettozinsverschlechterungsrate für die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens sich ergebenden Zinseinbußen werden dann auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abgezinst. Dabei wird auch hier der aktive Wiederanlagezins, das heißt, die Renditelaufzeit kongruenter Hypothekenpfandbriefe zugrunde gelegt. (…)“
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Weiter heißt es in dem zwischen den Parteien im Jahre 2017 abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag unter Ziff. 14:
„Sondertilgungsrecht:
Ab 30.12.2017 sind pro Kalenderjahr Sondertilgungen während der bestehenden Zinsbindung bis zu einer Höhe von maximal 14.200,00 € möglich. Ein Vorfälligkeitsentgelt fällt dafür nicht an. Nicht erfolgte Sonderzahlungen können weder auf ein anderes Darlehenskonto, noch auf folgende Kalenderjahre übertragen werden. Die Leistungsrate (bestehend aus Zins- und Tilgung) verändert sich nach der Sonderzahlung nicht. Die Zinsberechnung wird aber selbstverständlich nur auf das neue - reduzierte - Restkapital vorgenommen. Die Vereinbarung über die Sondertilgungsmöglichkeit gilt bis zum 30.12.2027.“
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Des Weiteren heißt es in den dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag beigefügten „Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“ unter Ziff. 7.1:
„Kündigung von Krediten mit Sollzinsbindung:
Der Kreditnehmer kann einen Kreditvertrag mit einem gebundenen Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 1 Monat, frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Kreditnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen;
- in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten; wird nach dem Empfang des Kredits eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunktes des Empfangs.“
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Das den Klägern seitens der Beklagten mit dem im Jahr 2017 zwischen den Parteien abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gewährte Darlehen war von den Klägern laut Vertrag mit einem Sollzinssatz von 1,9% jährlich ab dem Tag der Auszahlung zu verzinsen. Dieser Sollzinssatz sollte bis 30.12.2027 gebunden sein.
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Schließlich heißt es in den dem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag beigefügten „Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“ unter Ziff. 12.2:
„Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (vgl. Nummer 7.5) ist der Schaden zu ersetzen, der aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Diesen Schaden wird der Kreditgeber nach den vom Bundesgerichtshof für die Berechnung vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen berechnet, die insbesondere
- ein zwischenzeitlich gesunkenes Zinsniveau,
- die für den Kredit ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme,
- den dem Kreditgeber entgehenden Gewinn,
- den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand sowie
- die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten berücksichtigen.
Die Vorfälligkeitsentschädigung wird folgende Beträge nicht überschreiten:
- ein Prozent bzw., wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung weniger als ein Jahr beträgt, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrages,
- den Betrag der Sollzinsen, den der Kreditnehmer in dem Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung entrichtet hätte.
Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung im Kreditvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern oder im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrages, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.“
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Nach Auszahlung des Darlehensbetrages durch die Beklagte führten die Kläger diesen Betrag im Folgenden an die Beklagte zurück. Infolgedessen beanspruchte die Beklagte mit Schreiben vom 04.10.2019 von den Klägern die Bezahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.233,32 €. Am 10.10.2019 bezahlten die Kläger diesen Betrag an die Beklagte.
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Die Beklagte berechnete die von den Klägern beanspruchte und alsdann auch erhaltene Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode.
10Bei einer Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode wird zunächst ermittelt, welche Zinseinnahmen der Kreditgeber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vertrag frühestens ordentlich hätte gekündigt werden können, gehabt hätte. Bei der Ermittlung dieses Zahlungsstromes wird die Ausnutzung aller eingeräumten Optionen zu zusätzlicher Tilgung (wie Sondertilgung oder Tilgungssatzanpassung) zum frühestmöglichen Zeitpunkt unterstellt; wäre das Darlehen dadurch noch früher zurückgeführt, als es ordentlich hätte gekündigt werden können, endet damit auch die Berechnung noch früher. Dem gegenübergestellt wird, was der Kreditgeber mit der bei ihm unerwartet verfügbaren Liquidität alternativ erwirtschaften könnte. Die Aktiv-Passiv-Methode geht hierfür von einer zu den ausfallenden Zahlungen aus dem ersten Zahlungsstrom laufzeitkongruenten „passiven“ Wiederanlage der vorzeitig vorhandenen Liquidität in Hypothekenpfandbriefen (bzw. unterjährig: Geldmarktiteln) entsprechend der Renditestatistik der Bundesbank am Tag der Berechnung (bzw. vorzeitigen Beendigung) aus. Die einzelnen sich ergebenden Beträge werden auf den Stichtag abgezinst. Ersparte Positionen für entfallende Risikovorsorge und entfallende Verwaltungskosten des nicht mehr valutierenden Kredits werden in Abzug gebracht.
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Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 18.02.2020 forderten die Kläger von der Beklagten die von diesen bereits geleistete Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.233,32 € zurück.
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Eine Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung seitens der Beklagten ist bis dato nicht erfolgt.
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Die Kläger meinen:
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Die Beklagte habe die Bezahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht beanspruchen können, weil § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB einschlägig sei. Die im zwischen den Parteien im Jahr 2017 geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag enthaltenen Angaben zur Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode seien unzureichend. So werde nicht darauf hingewiesen, dass die berechtigte Zinserwartung mit dem Zeitpunkt ende, zu dem erstmals eine ordentliche Kündigung möglich sei. Außerdem fehle ein Hinweis darauf, dass die eingeräumten Sondertilgungsmöglichkeiten Einfluss auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hätten. Soweit die Beklagte auf ein den Klägern im Nachgang zum Abschluss des vorliegend streitgegenständlichen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages ausgehändigtes ESIS-Merkblatt abhebe, sei dies ohne Bedeutung. Denn jedenfalls sei im Vertrag eine ausreichende Information über die Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung nicht enthalten.
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Unbeschadet dessen sei die Beklagte auch gar nicht berechtigt gewesen, die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode zu berechnen. Hierbei handle es sich vielmehr um eine veraltete Berechnungsmethode. Heutzutage sei es nicht mehr üblich, dass Banken Geld in Pfandbriefe investieren. Diese Annahme stamme vielmehr aus Zeiten mit einem völlig anderen Zinsumfeld. Es sei zu fordern, dass die Beklagte ihren Ausfallschaden konkret darlegt.
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Die Kläger beantragen,
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 8.233,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 04.03.2020, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 989,13 € als Nebenforderung zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
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Die Beklagte meint:
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Die Voraussetzungen des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB lägen nicht vor. Die Erläuterungen zur Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung im zwischen den Parteien im Jahre 2017 geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag seien nicht zu beanstanden. Ein Hinweis auf die notwendige Berücksichtigung etwaiger Sondertilgungsrechte sei in Ziff. 14 dieses Vertrages enthalten. Außerdem sei den Klägern ein ESIS-Merkblatt ausgehändigt worden, aus dem sich weitere Einzelheiten ergäben.
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Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, die von den Klägern beanspruchte Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode zu berechnen. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung des BGH. Es gebe keine Verpflichtung zu einer konkreten Schadensberechnung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Die beklagte Volksbank wurde wie folgt verurteilt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 8.233,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 04.03.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Das Landgericht Konstanz hat sein Urteil wie folgt begründet:
I.
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Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet.
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1) Den Klägern steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der klägerseits geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.233,32 € nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB zu. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist, dass der Anspruchsgegner durch eine Leistung des Anspruchsstellers etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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a) Die Beklagte hat von den Klägern eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.233,32 € und damit „etwas“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB erlangt. Dies geschah seitens der Kläger auch bewusst und zweckgerichtet und folglich „durch Leistung“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.
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b) Die Bezahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.233,32 € zu Gunsten der Beklagten erfolgte auch ohne Rechtsgrund gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Denn die Beklagte war gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht berechtigt, von den Klägern eine Vorfälligkeitsentschädigung wegen der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehensbetrages zu beanspruchen.
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Gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung unter anderem dann ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
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Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sie nicht klar und verständlich im Sinne von Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB sind (OLG Frankfurt, Urteil v. 01.07.2020 - 17 U 810/19, juris unter Hinweis auf BGH, Urteil v. 05.11.2019 - XI ZR 650/18, juris). Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (OLG Frankfurt, a.a.O. unter Hinweis auf BGH, Beschluss v. 19.03.2019 - XI ZR 44/18, juris). Es bedarf nicht der Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel. Dies trüge zu Klarheit und Verständlichkeit nichts bei. Vielmehr ist nach der Gesetzesbegründung aus systematischer Sicht der Verbraucherkreditrichtlinie entscheidend, dass der Darlehensnehmer die Berechnung der Entschädigung nachvollziehen und seine Belastung, falls er sich zur vorzeitigen Rückzahlung entschließt, zuverlässig abschätzen kann (BGH, Urteil v. 05.11.2019 - XI ZR 11/19, juris unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/11 643, Seite 87). Danach ist im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode ausreichend, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH, a.a.O., m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben erweisen sich die Angaben der Beklagten in dem vorliegend streitgegenständlichen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zur Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung als unzureichend. So ist in Ziff. 8 des vorgenannten Vertrages hinsichtlich der Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung davon die Rede, dass es auf den Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung ankomme, womit die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspreche, gemeint sei. Dies ist jedoch - was zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist - nicht zutreffend. Denn im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode kommt es ganz entscheidend auf den Zeitpunkt an, zu dem erstmals ordentlich gekündigt werden könnte (BGH, Urteil v. 19.01.2016 - XI ZR 388/14, juris). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, ob und wenn ja, inwieweit Sondertilgungsrechte eingeräumt wurden (BGH, a.a.O.). Beide vorgenannten Parameter tauchen in den Angaben in Ziff. 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages aber schlicht überhaupt nicht auf. Die Angaben erwecken vielmehr den Eindruck, es komme hinsichtlich der Berechnung des Zinsverschlechterungsschadens auf die gesamte Restlaufzeit des Darlehens an. Dies ist aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers durchaus geeignet, diesen von der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens - ein zentrales Recht des Verbrauchers als Vertragspartner eines Darlehensvertrages - abzuhalten. Denn die Beklagte suggeriert im vorliegend streitgegenständlichen Darlehensvertrag, es falle eine Vorfälligkeitsentschädigung unter Berücksichtigung des Zinsschadens bezogen auf die gesamte Vertragslaufzeit an. Eine so berechnete Vorfälligkeitsentschädigung kann wesentlich höher ausfallen, als sie dies bei Berücksichtigung von Kündigungs- und Sondertilgungsrechten täte.
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Der vorgenannte Befund wird nicht durch die Angaben in Ziff. 14 des zwischen den Parteien geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages infrage gestellt. Dort wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Vorfälligkeitsentgelt für Sondertilgungen nicht anfalle. Dies liegt für sich genommen jedoch für jedermann auf der Hand und ist gerade Sinn der Einräumung eines Sondertilgungsrechts. Dass von dieser Vertragspassage auch andere Darlehensrückzahlungen, das heißt solche, die sich außerhalb eines etwaigen Sondertilgungsrechtes bewegen, in Bezug genommen werden sollen, erschließt sich aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers demgegenüber nicht.
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Schließlich führt auch Ziff. 12.2 des zwischen den Parteien geschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages nicht zu einer anderen Bewertung. Es ist bereits völlig unklar, in welchem Verhältnis Ziff. 7 und Ziff. 12.2 des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages zueinander stehen. Allein dies führt bereits zu einer ausreichenden Unklarheit der Angaben im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
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Nachdem § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB fordert, dass die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung „im Vertrag“ enthalten sind, kommt es auf die Aushändigung des ESIS-Merkblattes nicht an.
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c) Ein Rechtsgrund für die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB besteht auch aus anderen Gründen nicht. Insbesondere kann aus der bloßen Bezahlung der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Kläger - ganz gleich, auf welchem Weg diese erfolgt ist - nicht geschlossen werden, dass diese mit der Beanspruchung der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Beklagte vorbehaltlos einverstanden gewesen sind (vgl. BGH, Urteil v. 11.01.2007 - VII ZR 165/05, juris). Im Übrigen bestehen hinsichtlich einer derartigen rechtlichen Konstruktion mit Blick auf § 512 BGB erhebliche Bedenken. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an.
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d) Der klägerische Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.233,32 € ist auch nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete unter anderem dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Zur Kenntnis der Nichtschuld im Sinne von § 814 BGB genügt es nicht, dass dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt. Der Leistende muss vielmehr aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben (BGH, Urteil v. 13.05.2014 - XI ZR 170/13; NJW-RR 2014, 1133). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte weder vorgetragen, noch ist dies aus anderen Gründen ersichtlich.
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2) Der klägerseits begehrte Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nicht gegeben. Aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB kann ein derartiger Anspruch nicht hergeleitet werden. Auch aus Verzugsgesichtspunkten ergibt sich ein solcher Anspruch nicht, weil die Kläger die Voraussetzungen eines etwaigen Verzugs der Beklagten gem. § 286 BGB nicht vorgetragen haben. Vorgelegt wird klägerseits lediglich ein Anspruchsschreiben vom 18.02.2020, ohne dass aber mitgeteilt wird, ob und weshalb hierdurch ein Verzug der Beklagten eingetreten sein sollte.
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3) Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 286 BGB. Nachdem die Beklagte auf das klägerische Anspruchsschreiben vom 18.02.2020 binnen der dort gesetzten Frist die klägerische Forderung nicht bezahlte, befindet sie sich seit Ablauf des 03.03.2020 in Verzug. Die Kläger können demnach seit dem 04.03.2020 Verzugszinsen hinsichtlich ihrer berechtigten Hauptforderung verlangen.