OLG Köln: Widerruf bei falschem Effektivzins

Das Oberlandesgericht Köln hat mit kürzlich veröffentlichten Urteil vom 26.03.2019 (Aktenzeichen: 4 U 102/18) klargestellt, dass die Angabe eines falschen Effektivzinses einen Widerruf begründen kann. Ferner hat das OLG andeutet, dass auch nur eine geringfügiger Fehler bei der Berechnung des Tageszinses (der in der Widerrufsinformation angegeben werden muss) den Widerruf begründen kann.

Wörtlich hat das OLG Köln u.a. ausgeführt:

 

"Zwar hat die Beklagte den effektiven Jahreszins unter Ziffer 2.3 der Vertragsurkunde mit 3,70 v. H. angegeben. Dieser beläuft sich entsprechend der jedenfalls nicht substanziiert angegriffenen, nachvollziehbar erscheinenden und deswegen der Entscheidung zugrunde zu legenden Darstellung der Kläger in der Berufungsbegründungsschrift (S. 18 ff., Bl. 387 ff. GA, in Verbindung mit den zugleich vorgelegten Anlagen BK 1 bis BK 4, Bl. 400 ff. GA) tatsächlich auf 3,76 bis 3,77 v. H. und ist daher zu gering angegeben. Die Kläger haben ihrer Berechnung zu Recht 365 Zinstage je Jahr und 30,41666 Tage je Monat zugrunde gelegt. Dies folgt aus Art. 247 § 3 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. in Verbindung mit § 6 PAngV in der hier maßgeblichen, vom 30.07.2010 bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung (künftig: a.F.) in Verbindung mit Ziff. I. lit. c) der Anmerkungen in der Anlage 1 zu dieser Vorschrift. Diese Information hat die Beklagte bis zur Erklärung des Widerrufs unstreitig auch nicht in der nach § 492 Abs. 6 BGB a.F. gebotenen Form nachgeholt.

 

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(2.3.1.2) Diese fehlerhafte Angabe ist wie eine fehlende zu behandeln. Zwar könnte der Wortlaut der Vorschrift des § 492 Abs. 6 BGB, die für die Nachholung der nach Abs. 2 erforderlichen Informationen daran anknüpft, dass diese nicht oder nicht vollständig erfolgt sind, dafür sprechen, dass dem Beginn der Widerrufsfrist lediglich das gänzliche Fehlen einer oder mehrerer Pflichtangaben entgegensteht. Der beabsichtigte Informationszweck wird aber bei einer fehlerhaften Angabe gleichermaßen verfehlt wie bei einer fehlenden. Eine fehlerhafte Information birgt sogar die Gefahr der Irreführung des Verbrauchers. Daher beginnt die Widerrufsfrist auch bei einer fehlerhaften Angabe erst dann, wenn die Information ordnungsgemäß nachgeholt wurde (h. M., vgl. Schürnbrand, a. a. O., § 495 Rn. 10: Kaiser in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 355 Rn. 55, m. w. Nachw.; Weidenkaff in Palandt, BGB, 72. Auflage 2013, § 495 Rn. 3). Mit dieser Bewertung geht einher die Auffassung des Europäischen Gerichtshofs.  Nach dessen Entscheidung aus 2008 ergibt die Auslegung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985, dass der nationale Gesetzgeber für den Fall einer fehlerhaften Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht vorsehen kann, dass dieses Recht nicht später als einen Monat nach vollständiger Erbringung der Leistungen aus einem langfristigen Darlehensvertrag durch die Vertragsparteien ausgeübt werden kann (EuGH, Urteil vom 10.04.2008 – C-412/06 – NJW 2008, 1865).

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(2.3.1.3) Soweit an eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift bei einer aus der Sicht des Verbrauchers gänzlich untergeordneten Informationspflichtverletzung, die auf seine Willensbildung vernünftigerweise keinen Einfluss haben konnte, zu denken sein könnte (vgl. Schürnbrand, a. a. O.), kommt dieser Gedanke vorliegend nicht zum Zuge. Denn bei der Angabe des effektiven Jahreszinses handelt es um eine besonders wichtige Information im Rahmen der Pflichtangaben für den Darlehensnehmer. Diese Information soll ihm einerseits die Gesamtbelastung aus der Darlehensaufnahme vor Augen führen und ihm einen aussagekräftigen Preisvergleich mit den Angeboten anderer Kreditinstitute ermöglichen, während die Mitteilung des Sollzinssatzes hierfür keine geeignete Grundlage bildet (vgl. etwa Schürnbrand in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 491a Rn. 19).

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(2.3.1.4) Durch den wirksamen Widerruf hat sich das zwischen den Parteien geschlossene Darlehen x66 gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F in Verbindung mit § 346 BGB ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt.

 

Besonders interessant ist auch, dass das OLG Köln andeutet, dass auch nur eine geringfügiger Fehler bei der Berechnung des Tageszinses in der Widerrufsinformation den Widerruf begründen kann. Das OLG führt insoweit aus:

 

"Bezogen auf das Darlehen x08 fehlt es zwar an der nach Art. 247 § 9 Abs. 1 S. 3 in Verbindung mit Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB a.F. erforderlichen korrekten Angabe des nach Widerruf auf die zurückzuzahlende Darlehensvaluta pro Tag zu zahlenden Zinsbetrages. Das gilt allerdings nicht, weil die Beklagte ihrer Berechnung des Tageszinses unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage 30 Tage je Monat bzw. 360 Tage je Jahr zugrunde legte. Denn Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 2 EGBGB a.F. macht für die Umrechnung von Tageszinsen keine Vorgaben. Die Beklagte durfte insoweit die in der Bundesrepublik Deutschland für Bankkredite übliche Methode anwenden (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2017 – XI ZR 741/16 – juris Rn. 23). Der Tageszinsbetrag ist in der Belehrung über die Widerrufsfolgen aber selbst unter Zugrundelegung von 30/360 Zinstagen mit 9,20 € zu hoch angegeben. Bei dem vereinbarten Sollzinssatz von 3,310 % p.a. von einem (mangels Tilgung gleich bleibenden) Darlehensnennbetrag von 100.000,00 € beläuft sich die Jahreszinssumme auf 3.310,00 € und damit der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag auf 9,1944… € je Tag. Es ist kaufmännisch üblich und so auch, wenn auch bezogen auf die Berechnung des effektiven Jahreszinses, in Ziff. I. lit. d) der Anmerkungen in der Anlage 1 zu § 6 PAngV a.F. eingegangen, dass das Rechenergebnis auf zwei Dezimalstellen genau anzugeben ist und sich die Ziffer der zweiten Dezimalstelle nur dann um den Wert 1 erhöht, wenn die Ziffer der darauffolgenden Dezimalstelle größer als oder gleich 5 ist. Ob dieser Fehlinformation als gänzlich untergeordnete Informationspflichtverletzung und deswegen als unbeachtlich zu bewerten ist (siehe Ziffer 2.3.1.3), befarf hier indessen keiner abschließenden Beurteilung."