Widerruf eines Sixt-Finanzierungsleasingvertrages

Das Landgericht München I hat mit (bislang nicht veröffentlichtem) Urteil vom 20.12.2018 (Aktenzeichen: 10 O 9743/18) den Widerruf eines sog. Vario-Finanzierungsleasingvertrages als wirksam angesehen. Der Kläger hatte einen Audi von der beklagten Sixt Leasing AG geleast. Ende 2016 hatte der Kläger den Widerruf des Leasingvertrages erklärt. Der Kläger forderte von der Beklagten u.a. die Rückzahlung der geleisteten Leasingraten sowie der Anzahlung zurück. 

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Widerruf eines Finanzierungsleasingvertrages
Anonymisiertes Urteil des Landgerichts München I vom 20.12.2018
LG München I - 10 O 9743_18.pdf
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Die dem Vertrag zugrunde liegende Widerrufsinformation lautete:

 

"Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder - wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird - auch durch Rücksendung der Sache widerrufen. 

Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Vertragsschluss und auch nicht vor Erfüllung unserer lnformationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. 1 1 und 2 EGBGB. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache.

 [...].“

 

Mit den Vertragsunterlagen hat der Kläger darüber hinaus die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Vario-Leasing von Kraftfahrzeugen (Stand Februar 2014 ) erhalten.

 

Diese Bedingungen enthalten folgenden Regelungen:

 

1. Vertragsschluss

1.1. Der Leasingnehmer (nachfolgend auch: Kunde) bietet der Sixt Leasing AG, nachfolgend Sixt genannt, als Leasinggeber den Abschluss eines Leasingvertrags an. Der Leasingnehmer ist an seinen Antrag sechs Wochen gebunden. Der Leasingvertrag ist abgeschlossen, wenn Siixt den Antrag in Textform (Brief, Fax, Mail) angenommen oder bestätigt hat.

 

[...]

 

14. Vertragsverletzungen, Zahlungsverzug, Kündigung

Jeder Vertragspartner kann den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos kündigen. 

[...] 

14.3 Bei Zahlungsverzug hat der Leasingnehmer Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen. [...]. “ 

Das Landgericht gab der Klage umfassend statt. Es begründete die Entscheidung auszugsweise wie folgt:

 

1.

Auf die auf den Abschluss des Leasingvertrages gerichtete Willenserklärung des Klägers sind gemäß Art. 229 § 38 EGBGB die Vorschriften des BGB in der bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung (a.F.) anzuwenden.

  

2.

Der Kläger war berechtigt, seine auf Abschluss des Leasingvertrages gerichtete Willenserklärung gemäß §§ 506 Abs. 1, Abs. 2, 495 BGB in der vom 13.06.2014 bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung nach näherer Maßgabe des § 355 BGB zu widerrufen. Der Widerruf des Beklagten ist auch nicht verfristet, weil die Widerrufsfrist des § 356b Abs. 2 BGB a.F. noch nicht zu laufen begonnen hat.

 

a.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossen Leasingvertrag (sog. Vario-Leasingvertrag) handelt es sich um eine entgeltliche Finanzierungshilfe im Sinne von § 506 Abs. 1 BGB a.F. Nach § 506 Abs. 1 BGB a.F. sind die Vorschriften der §§ 358 bis 360 und 491a bis 502 mit Ausnahme des § 494 Abs. 4 und vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 auf Verträge entsprechend anzuwenden, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe gewährt. Nach § 506 Abs. 2 BGB a.F. gelten Verträge zwischen ei- nem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als unentgeltliche Finanzierungshilfe, wenn vereinbart ist, dass 1. der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist, 2. der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann oder 3. der Verbraucher bei Beendigung des Vertrages für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat. Die Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ist - da es sich insoweit um eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Regelungslücke handelt - auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung entsprechend anzuwenden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2012 -24 U 15/12, NJW— RR 2013, 1069; Ball - ehemals Vorsitzender des VIII. Zivilsenats des BGH - in: Festschrift für Klaus Tolksdorf zum 65. Geburtstag, Seite 3ff.). Für die  analoge Anwendung der Vorschrift auf Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung spricht vor allem der Schutzzweck der gesetzlichen Bestimmungen für Verbraucherdarlehensverträge. Denn es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass der Verbraucher bei dieser Vertragsart im Hinblick auf vorvertragliche und vertragliche Informationen, Schriftformerfordernis, Widerrufsrecht und Gesamtfäligstellung weniger schutzbedürftig wäre als im Falle des Abschlusses eines Kraftfahrzeugleasingvertrages mit Restwertgarantie (§ 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB), zumal der Leasinggeber auch ohne Restwertgarantie die für das Fahrzeugleasing wesentliche Vollamortisation typischerweise durch Verwertung des zurückgegebenen Fahrzeugs erlangt (Ball in Festschrift für Klaus Tolksdorf zum 65. Geburtstag, Seite 4, Seite 9).

 

b.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Leasingvertrag handelt es sich um einen Kilometerleasingvertrag, weil nach dem Vertrag Mehr- oder Minderkilometer nach Ablauf der Leasingzeit abzurechnen sind und der Vertrag im Übrigen ausdrücklich als „Kilometerleasing mit Kaufoption“ (vgl. Anlage K 1a, Kasten rechts oben) bezeichnet worden ist.

 

c.

Dem Kläger stand daher gemäß § 495 Abs. 1 BGB a.F. ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.

 

d.

Der Widerruf des Klägers ist auch nicht verfristet: Die Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 2 BGB a.F. hat noch nicht zu Laufen begonnen, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde die Mlindestangaben nach Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB nicht vollständig enthalten hat.

 

aa.

Nach § 356b Abs. 2 BGB a.F. BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, wenn die dem Leasingnehmer zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB nicht enthält. Nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. muss der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag nach Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB vorgeschriebenen Angaben enthalten.

 

bb.

Der Vertrag enthält zwar die erforderliche Pflichtangabe über die „Art der sonstigen Finanzierungshilfe" (nachfolgend aaa). Jedoch genügt die Information über den Verzugszinssatz (nachfolgend bbb) und die Modalitäten der Kündigung (nachfolgend ccc) nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zudem ist die Widerrufsbelehrung irreführend (nachfolgend ddd).

  

aaa.

Die gemäß Art. 247 5 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 55 3 Abs. 1 Nr. 2, 12 Abs. 1 EGBGB in der bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung (a.F.) erforderliche Pflichtangabe über die „Art der sonstigen Finanzierungshilfe“ ist auf Seite 1 des Vario-Finanzierungsantrags der Beklagten (Anlage K 1a, Kasten rechts oben) enthalten. Es genügt eine schlagwortartige Produktumschreibung, die mög- lichst knapp und verständlich ist (vgl. Schürnbrand in MüKo BGB, Band 3a, 7. Auflage 2017, 5 491a Rn. 15).  In dem Antrag der Beklagten heißt es unter Vertragstyp: „Vario-Finanzierung, Privatkunden (Kilometerleasing mit Kaufoption)“. Diese Umschreibung genügt den gesetzlichen Anforderungen: Sie informiert klar und verständlich über die Art der Finanzierungshilfe.

 

bbb.

Die Beklagte hat den Kläger nicht hinreichend gemäß der gesetzlichen Anforderungen in Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 11, 12 Abs. 1 EGBGB a.F. über den Verzugszinssatz informiert. Nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB muss die Unterrichtung den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten enthalten. Zwar enthält Ziff. 14.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Teil A) der Beklagten (Anlage B 1) den Hinweis

 

„Bei Zahlungsverzug hat der Leasingnehmer Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.“

 

Angaben zur Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes fehlen jedoch. Darüber hinaus ist aus Transparenzgründen die zum Zeitpunkt der Information maßgebliche absolute Zahl Verzugszinssatzes zu nennen (vgl. Schürnbrand in MüKo BGB, Band 3a, 7. Auflage 2017, § 491a Rn. 31). Auch diese Information fehlt im vorliegenden Fall. Aus dem von der Beklagten zitierten Urteil des Landgerichts München I vom 12.11.2018 (29 O 7213/18) folgt nichts anderes, weil der dortigen Entscheidung eine andere Fassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu Grunde lag.

 

ccc.

Die Beklagte hat zudem das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren nicht ausreichend gemäß Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 12 Abs. 1 EGBGB a.F. erläutert. Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB a.F. muss der Vertrag klar und verständlich Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrages enthalten. In Ziff. 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Teil A (Anlage B 1) hat die Beklagte zwar über das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für jeden Vertragspartner informiert und in Ziff. 14.1 aufgezählt, wann ein solcher wichtiger Grund vorliegt. Damit hat die Beklagte aber nicht über das einzuhaltende Verfahren informiert. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift erfordert die lnformation nähere Angaben zu Form und Frist der Kündigung. Dies wird im Übrigen durch eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB a.F. im Lichte des Art. 10 Abs. 2 Buchstabe s der Richtlinie 2008/48/EG bestätigt: So heißt es in Art. 10 Abs. 2 Buchstabe s der Richtlinie 2008/48/EG, dass über die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung des Kreditvertrags zu informieren ist. Schon nach dem Wortlaut legt die Begriffswahl „Modalität“, die bildungssprachlich die „Einzelheiten der Durchführung“ sowie die „Art und Weise“ meint, eine detaillierte Information nahe. Dass auch der Richtliniengeber den Begriff so verstanden hat, erkennt man an Art. 10 Abs. 2 Buchstabe p der Richtlinie 2008/48/EG, wonach „die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“ anzugeben sind. Nähere Angabe zu den Modalitäten der Ausübung des Kündigungsrechts fehlen im vorliegenden Fall. Ob es darüber hinaus erforderlich ist, die möglichen Kündigungsgründe im Einzelnen in der Information aufzuzählen, wovon der Gesetzgeber unter Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 314 BGB ausgeht (vgl. BT-Drs. 16/11643, Seite 128) kann insoweit offen bleiben.

  

ddd.

Schließlich entspricht die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben, weil sie entgegen Art. 247 §§ 12 Abs. 1, 6 Abs. 1, 6 Abs. 2 EGBGB a.F. nicht hinreichend klar und verständ- lich ist. Die in Ziffer 1.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage B 1) mitgeteilte sechswöchige Bindung des Leasingnehmers an seinen Antrag kann selbst bei einem verständigen und aufmerksamen Verbraucher zu Unklarheiten hinsichtlich des Bestands des Widerrufsrechts führen (vgl. LG Hamburg, Urteil v. 19.09.2016 - 325 0 42/16, BeckRS 2016, 18146). Es liegt nämlich nicht fern, dass der Verbraucher die Regelung dahingehend versteht, dass sein Widerrufsrecht bis zur Annahme durch den Leasinggeber nicht besteht. Dies steht im Widerspruch zum geltenden Recht, da der Verbraucher zu keinem Zeitpunkt an seinen Antrag gebunden ist (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 355, Rdnr. 7). Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht auch nicht gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. den gesetzlichen Anforderungen (Gesetzlichkeitsfiktion), weil der Wortlaut der Widerrufsbelehrung von dem Wortlaut der seinerzeit geltenden Fassung von Anlage 7 deutlich abweicht.

 

 

Zu den Rechtsfolgen des erfolgreichen Widerrufs führt das Landgericht München I zutreffend aus:

 

3.

Die Beklagte hat aufgrund des wirksamen Widerrufs des Klägers die gewährleisten Leistungen gemäß § 357 Abs. BGB a.F. zurückkzugewähren, d. h. insgesamt einen Betrag in Höhe von 14.957,30 € (45 Raten à 255,89 € abzüglich der Erstattung von 85,30 € zuzüglich der Anzahlung in Höhe von 2.965,00 € sowie Logistikkosten in Höhe von 589,50 €).

  

4.

Die Hilfsaufrechnung der Beklagten bleibt erfolglos, da die Beklagte keinen Wertersatzanspruch gemäß § 357a Abs. 2 Satz 2 BGB in der vom 20.09.2013 bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung i.V.m. 357 Abs. 8 Satz 2 BGB hat.

 

Nach § 357 Abs. 8 Satz 2 BGB schuldet der Verbraucher nur dann Wertersatz, wenn er von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Dabei sind strenge Voraussetzungen an die Zustimmung zu stellen, insbesondere genügt eine bloß konkludente oder eine in den AGB antizipierte Zustimmung nicht (vgl. Müller-Christmann in BeckOK-BGB, Buch 2, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 357a Rn. 5).

 

Dass der Kläger ausdrücklich verlangt hätte, das Fahrzeug vor Ablauf der Widerrufsfrist auszuliefern, hat die Beklagte nicht dargelegt. Dieses - für die Beklagte harte Ergebnis - entspricht dem Wortlaut des Gesetzes. Dem steht auch der Einwand der Verwirkung nicht entgegen, wie sich aus dem Urteil des BGH vorn 12.07.2016 (XI ZR 564/15, zitiert nach juris) ergibt, nicht entgegen. Näherer Ausführungen hierzu bedarf es nicht, nachdem die Beklagte zu etwaigen Umständen, aus denen sich eine von Amts wegen zu prüfende Verwirkung ergeben könnte, nichts Näheres vorgetragen hat.