OLG Nürnberg kippt Belehrung der PSD Bank aus dem Jahr 2009

Das OLG Nürnberg hat mit Beschluss vom 08.02.2016 (Az.: 14 U 895/15) ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.04.2015 (Az.: 6 O 9499/14) bestätigt und damit eine Belehrung der PSD Bank aus dem Jahr 2009 für unwirksam angesehen. Zugrunde lag u.a. die sehr häufig verwendet Belehrung, wonach "der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag

 

- nachdem Ihnen eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung,

- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrages sowie

- die Information nach Fernabsatzrecht

zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.

Zur Begründung führte das OLG Nürnberg u.a. aus:

 

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Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, in Anbetracht der in der Wlderrufsbelehrung enthaltenen Wendung „(...), aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ sei keine Vergleichbarkeit zu dem der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Fall gegeben, nicht. Denn die zitierte Formulierung verwirklicht das Ziel, für den Verbraucher Klarheit über den Beginn der Widerrufsfrist in seinem konkreten Fall zu schaffen, nicht, weil aus Sicht des Verbrauchers zur Bestimmung des „Tag[s] des Vertragsschlusses“ auf unterschiedliche Zeitpunkte abgestellt werden könnte. Mit der Formulierung kann entweder der Zeitpunkt gemeint sein, in dem die Vertragserklärung des Verbrauchers bei seinem Vertragspartner eingeht oder (bereits) der Zeitpunkt der Unterschriftsleistung durch den Verbraucher. Für die erste, als richtig anzusehende Möglichkeit spricht, dass nach § 130 I 1 BGB im Falle eines Vertragsschlusses unter Abwesenden die Vertragserklärung des Darlehensnehmers - im vorliegenden Fall verstanden als die Annahme des von der Beklagten am 24.03.2009 unterzeichneten Angebots auf Abschluss eines Darlehensvertrags - erst mit Zugang beim Darlehensgeber Wirksamkeit entfaltet, von einem „Vertragsschluss“ bis zu diesem Zeitpunkt also nicht gesprochen werden kann. Für die zweite Möglichkeit spricht ein auch bei einem durchschnittlichen Verbraucher möglicherweise vorhandenes Verständnis, wonach schon die Leistung der eigenen Unterschrift auf dem bereits von einem Vertreter der Bank unterzeichneten Dokument zu einer vertraglichen Bindung führt. Geht der Verbraucher im Einklang mit der gesetzlichen Regelung in § 130 I 1 BGB von einem Vertragsschluss erst mit Zugang seiner Vertragserklärung bei der Bank aus, ist für ihn der Beginn der Widerrufsfrist deshalb nicht erkennbar, weil er den Zeitpunkt des Zugangs - je nach Übermittlungsweg - nicht kennen kann/muss. Neigt er dagegen der rechtsirrigen Vorstellung zu, bereits mit der Leistung seiner - auf dem Vertragsdokument einzigen noch fehlenden - Unterschrift komme der Vertrag zustande und die Widerrufsfrist beginne damit, wird er zu seinen Ungunsten den Fristbeginn und das Fristende zeitlich nach vorne verlagern.

 

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Des Weiteren erweist sich die verwendete Widerrufsbelehrung auch noch in anderer Hinsicht als problematisch. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10.03.2009 offen gelassen, ob die Widerrufsbelehrung auch zu früh erteilt worden ist (vgl. BGH, a. a. O. Rn. 17). Aus der von ihm in diesem Zusammenhang erwähnten älteren Entscheidung (BGH, Urteil vom 04.07.2002 - I ZR 55/00, juris) ergibt sich allerdings, dass das in § 355 II BGB aF enthaltene Deutlichkeitsgebot verlange, die Widerrufsbelehrung dürfe grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Belehrung von Bedeutung sind und deshalb von dieser ablenken (BGH, a. a. O. Rn. 16 f.). Die seinerzeit verfahrensgegenständliche Widerrufsbelehrung hatte auszugsweise folgenden Wortlaut (vgl. BGH, a. a. O. Rn. 2): „Der Lauf der Widerrufsfrist beginnt mit Aushändigung dieser Vertragsurkunde, nicht jedoch, bevor die auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde.“ Der Bundesgerichtshof hat dies mit folgenden Erwägungen beanstandet (vgl. BGH, a. a. O. Rn. 18 ff.):

 

„Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht. Denn sie legt das unrichtige Verständnis nahe, dass auch Fälle denkbar seien, in denen die Widerrufsfrist nicht bereits mit der Aushändigung der die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsurkunde zu laufen beginne, sondern erst mit der zeitlich nachfolgenden Abgabe der auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers. Dies ist jedoch unzutreffend, so dass der von dem Kläger beanstandete Zusatz die Widerrufs -belehrung nicht in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlicht, sondern im Gegenteil für den in der Regel rechtlich nicht geschulten Verbraucher irreführend ist. Insoweit ist [...] davon auszugehen, dass dem Zusatz in denjenigen Fällen, in denen der Verbraucher seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung im Zeitpunkt der Aushändigung der Widerrufsbelehrung bereits abgegeben hat oder zugleich abgibt, keine sachliche Bedeutung zukommt. Denn in diesen Fällen beginnt die Frist immer erst mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung zu laufen, so dass sich der Zusatz hier als überflüssig erweist. Auch ein überflüssiger Zusatz in einer Widerrufsbelehrung ist aber geeignet, das Verständnis des Verbrauchers von ihrem wesentlichen Inhalt zu beeinträchtigen, und trägt deshalb nicht zur Verdeutlichung des gebotenen Inhalts der Belehrung bei. (...) Die Zulässigkeit des beanstandeten Zusatzes lässt sich aber auch nicht im Hinblick auf diejenigen Fälle bejahen, für die er gedacht ist, d. h. Fälle, in denen der Verbraucher den Auftrag erst nach Inanspruchnahme einer Überlegungsfrist erteilt und die Beklagte ihn deshalb die Widerrufsbelehrung bereits vorab unterzeichnen lässt. Denn die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen und lässt sich auch nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen.“

 

 

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Eine Würdigung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung unter Heranziehung dieser rechtlichen Erwägungen, die im Bewusstsein dessen erfolgt, dass die jeweiligen Belehrungen im Wortlaut nicht identisch sind, ergibt für den Senat folgenden Befund:

 

(1) Wird der Darlehensvertrag im Rahmen eines Vertragsschlusses unter Anwesenden (z. B. in einer Bankfiliale) geschlossen, geben also Darlehensnehmer und Darlehensgeber ihre Vertragserklärungen unmittelbar aufeinander bezogen ab, indem sie den Darlehensvertrag unterzeichnen, und überlässt die Bank dem Darlehensnehmer sodann eine (Abschrift der) Vertragsurkunde sowie die Widerrufsbelehrung, geht der Zusatz „(...), aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ sachlich ins Leere.

 

 

(2) Bei einem Vertragsschluss unter Abwesenden, bei dem - wie in der vorliegenden Konstellation - der Darlehensnehmer schriftlich die Annahme eines Angebots des Darlehensgebers auf Abschluss eines Darlehensvertrags erklärt und zusammen mit der Unterschrift seiner Vertragserklärung die Widerrufsbelehrung unterzeichnet, erfolgt die Widerrufsbelehrung vor dem wirksamen Zustandekommen des Darlehensvertrags, der den Zugang der Vertragserklärung des Darlehensnehmers erfordert (§ 130 I 1 BGB). Mithin wird der Darlehensnehmer über das Recht zum Widerruf eines Vertrags belehrt, der noch gar nicht geschlossen worden ist, was der gesetzlichen Konzeption in § 355 II BGB aF nicht entspricht.