(zuletzt bearbeitet am 15.05.2023)
Bei vielen Darlehensverträgen gilt das sog. ewige Widerrufsrecht. Ob Ihr Vertrag noch widerruflich ist, können Sie der nachstehenden Übersicht entnehmen:
Diese Verbraucherdarlehensverträge sind auch im Jahr 2023 noch widerrufbar:
Alle Verbraucherdarlehensverträge, die zwischen dem 02.11.2002 und dem 10.06.2010 geschlossen wurden, sind grundsätzlich widerruflich, soweit diese nicht grundpfandrechtlich gesichert sind (d.h. ohne Grundschuld oder Hypothek). Hierbei handelt es sich normalerweise um Autokredite oder klassische Konsumentenkredite. Für Verträge, die am 01.11.2002 oder früher geschlossen wurden, gilt gemäß Artikel 229 § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB das so genannte ewige Widerrufsrecht nicht.
Nicht widerruflich sind in der Regel:
Bloße Anschlussfinanzierungen (auch bezeichnet als Umfinanzierungen, Refinanzierungen oder Prolongationen): Diesen hat der BGH das Widerrufsrecht abgesprochen (vgl. Beschluss vom 15.01.2019, Az.: XI ZR 202/18). Aufgrund eines positiven Schlussvortrages der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshofs vom 12.03.2020 in der Rechtssache C‑639/18 "KH gegen Sparkasse Südholstein" wurde erwartet, dass der EuGH den BGH überstimmen würde. Allerdings hat sich der EuGH mit Urteil vom 18.06.2020 der Argumentation des BGH nunmehr angeschlossen.
Grundpfandrechtlich gesicherte Verbraucherdarlehensverträge (sog. Immobiliendarlehensverträge), die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden: Aufgrund einer im Februar 2016 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetzesänderung endete das "ewige Widerrufsrecht" bereits am 20.06.2016 um 24.00 Uhr. Diese Verträge sind in aller Regel nicht mehr widerruflich. Wichtig: Eine Ausnahme besteht jedoch für Verbraucherdarlehensverträge, die im Fernabsatz geschlossen wurden (vgl. Urteil des OLG Köln v. 17.09.2019, Aktenzeichen: 4 U 109/18, das vom BGH mit Beschluss vom 24.11.2020 gehalten wurde).
In der Zeit vom 11.06.2010 bis 29.07.2010 gab es kein gesetzliches Muster, an dem sich Banken und Sparkassen bei der Formulierung ihrer Verträge orientieren konnten. Mit Beschluss vom 19.03.2019 (Aktenzeichen: XI ZR 44/18) hat der BGH nunmehr klargestellt, dass für Darlehensverträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 29.07.2010 abgeschlossen worden waren, die Widerrufsfrist bereits 6 Monate nach Vertragsschluss - und damit spätestens am 29.01.2011 - geendet hatte.
Keine Regel ohne Ausnahme:
Es gibt Umstände (wenn Ihr Vertrag zum Beispiel überhaupt keine Belehrung enthielt), die dazu führen, dass auch ältere Verbraucherdarlehensverträge noch heute widerruflich sind. Wenn Sie Zweifel haben, senden Sie uns Ihren Darlehensvertrag einfach zu. Wir werden Ihnen eine kostenfreie Einschätzung geben, ob Sie ihn noch heute widerrufen können.
"Widerrufsinformation" - "Widerrufsbelehrung":
Guter Anhaltspunkt für die Frage, ob Sie vom sog. "ewigen Widerrufsrecht" profitieren können ist, wenn die Widerrufsbelehrung in Ihrem Darlehensvertrag als
"Widerrufsinformation"
bezeichnet wird. In Verträgen, die bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden - und damit potentiell heute nicht mehr widerrubar sind - wurde noch von "Widerrufsbelehrung" gesprochen.
Die den Verbrauchern erteilte Widerrufsinformation sah häufig wie folgt aus:
Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen.
Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.
Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen.
Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
[…]
Widerrufsfolgen
Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von
XX,xx Euro
zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde. Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seines Gebrauchsvorteils niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigeren Betrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann.
Wir behandeln Ihre Daten stets vertraulich und werden uns innerhalb von spätestens 48 Stunden mit einer kostenfreien Einschätzung bei Ihnen zurückmelden!
Das Landgericht Ravensburg in einem Verfahren VR Bank Ravensburg-Weingarten eG hat mit nunmehr veröffentlichtem Beschluss vom 8.8.2022 (Aktenzeichen: 2 O 316/21) dem Europäischen Gerichtshof wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Berechnung der sog. Vorfälligkeitsentschädigung vorgelegt. Unter anderem fragt das Landgericht, ob der Begriff der „angemessenen und objektiven Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten“ in Art. 25 Abs. 3 RL 2014/17/EU1 dahingehend auszulegen, dass die Entschädigung auch den entgangenen Gewinn des Kreditgebers, insbesondere die ihm infolge der vorzeitigen Rückzahlung entgehenden zukünftigen Zinszahlungen erfasst. Sodann fragt das Landgericht, ob das Unionsrecht und speziell Art. 25 Abs. 3 RL 2014/17/EU Vorgaben für die Berechnung der bei dem entgangenen Gewinn zu berücksichtigenden Einnahmen des Kreditgebers aus der Wiederanlage eines vorzeitig zurückgezahlten Immobiliar-Verbraucherkredits enthält, und gegebenenfalls welche.
Schließlich stellt es die folgenden Fragen:
a) Hat die nationale Regelung für die Berechnung daran anzuknüpfen, in welcher Art der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag tatsächlich verwendet?
b) Darf eine nationale Regelung es dem Kreditgeber gestatten, die Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung anhand einer fiktiven Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln mit kongruenter Laufzeit zu berechnen (sog. Aktiv-Passiv-Methode)?
Fällt in den Anwendungsbereich des Art. 25 RL 2014/17 auch der Fall, dass der Verbraucher einen Immobiliar-Verbraucherkreditvertrag zunächst aufgrund eines vom nationalen Gesetzgeber vorgesehenen Kündigungsrechts kündigt, bevor er den Kredit vorzeitig an den Kreditgeber zurückzahlt?
Das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg wurde am 10. August 2022 beim EuGH eingereicht und läuft dort unter dem Zeichen: "MW, CY gegen VR Bank Ravensburg-Weingarten eG" (Rechtssache C-536/22). Der Fortgang des Rechtsstreits wird auf dieser Homepage berichtet. Die Entwicklung ist auch auf der Homepage des EU-Kommission nachzulesen.
Die PSD-Bank kann von ihren Kunden, die den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages erklärt haben, keine Rechtsanwaltsgebühren verlangen, auch wenn sich der Widerruf später als unwirksam herausstellt. Die PSD-Bank hat Klage in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Schweinfurt verloren. In der zweiten Instanz wurde die Berufung nach Hinweis des Landgerichts Schweinfurt zurückgenommen.
Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Unsere Mandanten (= Beklagte) schlossen mit der PSD Bank (= Klägerin) im Jahr 2013 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung ihrer Immobilie. Mit Schreiben vom XX.09.2020 erklärten sie den Widerruf des Darlehensvertrags mit der Begründung, dass die anlässlich der Darlehensgewährung erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei. Die Beklagten überwiesen den offenen Darlehensbetrag an die Klägerin. Die Klägerin überwies den Betrag zurück. Die Beklagten wurden klägerseits aufgefordert unter anderem zu erklären, dass der Widerruf nicht aufrechterhalten werde. Nach deren Weigerung beauftragte die PSD-Bank eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Geltendmachung der Rechte der Klägerin. Diese forderten die Beklagten nochmals auf zu erklären, dass an dem Widerruf nicht festgehalten werde. Nach einigem Schriftverkehr wurde der Widerruf sodann am XX.03.2021 zurückgenommen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Klägerseite wurden jedoch nicht beglichen.
Die Klägerin hat in der ersten Instanz vortragen lassen, dass sie die Rechtsanwaltsgebühren an ihre Prozessbevollmächtigten gezahlt habe. Sie hat die Ansicht vertreten lassen, dass sie jeweils eine wirksame Widerrufsbelehrung erteilt habe. Eine richtlinienkonforme Auslegung bei Immobiliardarlehensverträgen komme nicht in Betracht. Der Bundesgerichtshof habe mehrfach entschieden, dass der Verwender einer Widerrufsinformation, sofern er das gesetzliche Muster nutze, sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne. Die Klägerin sei berechtigt gewesen, die Beklagten aufzufordern, sich zu dem vermeintlichen Anspruch zu erklären. Dieser Aufforderung seien die Beklagten nicht nachgekommen. Damit hätten sich die Beklagten mit der Abgabe ihrer Erklärung in Verzug befunden. Die Beklagten hätten den Anspruch der Klägerin auf Abgabe der geforderten Erklärung am XX.03.2021 (Anlage K 12) ohne Einschränkung und ohne Vorbehalt anerkannt.
Die Klägerin hat beantragt die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.802,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.12.2020 zu zahlen.
Die Beklagten haben erstinstanzlich die Ansicht vertreten lassen, dass der erklärte Widerruf wirksam gewesen sei. Die Beklagten seien zudem von der Klägerin vor der Mandatierung ihrer Prozessbevollmächtigten nicht wirksam in Verzug gesetzt worden. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt Anspruch auf die im Schreiben vom XX.09.2020 verlangten Erklärungen gehabt. Ein Widerruf könne nicht zurückgenommen werden. Auch ein Verzicht für die Zukunft könne nach Erklärung des Widerrufs nicht abgegeben werden. Auch ein wie auch immer gearteter Anspruch der Klägerin auf eine schriftliche Bestätigung der Beklagten, sämtliche vertraglichen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag vereinbarungsgemäß vollumfänglich zu erfüllen, bestehe nicht. Zur effektiven Rechtsverfolgung sei es im Übrigen nicht notwendig gewesen, die Kanzlei XXX zu mandatieren. Die Klägerin sei eine Bank, die über angestellte Juristen verfüge. Zudem sei der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert bei Weitem überhöht. Anzusetzen gewesen sei allenfalls die Summe der bis zur Mandatierung der Kanzlei XXX unter Vorbehalt bezahlten Annuitäten, damit 1.550,00 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagten zu. Ein Schadensersatzanspruch komme vorliegend nicht unter Verzugsgesichtspunkten in Betracht, da es grundsätzlich keine Verpflichtung der Beklagten gegeben habe, eine richtige Rechtsauffassung dazu zu vertreten, ob ein Widerrufsrecht wirksam ausgeübt worden sei oder nicht. Mangels Bestehen einer Verpflichtung könne kein diesbezüglicher Verzug entstehen. Ein Ersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ergebe sich erst dann, wenn die Vertragspartei ihre Rechtsposition nicht als plausibel habe ansehen dürfen. Ob im Rahmen von Verbraucherdarlehensverträgen Widerrufsrechte bestehen oder zugrunde liegende Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sind oder nicht, sei in hohem Maße einzelfallabhängig. Vor diesem Hintergrund hätten die Beklagten ihre Rechtsauffassung grundsätzlich für plausibel halten dürfen. Sie hätten daher jedenfalls eine etwaige Pflichtverletzung nicht zu vertreten gehabt.-
Die Klägerin wendete sich gegen die Klageabweisung und verfolgt mit ihrer Berufung den erstinstanzlich gestellten Antrag weiter.
Die Beklagten seien entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zur Zahlung des geltend gemachten Gebührenanspruchs aufgrund Schadensersatzes wegen Verzugs verpflichtet. Die Beklagten hätten nicht nur eine Rechtsmeinung vertreten, sondern vielmehr deutlich gemacht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erfüllung des Darlehensvertrags habe. Es gehe also um die Abgabe einer rechtsgestaltenden einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung. Die Klägerin habe ein Recht auf Klärung des Vertragsverhältnisses gehabt. Darüber hinaus habe das Amtsgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagten den Anspruch der Klägerin durch letztendliche Abgabe der geforderten Erklärung ohne Einschränkung anerkannt hätten.
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat mit viel beachtetem Beschluss vom 22.07.2022 (Aktenzeichen: VGH B 70/21) eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Februar 2022 (Aktenzeichen: 10 U 246/21) für gegenstandslos erklärt. Dort war ein Widerspruch gegen einen Versicherungsvertrag (letztinstanzlich) als rechtsmissbräuchlich angesehen, ohne dass die Frage dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegt worden war. Dies sieht der Verfassungsgerichtshof als ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Die Entscheidung hat Potenzial, sich auf die laxe Handhabung der Verwirkungs-/Rechtsmissbrauchseinrede in Darlehenswiderrufsfällen auszuwirken, hat der Verfassungsgerichtshof doch klargestellt: "Vielmehr ist bei der Regelung der Modalitäten des Rücktrittsrechts die praktische Wirksamkeit der mit der Richtlinie verfolgten Zwecke zu wahren [...]" Dies gilt für Verbraucherdarlehensfälle im selben Umfange!
Die Entscheidung lautet im Volltext:
1. Der EuGH ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verf RP. Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nach, kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein.
2. Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt zugleich einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter dar. Eine Verletzung von Verfassungsrecht liegt nur vor, wenn die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
3. Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird unter anderem dann offensichtlich unhaltbar gehandhabt, wenn das letztinstanzliche Fachgericht das Vorliegen einer von vornherein eindeutigen oder zweifelsfrei geklärten Rechtslage ohne sachliche bzw. sachlich einleuchtende Begründung annimmt. Die Pflicht der Fachgerichte zur Begründung folgt aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verf RP bzw. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Da die unionalen Pflichten zur Vorlage bzw. Begründung der Nichtvorlage durch das Recht auf den gesetzlichen Richter verfassungsrechtlich abgesichert werden, hat das Fachgericht Gründe anzugeben, die dem Verfassungsgericht die ihm aus der Integrationsverantwortung der Landesverfassung und des Grundgesetzes obliegende Kontrolle der fachgerichtlichen Handhabung der Vorlagepflicht am Maßstab der Verfassung überhaupt erst ermöglichen. Das Fachgericht muss deshalb eine nachvollziehbare, vertretbare Begründung dafür geben, dass die maßgebliche Rechtsfrage durch den EuGH bereits entschieden oder die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. November 2021 – 10 U 246/21 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Februar 2022 – 10 U 246/21 – gegenstandslos.
Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die im Verfassungsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wird auf 17.319,51 € festgesetzt.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verpflichtung nationaler Gerichte zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union. Konkret stellte sich in dem zivilgerichtlichen Verfahren die Frage, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, wenn einem Versicherungsnehmer die Berufung auf ein auf Grundlage der Lebensversicherungsrichtlinien begründetes Widerspruchsrecht, über das er nicht ordnungsgemäß belehrt wurde, wegen Rechtsmissbrauchs verwehrt und ein solcher Rechtsmissbrauch auf Grundlage einer nationalen Rechtsvorschrift allein anhand objektiver Tatbestandsmerkmale ohne das Hinzutreten subjektiver Elemente bejaht wird.
I.
1. Die im Dezember 2010 verstorbene Mutter des Beschwerdeführers schloss im März 2002 bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der X. Ltd. – Beklagte –, einen Lebensversicherungsvertrag ab. Sie wurde im Antragsformular darauf hingewiesen, dass sie dem Vertrag innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Policenbedingungen und der Verbraucher-information widersprechen könne, wobei zur Wahrung der Frist ein rechtzeitiges Absenden der Widerspruchserklärung genüge. Im Dezember 2011 wies die Beklagte den Beschwerdeführer, der im April 2011 als Erbe in den Vertrag eingetreten war, auf das vereinbarte Vertragsende zum 18. März 2012 hin und stellte ihm seine Optionen dar. Dieser entschied sich für die Auszahlung des Ablaufbetrags in Höhe von 11.270,70 €. Im Juni 2016 erklärte der Beschwerdeführer den Widerspruch zu dem Versicherungsvertrag. Er begründete die Zulässigkeit seines Widerspruchs mit einer fehlerhaften Belehrung über sein Rücktrittsrecht und mit unzureichenden Verbraucherinformationen.
2. Das Landgericht Trier wies die unter anderem auf Rückabwicklungsansprüche in Höhe von 17.319,51 € nebst Zinsen gerichtete Klage des Beschwerdeführers mit Urteil vom 26. Januar 2021 – 6 O 502/19 – ab. Der Versicherungsvertrag sei nicht aufgrund des Widerspruchs unwirksam geworden. Es könne dahinstehen, ob der Vertragsschluss im Policen- oder im Antragsmodell erfolgt und ob die Belehrung über das Widerspruchsrecht ordnungsgemäß gewesen sei. Die Ausübung des Rücktrittsrechts sei jedenfalls gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – unzulässig. So könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Ausübung des Widerspruchs- bzw. Rücktrittsrechts wegen widersprüchlichen Verhaltens im Einzelfall trotz einer nur unzureichenden Belehrung ausgeschlossen sein, sofern besonders gravierende Umstände vorlägen. Dies sei hier der Fall. Unabhängig davon, ob die Belehrung über das Widerspruchsrecht den rechtlichen Anforderungen genüge, sei die ursprüngliche Versicherungsnehmerin dadurch darauf hingewiesen worden, dass sie sich kurzfristig von dem Vertrag lösen könne. Sie habe den Bestand des Vertrags allerdings nicht in Frage gestellt und während dessen Laufzeit von 2002 bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 – über acht Jahre hinweg – vierteljährlich Auszahlungen erhalten. Nach Eintritt in den Versicherungsvertrag habe auch der Beschwerdeführer dessen Bestand nicht in Frage gestellt. Nach der Vertragsabrechnung im März 2012 sei er vier weitere Jahre untätig geblieben und habe im Juni 2016 – 14 Jahre nach dem Vertragsschluss – unvermittelt den Widerspruch zu dem Vertrag erklärt, ohne dass er innerhalb dieses Zeitraums gegenüber der Beklagten auch nur ansatzweise zum Ausdruck gebracht hätte, dass er trotz der erfolgten Abwicklung des Vertrages den Widerspruch noch erklären wolle. Dieser lange Zeitraum nach endgültiger Abwicklung des Vertrages begründe einen besonders gravierenden Umstand, der den Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben rechtfertige.
3. Im Berufungsverfahren erteilte das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 27. September 2021 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO –. Es sei beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Die Ausübung des Widerspruchsrechts stelle sich aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls als grob widersprüchliches und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des Beschwerdeführers dar.
4. Das Oberlandesgericht Koblenz wies die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Trier mit dem angegriffenen Beschluss vom 2. November 2021 als unbegründet zurück. Insbesondere treffe es nicht zu, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten nur festgestellt werden könne, wenn die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs – vor allem ein zusätzliches subjektives Element – vorlägen. Zwar seien die Vorgaben des Unionsrechts bei der Anwendung des nationalen Einwands des Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen, sofern dieser unionsrechtlich verbürgte Rechte beeinträchtige. Der Europäische Gerichtshof halte den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach nationalem Recht aber grundsätzlich für zulässig. Zwar dürfe er die volle Wirksamkeit des Unionsrechts und dessen einheitliche Anwendung nicht beeinträchtigen. Insbesondere dürften die mit dem Unionsrecht verfolgten Zwecke nicht vereitelt werden. Sofern der Einwand des Rechtsmissbrauchs Rechte oder Ansprüche beschränke, die aus einer Richtlinienumsetzung resultierten, und sofern die Richtlinie keinen Missbrauchsvorbehalt enthalte, mache die Anwendung des § 242 BGB gegebenenfalls eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts erforderlich. Daran gemessen sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich von einem ewigen Widerspruchsrecht auszugehen, wenn sich erweise, dass der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Lösungsrecht vom Lebensversicherungsvertrag belehrt worden sei. Der Europäische Gerichtshof erkenne aber an, dass die nationalen Gerichte einen Rechtsmissbrauch nach nationalem Recht prüfen und feststellen dürften, wenn – wie vorliegend – keine europäischen Regelungen zum Rechtsmissbrauch getroffen seien. Demgegenüber seien die Entscheidungen des Gerichtshofs, auf die der Beschwerdeführer sich berufe, nicht zum Recht der Lebensversicherungen ergangen, sondern zu Verbraucherkrediten. Sie stünden einer Entscheidung anhand der allgemeinen Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens daher nicht entgegen. Der Sinn der Lebensversicherungsrichtlinien, dem Verbraucher nach Vertragsschluss durch ein grundsätzlich unbefristetes Lösungsrecht vom Vertrag noch eine genaue Prüfung der übernommenen Pflichten sowie einen Vergleich mit Produkten anderer Anbieter am Lebensversicherungsmarkt zu ermöglichen, sei durch die Anwendung der Grundsätze zum rechtsmissbräuchlichen Verhalten als Fallgruppe des § 242 BGB nicht gefährdet, insbesondere da vorliegend eine – wenn auch möglicherweise nicht ordnungsgemäße – Belehrung erfolgt sei.
5. Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht Koblenz mit dem angegriffenen Beschluss vom 9. Februar 2022 zurück. Der Senat habe den Sachvortrag des Beschwerdeführers berücksichtigt. Insbesondere habe er sich mit der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auseinandergesetzt. Lediglich klarstellend werde darauf hingewiesen, dass das Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) nicht zu den Lebensversicherungsrichtlinien, sondern zu Verbraucherdarlehensverträgen ergangen sei. Diese Rechtsgebiete seien einander nicht gleichzustellen. Darlehensverträge hätten bereits im Ausgangspunkt eine vollkommen andere Vertragsgestaltung und Zielsetzung als Lebensversicherungen. Es handele sich um vollständig verschiedene Vertragstypen, die lediglich die Gemeinsamkeit aufwiesen, dass ein Verbraucher an ihnen beteiligt sei. Die Verbraucherinformationen, die dem Versicherungsnehmer zu erteilen seien, seien aber völlig andere als die, die der kreditgebenden Bank gegenüber dem Kreditnehmer oblägen. Nicht identisch seien auch die Anforderungen an die Belehrung zum Vertragswiderspruch und die Voraussetzungen eines solchen. Die Folgen einer etwaigen Vertragsrückabwicklung seien ebenfalls nicht gleichzusetzen. Der Widerruf eines Ratenkredites habe für den Verbraucher in erster Linie zur Folge, dass er das erhaltene Kapital zurückzahlen müsse. Ein Anspruch auf Ersatz von Nutzungen und Raten bestehe nicht. Der Beschwerdeführer mache dagegen umfassende bereicherungsrechtliche Nutzungsersatzansprüche geltend. Derartigen Ansprüchen könne der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden, wenn dessen enge Voraussetzungen – wie hier – im Einzelfall vorlägen. Damit stehe im Einklang, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) entschieden habe, dass Fehler bei den mitgeteilten Informationen, die dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit des Rücktritts nähmen, dem Anlaufen der Widerspruchsfrist unter Umständen nicht entgegenstünden. Dieses Urteil betreffe zwar nicht die Frage der Treuwidrigkeit. Der Europäische Gerichtshof habe aber deutlich gemacht, dass im Bereich der Lebensversicherungsrichtlinien die nationalen Gerichte ihre Prüfung an einer Gesamtwürdigung auszurichten hätten, bei der insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen sei.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer zuletzt noch eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 17 Abs. 1 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –) im Hinblick auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 LV) und des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 124 LV).
Das Oberlandesgericht habe das Recht auf den gesetzlichen Richter und die Rechtsschutzgarantie verletzt, indem es willkürlich gegen seine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union verstoßen und durch die Berufungszurückweisung im Beschlusswege zugleich die Möglichkeit einer Revisionszulassung versperrt habe. Die materiell-rechtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts hinsichtlich der Annahme von Rechtsmissbrauch wird dagegen ausdrücklich nicht gerügt.
1. Das Oberlandesgericht sei offensichtlich zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – verpflichtet gewesen. Denn die Entscheidung, dem Beschwerdeführer die Berufung auf ein ihm nach Unionsrecht zustehendes Widerspruchsrecht allein wegen einer nach nationalen Kriterien beurteilten Rechtsmissbräuchlichkeit zu verwehren, sei mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank).
2. Das Oberlandesgericht sei seiner Vorlagepflicht willkürlich nicht nachgekommen. Es habe nämlich eine klare oder geklärte Rechtslage des Unionsrechts, die eine Vorlage entbehrlich machen würde, ohne nachvollziehbare Begründung unterstellt.
So habe das Oberlandesgericht keine einzige Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union benennen können, nach der Rechte aus einer europäischen Richtlinie wegen eines nach nationalen Kriterien beurteilten Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen werden dürften. Es sei schon zweifelhaft, ob der Rechtsmissbrauchseinwand in Fällen unzureichender Belehrung über das Widerspruchsrecht überhaupt angewendet werden dürfe. Jedenfalls habe der Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen eigene Tatbestandsvoraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch formuliert. Diese umfassten neben objektiven Kriterien – anders als nach deutschem Recht – stets auch subjektive Elemente. Spätestens mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) sei unionsrechtlich eindeutig geklärt, dass sich die Voraussetzungen für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten allein unionsrechtlich bestimmen ließen. Ein danach zwingend erforderliches subjektives Tatbestandsmerkmal habe das Oberlandesgericht aber weder geprüft noch sei ein solches erfüllt.
Auch sei die Annahme des Oberlandesgerichts nicht vertretbar, dass die zu der Verbraucherkreditrichtlinie getroffenen Feststellungen des Gerichtshofs der Europäischen Union im Urteil vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) nicht auf die Lebensversicherungsrichtlinien übertragbar seien. Der Gerichtshof selbst habe in dem Urteil nämlich eine Parallele zwischen beiden Rechtsgebieten gezogen, indem er dort auf seine Rechtsprechung zu den Lebensversicherungsrichtlinien verwiesen habe. Ohnehin sei es aber auch allgemein zulässig, Feststellungen des Gerichtshofs auf andere Konstellationen und Rechtsgebiete zu übertragen. Dies gelte erst Recht angesichts der Gemeinsamkeiten der hier betroffenen Rechtsgebiete. So handele es sich jeweils um Dauerschuldverhältnisse, beide Richtlinien verfolgten den Zweck einer ausreichenden Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher über alle wesentlichen Gesichtspunkte der Verträge und bezweckten deren Schutz durch ein Vertragslösungsrecht. Nichts anderes folge daraus, dass die Verbraucherkreditrichtlinien eine Vollharmonisierung anstrebten, wohingegen mit den Lebensversicherungsrichtlinien (nur) eine Teilharmonisierung beabsichtigt sei. Denn zum einen eröffne auch die Verbraucherkreditrichtlinie Gestaltungsspielräume. Insbesondere seien in der Richtlinie keine Vorgaben zum Rechtsmissbrauch getroffen worden. Zum anderen handele es sich bei dem in den Lebensversicherungsrichtlinien vorausgesetzten Vertragslösungsrecht um einen Mindeststandard, der auch im (nur) teilharmonisierten Bereich nicht beschränkt werden dürfe. Lediglich die Modalitäten der Ausübung und die Rechtsfolgen seien dem nationalen Gesetzgeber zur Regelung überlassen, wobei auch insoweit der unionsrechtliche Grundsatz der Effektivität zu wahren sei. Hinsichtlich des Bestehens eines Lösungsrechts verbleibe aber – wie hinsichtlich des Widerrufsrechts nach der Verbraucherkreditrichtlinie – kein nationalstaatlicher Spielraum. Von einer Übertragbarkeit der Feststellungen des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) auf die Lebensversicherungsrichtlinien seien jüngst auch das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom 9. November 2021 und Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris) und das Landgericht Erfurt (Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 8 O 1519/20 –, juris) ausgegangen.
Schließlich könne das Oberlandesgericht das Absehen von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht unter Berufung auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Februar 2015 (– 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 43 ff.) rechtfertigen. Zwar betreffe diese Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach dem Widerspruchsrecht im Lebensversicherungsrecht der nach nationalen Kriterien beurteilte Rechtsmissbrauchseinwand entgegengehalten werden könne. Auch sei das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, dass der Verzicht des Bundesgerichtshofs auf eine Vorlage an den Gerichtshof in diesem Zusammenhang das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt habe. Allerdings habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nur für den Fall einer ordnungsgemäßen Belehrung über die dem Versicherungsnehmer zustehenden Rechte entschieden, woran es vorliegend fehle. Vor allem aber sei die Entscheidung durch die aktuelle Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union überholt.
III.
Der Verfassungsgerichtshof hat der Landesregierung und der Beklagten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
1. Das Ministerium der Justiz hat namens der Landesregierung von einer Stellungnahme abgesehen.
2. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Eine Verletzung in den Rechten des Beschwerdeführers komme nicht in Betracht, da es schon an einer fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts fehle. Jedenfalls erweise sich die Rechtsanwendung aber nicht als willkürlich oder unsachlich. Die Entscheidung sei vielmehr vertretbar und überzeugend begründet und stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie zahlreicher Obergerichte.
a) Der strenge verfassungsrechtliche Maßstab für die Annahme von Willkür sei nicht erfüllt, soweit das Oberlandesgericht die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs allein nach nationalen Maßstäben und ohne das Vorliegen eines subjektiven Tatbestandselements vorgenommen habe. Das Oberlandesgericht habe sich nämlich ausführlich mit der Frage der Ausstrahlungswirkung des Unionsrechts auf das Institut des Rechtsmissbrauchs auseinandergesetzt und ausgeführt, dass die Vorgaben des Unionsrechts insoweit zu berücksichtigen seien. Dabei habe es insbesondere die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) sowie deren Übertragbarkeit auf die vorliegende Konstellation gewürdigt. Von einer krassen Verkennung der Rechtslage könne demnach keine Rede sein.
Hinzu komme, dass die vom Oberlandesgericht vertretene Auffassung mit der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zu dieser Frage in Einklang stehe. Auch der Bundesgerichtshof habe sich in seinem Beschluss vom 17. November 2021 (– IV ZR 38/21 –, n.v.) – nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) – erneut mit den unionsrechtlichen Fragestellungen befasst und dennoch keine Veranlassung gesehen, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Es könne nicht ernsthaft behauptet werden, dass der Bundesgerichtshof und zahlreiche Oberlandesgerichte die Rechtslage in krasser Weise verkannt hätten.
b) Auch die Rechte auf den gesetzlichen Richter und auf effektiven Rechtsschutz seien nicht verletzt. Für eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter fehle es an einer willkürlich fehlerhaften Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Das Oberlandesgericht habe die Nicht-Zulassung der Revision überzeugend darauf gestützt, dass es sich um eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung im Rahmen der allgemein geklärten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens handele.
Da die Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs zur Berücksichtigung von Rechtsmissbrauch abschließend geklärt seien, wäre eine erneute Vorlage an den Gerichtshof sogar unzulässig. Nationales Recht dürfe der Gerichtshof nicht auslegen und er könne auch keine Abwägungsentscheidung im Einzelfall vornehmen. Jedenfalls sei die Entscheidung des Oberlandesgerichts, von einer Vorlage abzusehen, vertretbar und keinesfalls willkürlich. Dieser Ansicht habe sich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 (– 2 BvR 2437/14 –, juris) angeschlossen, woraufhin auch zahlreiche weitere Gerichte – unter anderem der Bundesgerichtshof – von einer Vorlage abgesehen hätten.
Auch hinsichtlich der Nicht-Zulassung der Revision sei die Begründung des Oberlandesgerichts, es handele sich um eine nicht verallgemeinerbare Würdigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu beanstanden. Da es einzig um eine Bewertung des individuellen Verhaltens des Beschwerdeführers als treuwidrig gehe und allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende oder unzureichende Belehrung einer Anwendung von § 242 BGB entgegenstehe, nicht aufgestellt werden könnten, komme der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall obliege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich dem Tatgericht.
IV.
B.
Die Verfassungsbeschwerde, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Insbesondere steht ihr die Bundesrechtsklausel (§ 44 Abs. 2 VerfGHG) nicht entgegen.
Die gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Koblenz und damit gegen die öffentliche Gewalt des Landes erhobene Verfassungsbeschwerde ist gemäß Art. 130a, Art. 135 Abs. 1 Nr. 4 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –, § 44 Abs. 1 VerfGHG statthaft. Der Umstand, dass die angefochtenen Entscheidungen auf bundesrechtliche Regelungen (Bürgerliches Gesetzbuch, Gesetz über den Versicherungsvertrag) gestützt sind, steht einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht entgegen. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit die öffentliche Gewalt des Landes Bundesrecht ausführt oder anwendet (§ 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG, vgl. auch Art. 135 Abs. 2 Satz 2 LV). § 44 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGHG lässt hiervon jedoch eine Ausnahme zu. Der Verfassungsgerichtshof ist danach befugt, die Durchführung des bundesrechtlich geregelten Verfahrens durch die Gerichte an den Grundrechten der Landesverfassung zu messen, soweit diese den gleichen Inhalt haben wie die entsprechenden Rechte des Grundgesetzes – GG – (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 16. März 2001 – VGH B 14/00 –, AS 29, 89 [91 f.]; Beschluss vom 11. Mai 2006 – VGH B 6/06 –, AS 33, 186 [188]; Beschluss vom 29. Oktober 2010 – VGH B 27/10 –, LKRZ 2011, 14; Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [162]; Beschluss vom 19. November 2019 – VGH B 10/19 –, juris Rn. 27; Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [356 f.]; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 – 2 BvN 1/95 –, BVerfGE 96, 345 [372]).
Demnach ist die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs vorliegend eröffnet. Die aufgeworfenen Fragen der Notwendigkeit der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV sowie der Zulässigkeit einer Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO betreffen ausschließlich die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGHG; eine Verletzung materiellen Bundesrechts ist dagegen nicht geltend gemacht. Dabei schützt der in der Sache als verletzt gerügte allgemeine Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 LV in Verbindung mit dem in Art. 77 LV verankerten Rechtsstaatsprinzip das Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Zivilprozess – ebenso wie dies im Verhältnis von Art. 124 LV zu Art. 19 Abs. 4 GG gilt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [357]) – übereinstimmend mit der entsprechenden, aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Mai 2012 – 1 BvR 509/11 –, juris Rn. 8 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 – 1 BvL 1/89 –, BVerfGE 85, 337 [345]; stRspr) abgeleiteten Gewährleistung des Grundgesetzes (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 28. Dezember 2021 – VGH B 62/21 –, juris Rn. 24). Auch ist das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV) inhaltlich vergleichbar mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 29. Oktober 2010 – VGH B 27/10 –, LKRZ 2011, 14; Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [357]; Stahnecker, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 4, 7 m.w.N.).
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. November 2021 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV.
I.
1. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – VGH B 16/16 –, n.v.). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen. Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gegeben ist, kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – VGH B 16/16 –, n.v.; entspr. zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [230 ff. Rn. 176 ff.] m.w.N.; Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 9; zur Inhaltsgleichheit von Art. 6 Abs. 1 LV und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG VerfGH RP, Beschluss vom 16. März 2001 – VGH B 14/00 –, AS 29, 89 [92]).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81 –, juris Rn. 21 – C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 6. Oktober 2021 – C-561/19 –, juris Rn. 33, 51 – Consorzio Italian Management) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte éclairé) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair) (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – VGH B 16/16 –, n.v.; BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [231 Rn. 178]; Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 10). Von einem acte clair darf das innerstaatliche Gericht aber nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde. Ein acte éclairé liegt vor, wenn die gestellte Frage tatsächlich bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist, oder wenn eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind. Nur in diesen Fällen darf das Gericht von einer Vorlage absehen und die Frage in eigener Verantwortung lösen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 10; EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81 –, juris Rn. 16 – C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 6. Oktober 2021 – C-561/19 –, juris Rn. 33, 36, 40 – Consorzio Italian Management).
2. Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt aber zugleich einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter dar. Vielmehr ist die Auslegung und
Anwendung des jeweiligen Verfahrensrechts im Grundsatz Sache der Fachgerichte (VerfGH RP,
Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [360]). Eine Verletzung von Verfassungsrecht liegt nur vor, wenn die Auslegung und Anwendung der
Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – VGH B
16/16 –, n.v.; entspr. zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [231 f. Rn. 180] m.w.N.;
Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 11).Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und
Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung
entspricht. Der Verfassungsgerichtshof wacht – ebenso wie das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12
u.a. –, BVerfGE 135, 155 [232 Rn. 180]; Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 11) – allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums.
Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht) (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [232 Rn. 181]).Eine Verkennung der Vorlagepflicht ist auch anzunehmen, wenn das Gericht offenkundig einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht auswertet (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. März 2022 – 2 BvR 2069/21 –, juris Rn. 40). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs hingegen noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [232 f. Rn. 182 f.]). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 14). Jedenfalls bei willkürlicher Annahme eines „acte clair“ oder eines „acte éclairé“ durch die Fachgerichte ist der Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – VGH B 16/16 –, n.v.; entspr. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [232 f. Rn. 183] m.w.N.; Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 14). In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob sich das Gericht hinsichtlich des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren. Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“). Hat es dies nicht getan, verkennt es regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [233 Rn. 184]; Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 15 m.w.N.). Bei den vorstehend genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 16).
3. Offensichtlich unhaltbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung schließlich auch dann, wenn das Fachgericht das Vorliegen einer von vornherein eindeutigen oder zweifelsfrei geklärten Rechtslage ohne sachliche (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 2 BvR 424/17 –, BVerfGE 147, 364 [385 Rn. 52]; Kammerbeschluss vom 30. März 2022 – 2 BvR 2069/21 –, juris Rn. 42 m.w.N.) bzw. sachlich einleuchtende Begründung annimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12 u.a. –, BVerfGE 135, 155 [233 Rn. 185]). Die Zurücknahme der verfassungsgerichtlichen Prüfung der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV durch die Fachgerichte auf eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums geht einher mit einer Verpflichtung der Fachgerichte zur Begründung ihrer diesbezüglichen Entscheidung.
Die Pflicht der Fachgerichte zur Begründung folgt aus den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV bzw. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und steht deshalb nicht in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass letztinstanzliche Entscheidungen grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht begründet zu werden brauchen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, juris Rn. 19). Dabei wirkt die Integrationsverantwortung des Grundgesetzes, die sämtliche Staatsorgane und damit auch die (Landes-)Verfassungsgerichte tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 276/17 –, BVerfGE 152, 216 [238 f. Rn. 55 f.]), auf die Begründungspflicht hinsichtlich der Anwendung des Art. 267 Abs. 3 AEUV ein. So fordert die in Art. 23 Abs. 1 GG vorgesehene Öffnung des Grundgesetzes für das Unionsrecht von allen Staatsorganen eine Mitwirkung an dessen Entfaltung und Umsetzung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 276/17 –, BVerfGE 152, 216 [238 f. Rn. 55 f., 243 Rn. 67]). Für den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz ergibt sich dies zusätzlich aus Art. 74a Satz 1 LV. Die Verfassungsgerichte nehmen ihre Integrationsverantwortung unter anderem durch die Kontrolle der Fachgerichte auf die Beachtung der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV unter der Perspektive der Garantie des gesetzlichen Richters wahr, da die unionale Vorlagepflicht verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV bzw. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG abgesichert wird (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 276/17 –, BVerfGE 152, 216 [242 Rn. 64]; Calliess, NJW 2013, 1905 [1907]; Meickmann, DVBl. 2022, 278 [283]). Verfassungsrechtlich abgesichert wird dabei auch die unionsrechtlich aus dem mit Art. 267 AEUV eingeführten System der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof der Europäischen Union und den einzelstaatlichen Gerichten unter Berücksichtigung von Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union folgende Verpflichtung eines letztinstanzlichen Gerichts zur Begründung seiner Entscheidung, wenn es sich wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit oder einer von vornherein eindeutigen oder zweifelsfrei geklärten Rechtslage von der Vorlageplicht entbunden sieht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 – C-561/19 –, juris Rn. 27, 51, 53 – Consorzio Italian Management).
Das Fachgericht hat deshalb Gründe anzugeben, die dem Verfassungsgericht die gebotene Kontrolle am Maßstab der Verfassung überhaupt erst ermöglichen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Januar 2021 – 1 BvR 2853/19 –, juris Rn. 15 m.w.N.). Ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle auf eine Vertretbarkeitsprüfung beschränkt, muss sich umgekehrt gerade die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht aus der Begründung des Fachgerichts ergeben. Das Fachgericht muss eine nachvollziehbare, vertretbare Begründung dafür geben, dass die maßgebliche Rechtsfrage durch den Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden oder die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Februar 2010 – 1 BvR 230/09 –, juris Rn. 21; Kammerbeschluss vom 3. März 2014 – 1 BvR 2534/10 –, juris Rn. 27, 31; Kammerbeschluss vom 30. März 2022 – 2 BvR 2069/21 –, juris Rn. 52). Es darf sich insbesondere nicht auf leerformelhafte Erwägungen beschränken (vgl. Dreher, in: Festschrift für Bornkamm, 2014, S. 128). Dabei hängen der erforderliche Umfang und das Maß der Begründung von den Umständen des Einzelfalls ab.
II.
Daran gemessen hat das Oberlandesgericht Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV verletzt. Die Voraussetzungen der Vorlagepflicht des Art. 267 Abs. 3 AEUV lagen vor (1.). Das Oberlandesgericht hat die Vorlagepflicht auch offensichtlich unhaltbar gehandhabt, da es keine tragfähige Begründung für sein Absehen von einer Vorlage gegeben hat (2.).
1. Das Oberlandesgericht war nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union dazu durchzuführen, ob und unter welchen Voraussetzungen es mit Unionsrecht vereinbar ist, wenn die Ausübung eines durch die Lebensversicherungsrichtlinien garantierten Widerspruchsrechts wegen Rechtsmissbrauchs des Versicherungsnehmers ausgeschlossen wird, obwohl dieser nicht ordnungsgemäß über sein Recht belehrt wurde. Denn das Oberlandesgericht ist ein zur Vorlage verpflichtetes Gericht im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV (a)), es hat nicht festgestellt, dass die in dem bei ihm schwebenden Verfahren sich stellenden Fragen des Unionsrechts nicht entscheidungserheblich sind (b)) und es greift keine der vom Gerichtshof der Europäischen Union anerkannten Ausnahmen von der Vorlagepflicht (c)).
a) Das Oberlandesgericht Koblenz ist ein zur Vorlage verpflichtetes Gericht im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV, weil die angegriffene Entscheidung selbst nicht mit (ordentlichen) Rechtsmitteln des nationalen Rechts angefochten werden kann. Insoweit ist nicht auf eine abstrakt-institutionelle, sondern auf eine konkrete Betrachtungsweise abzustellen. Letztinstanzliche Gerichte im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV sind solche, deren Entscheidung im konkreten Einzelfall nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. März 2014 – 1 BvR 2534/10 –, juris Rn. 26; Wegener, in: Calliess/Ruffert [Hrsg.], EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 267 Rn. 28; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim [Hrsg.], Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 267 Rn. 52 [Januar 2022]; Schwarze/Wunderlich, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo [Hrsg.], EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, AEUV Art. 267 Rn. 43; Ehricke, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 267 Rn. 41; Calliess, NJW 2013, 1905 [1906]; wohl auch EuGH, Urteil vom 15. September 2005 – C-495/03 –, juris Rn. 30 – Intermodal Transports; Urteil vom 4. Juni 2002 – C-99/00 –, juris Rn. 14 ff. – Lyckeskog; Marsch, in: Schoch/Schneider [Hrsg.], Verwaltungsrecht, Stand: 41. EL Juli 2021, AEUV Art. 267 Rn. 37). Das ist hier der Fall. Zwar ist der die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisende Beschluss gemäß § 522 Abs. 3 ZPO grundsätzlich in gleicher Weise anfechtbar wie ein die Berufung zurückweisendes Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen wurde. Demnach wäre die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 544 ZPO statthaft. Bei dieser handelt es sich zwar um ein Rechtsmittel im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Nichtzulassungsbeschwerde war im konkreten Fall indes nicht eröffnet, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 € nicht überstieg (vgl. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
b) Das Oberlandesgericht hat nicht festgestellt, dass die in einem bei ihm schwebenden Verfahren sich stellenden Fragen des Unionsrechts nicht entscheidungserheblich sind. Es hat die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche mit der Begründung abgelehnt, dass diesem die Ausübung des Widerspruchsrechts aus § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der Fassung vom 13. Juli 2001 – VVG a.F. – bzw. § 8 VVG a.F. für den im März 2002 geschlossenen Lebensversicherungsvertrag wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB verwehrt sei. Dies gelte unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, und auch ein subjektives Tatbestandsmerkmal sei für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht erforderlich; vielmehr richte sich die Rechtsmissbräuchlichkeit gemessen an nationalem Recht nach den objektiven Gesamtumständen.
Das Widerspruchsrecht in dem auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren Versicherungsvertragsrecht findet seine Grundlage in Art. 15 Abs. 1 Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG – Zweite Richtlinie Lebensversicherung – in der durch die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG – Dritte Richtlinie Lebensversicherung – geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 31 Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Nach Art. 15 Abs. 1 Zweite Richtlinie Lebensversicherung schreibt jeder Mitgliedstaat vor, dass der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrags von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten. Dabei soll die Mitteilung des Versicherungsnehmers, dass er vom Vertrag zurücktritt, ihn für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreien. Nach Art. 15 Abs. 1 UAbs. 3 Zweite Richtlinie Lebensversicherung werden die übrigen rechtlichen Wirkungen des Rücktritts und die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach dem Recht der Mitgliedstaaten geregelt. Weiter sind dem Versicherungsnehmer gemäß Art. 31 Abs. 1 Dritte Richtlinie Lebensversicherung vor Abschluss des Versicherungsvertrages mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen, wozu unter anderem die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittrechts gehören.
Die Richtlinie enthält weder zu den Folgen einer fehlenden oder unzureichenden Belehrung über das Widerspruchs- bzw. Rücktrittsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 22 f. – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 62 – Rust-Hackner) noch über die Voraussetzungen und Folgen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers eine ausdrückliche Regelung (siehe etwa Schwintowski, VuR 2022, 83 [88]). Deshalb stellte sich in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht die Frage, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, dem Versicherungsnehmer ein auf Grundlage der Lebensversicherungsrichtlinien eingeräumtes Widerspruchsrecht, über das er nicht ordnungsgemäß belehrt worden war, wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens zu verwehren. Weiter stellte sich streitentscheidend die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch unter Berücksichtigung der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts allein nach nationalem Recht bestimmt werden dürfen, auch wenn danach ein subjektives Tatbestandsmerkmal nicht vorausgesetzt wird.
c) Es greift keine der vom Gerichtshof der Europäischen Union anerkannten Ausnahmen von der Vorlagepflicht. Insbesondere ist die Beantwortung der entscheidungserheblichen Fragen – die sich der Richtlinie nicht eindeutig entnehmen lässt – in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht erschöpfend geklärt.
aa) Speziell zu den Lebensversicherungsrichtlinien hat der Gerichtshof der Europäischen Union bislang nicht entschieden, ob der Ausübung des danach garantierten Rücktrittsrechts ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Versicherungsnehmers entgegengehalten werden kann, wenn der Versicherungsnehmer nicht (ordnungsgemäß) über dieses Recht belehrt wurde. Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs hat der Gerichtshof im speziellen Kontext der Lebensversicherungsrichtlinien nicht geklärt. Diese Fragen werden insbesondere in den Urteilen des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 (– C-209/12 –, juris – Endress) und vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) nicht beantwortet.
(1) Aussagen zu dem Verlust des Rücktrittsrechts aufgrund eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers enthalten die Entscheidungen nicht.
Etwas anderes folgt nicht aus der Feststellung des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 19. Dezember 2019, dass Vorteile, die der Versicherungsnehmer aus einem verspäteten Rücktritt ziehen könnte, außer Betracht zu bleiben haben, da ein solcher Rücktritt nicht dazu dienen würde, die Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers zu schützen, sondern dazu, ihm eine höhere Rendite zu ermöglichen oder gar auf die Differenz zwischen der effektiven Rendite des Vertrags und dem Satz der Vergütungszinsen zu spekulieren (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 120 – Rust-Hackner). Diese Ausführungen stehen nämlich in einem anderen Zusammenhang. Sie beziehen sich auf eine nationale Regelung, nach der im Falle des Rücktritts geleistete Zahlungen zu erstatten und auf die zu erstattenden Beträge Vergütungszinsen zu zahlen sind, letztere aber in drei Jahren verjähren. Es geht demnach um die Rechtsfolgen des Rücktritts und nicht unmittelbar um die Ausübung des Rücktrittsrechts durch den Versicherungsnehmer (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 116 – Rust-Hackner). Wenngleich ähnliche Erwägungen auch für die Zulässigkeit eines Verlusts des Rücktrittsrechts wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens – insbesondere zu einem Zeitpunkt nach vollständiger Erfüllung und Abwicklung des Vertrages – sprechen könnten, hat der Gerichtshof damit aber jedenfalls keine Aussage darüber getroffen, ob ein solcher Verlust mit Unionsrecht vereinbar wäre, wenn der Versicherungsnehmer nicht (ordnungsgemäß) über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und welche Voraussetzungen für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erfüllt sein müssten.
(2) Auch die Ausführungen des Gerichtshofs in den genannten Entscheidungen zu den Folgen einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht verhalten sich nicht zu dessen rechtsmissbräuchlicher Ausübung.
(a) So hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (– C-209/12 –, juris – Endress) lediglich eine Aussage zu einem Erlöschen des Rücktrittsrechts aufgrund Zeitablaufs bei fehlender Belehrung getroffen. Danach ist eine nationale Regelung, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist, unzulässig (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 26 f., 30, 32 – Endress).
(b) Auch das Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) befasst sich nicht mit der Zulässigkeit und den Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchseinwands, sondern unter anderem mit dem Beginn der Rücktrittsfrist bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung. Danach soll, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer überhaupt keine Informationen über sein Rücktrittsrecht mitgeteilt hat oder die mitgeteilten Informationen derart fehlerhaft sind, dass dem Versicherer die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben, die Rücktrittsfrist selbst dann nicht zu laufen beginnen, wenn der Versicherungsnehmer auf anderem Wege von seinem Rücktrittsrecht Kenntnis erlangt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 90 – Rust-Hackner). Zwar geht der Gerichtshof insoweit davon aus, dass es unverhältnismäßig wäre, es einem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch eine fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 90 – Rust-Hackner). Selbst wenn man aber diese, ausschließlich den Fristbeginn betreffende Aussagen auf den Verlust des Rücktrittsrechts wegen Rechtsmissbrauchs übertragen oder daraus die Zulässigkeit der Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben im Versicherungsrecht ablesen wollte (siehe etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 6 f.), könnte danach allenfalls als geklärt angesehen werden, dass ein solcher Rechtsverlust bei fehlerhafter Belehrung dann in Betracht kommt, wenn der Belehrungsmangel dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen hat, sein Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben. Auf diesen Aspekt hat sich das Oberlandesgericht zwar bezogen, aber gerade nicht geprüft, ob vorgenannte Voraussetzung auch erfüllt war. Eine hiervon unabhängige Konkretisierung der Voraussetzungen, unter denen im Falle einer fehlerhaften Belehrung die Grundsätze von Treu und Glauben zu einer Beschränkung der Rechte des Versicherungsnehmers führen können, ist der Entscheidung des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) aber nicht zu entnehmen.
(c) Weiter hat der Gerichtshof geklärt, dass der Versicherungsnehmer sein Rücktrittsrecht auch noch nach Kündigung und Erfüllung aller Verpflichtungen aus dem Vertrag ausüben kann, sofern in dem auf den Vertrag anwendbaren Recht nicht geregelt ist, welche rechtlichen Wirkungen es hat, wenn überhaupt keine Informationen über das Rücktrittsrecht mitgeteilt wurden oder die darüber mitgeteilten Informationen fehlerhaft waren (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 98 – Rust-Hackner). Auch dem lässt sich keine Aussage über die Zulässigkeit und die Voraussetzungen des Verlusts des Rücktrittsrechts wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers entnehmen. Zwar knüpft die Annahme von Rechtsmissbrauch vorliegend in tatsächlicher Hinsicht unter anderem an den Zeitablauf nach vollständiger Vertragsabwicklung an. Es fehlt aber gerade an einer gesetzlichen Regelung, wie sie dem Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 2008 (– C-412/06 –, juris Rn. 49 – Hamilton – zur Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen – Haustürgeschäfte-RL –; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 97 – Rust-Hackner; Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 31 – Endress; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2016 – 1 BvR 2230/15 u.a. –, juris Rn. 53) zugrunde lag, so dass die hier entscheidungserheblichen Fragen auch insoweit nicht als geklärt angesehen werden können.
(3) Schließlich lassen sich die streitentscheidenden Fragen auch unter Rückgriff auf die allgemeinen Feststellungen des Gerichtshofs in den genannten Entscheidungen zu den Folgen einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung im Lebensversicherungsrecht nicht eindeutig beantworten.
Im Ausgangspunkt geklärt ist danach zwar, dass die Lebensversicherungsrichtlinien den Fall und die Folgen der fehlenden oder fehlerhaften Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht nicht regeln. Deshalb dürfen die Mitgliedstaaten im Einzelnen die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts normieren, wobei diese auch Einschränkungen des Rücktrittsrechts zur Folge haben dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 22 f. – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 62 – Rust-Hackner).
Das bedeutet aber nicht, dass damit jede mitgliedstaatliche Ausgestaltung der Ausübung des Rücktrittsrechts und jegliche Einschränkung dieses Rechts zulässig wären. Vielmehr ist bei der Regelung der Modalitäten des Rücktrittsrechts die praktische Wirksamkeit der mit der Richtlinie verfolgten Zwecke zu wahren (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 22 f. – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 62 – Rust-Hackner; siehe auch Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [524 f.]; Kähler, in: Gsell et al. [Hrsg.], BGB, § 242 Rn. 308 [März 2022]). In diesem Zusammenhang ist insbesondere der besondere Informationszweck der Lebensversicherungsrichtlinien zu beachten, wie er sich aus dem 23. Erwägungsgrund der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ergibt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 24 f. – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 63 f., 87 – Rust-Hackner). Dort heißt es:
„Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarktes wird dem Verbraucher eine grössere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muß er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger.“
Dabei bezwecken die Lebensversicherungsrichtlinien gerade auch, dass mit ihnen sichergestellt werden soll, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht zutreffend belehrt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 71, 87 – Rust-Hackner). Mit dem Rücktrittsrecht wiederum soll dem Versicherungsnehmer ermöglicht werden, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen; das Rücktrittsrecht sichert insoweit die Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers ab (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 101 f. – Rust-Hackner). Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt, dass sich der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer in einer schwachen Position befinde, da Versicherungsverträge rechtlich komplexe Finanzprodukte seien, die je nach anbietendem Versicherer große Unterschiede aufwiesen und über einen potentiell sehr langen Zeitraum erhebliche finanzielle Verpflichtungen mit sich bringen könnten (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 29 – Endress). Deshalb soll sich der Versicherer nicht mit Erfolg auf Gründe der Rechtssicherheit berufen können, um einer Situation abzuhelfen, die er dadurch selbst herbeigeführt hat, dass er seiner unionsrechtlichen Obliegenheit zur Mitteilung bestimmter Informationen nicht nachgekommen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 30 – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 69, 109 – Rust-Hackner). Auch kann sich der Versicherer im Falle einer (fehlerhaften) Belehrung nicht auf eine anderweitige Kenntniserlangung des Versicherungsnehmers berufen, da er anderenfalls nicht ausreichend dazu motiviert würde, seiner Verpflichtung zur zutreffenden Belehrung nachzukommen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 89 – Rust-Hackner).
Auf Grundlage vorgenannter Interessenlage und des Informationszwecks hat der Gerichtshof – wie bereits ausgeführt – in den genannten Entscheidungen geklärt, dass die praktische Wirksamkeit der Lebensversicherungsrichtlinien nicht gewahrt ist, wenn ein Rücktrittsrecht trotz fehlender Belehrung spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt und wenn die Rücktrittsfrist zu laufen beginnt, obwohl der Versicherer dem Versicherungsnehmer überhaupt keine Informationen über sein Rücktrittsrecht mitgeteilt hat oder die mitgeteilten Informationen derart fehlerhaft sind, dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen auszuüben wie bei Mitteilung zutreffender Informationen.
Ob die praktische Wirksamkeit der Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des Informationszwecks und vorgenannter Interessenlage demgegenüber noch gewahrt ist, wenn der Versicherungsnehmer sein Rücktrittsrecht trotz fehlerhafter Belehrung wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verlieren kann, bleibt in den Entscheidungen des Gerichtshofs zu den Lebensversicherungsrichtlinien ebenso offen wie die Voraussetzungen, die an einen solchen Rechtsmissbrauch zu stellen wären, um die praktische Wirksamkeit noch als gewahrt anzusehen.
bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die streitentscheidenden Fragen auch in seinen Entscheidungen außerhalb des Lebensversicherungsrechts, in denen sich vergleichbare Fragen gestellt haben, nicht erschöpfend beantwortet. Zwar existiert eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Grundsatz des Rechtsmissbrauchs. Die sich hier konkret stellenden Fragen sind indes nicht hinreichend geklärt. Jedenfalls erscheint im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) eine Fortentwicklung der Rechtsprechung nicht nur als entfernte Möglichkeit.
(1) Im Ausgangspunkt geklärt ist, dass auch im Unionsrecht der Grundsatz des Rechtsmissbrauchs Anwendung findet. So ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 1988 – 39/86 –, juris Rn. 43 – Lair; Urteil vom 2. Mai 1996 – C-206/94 –, juris Rn. 24 ff. – Paletta; Urteil vom 12. Mai 1998 – C-367/96 –, juris Rn. 20 ff. – Kefalas; Urteil vom 23. März 2000 – C-373/97 –, juris – Diamantis; Urteil vom 21. Juli 2011 – C-186/10 –, juris Rn. 25 – Oguz; siehe auch BGH, EuGH-Vorlage vom 31. Januar 2022 – IX ZR 113/21 u.a. –, juris Rn. 58). Dies ist inzwischen als zwingender allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannt, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Rechte und Vorteile ihre Grundlage in den Verträgen, in einer Verordnung oder in einer Richtlinie haben (siehe nur EuGH, Urteil vom 26. Februar 2019 – C-116/16 u.a. –, juris Rn. 70 ff., 75 – T Danmark; Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 121 – Volkswagen Bank; Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [527]). Deshalb ist es etwa nach den Urteilen vom 23. März 2000 (– C-373/97 –, juris – Diamantis) und vom 12. Mai 1998 (– C-367/96 –, juris Rn. 20 ff. – Kefalas) grundsätzlich zulässig, dass die nationalen Gerichte eine Bestimmung des nationalen Rechts anwenden, nach der sie prüfen dürfen, ob ein Recht aus einer unionsrechtlichen Bestimmung missbräuchlich ausgeübt wird.
(2) Gerade die hier streitentscheidenden Fragen, ob ein dem Versicherungsnehmer eingeräumtes Rücktrittsrecht trotz fehlender oder fehlerhafter Belehrung wegen Rechtsmissbrauchs erlöschen kann und welche Kriterien für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfüllt sein müssen, können aber spätestens seit dem Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) nicht (mehr) als erschöpfend beantwortet angesehen werden.
(a) So ist hinsichtlich der Frage, welche Kriterien für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfüllt sein müssen, unklar, ob hierfür das Vorliegen objektiver Tatbestandsmerkmale zumindest dann ausreicht, wenn sich dies aus einer auf den Fall anwendbaren nationalen Bestimmung ergibt (so wohl Kähler, in: Gsell et al. [Hrsg.], BGB, § 242 Rn. 311 ff. [März 2022]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 4 ff.), oder ob stets auch ein subjektives Element erfüllt sein muss, d.h. ein nationales Rechtsmissbrauchsverbot nur insoweit angewendet werden darf, als es sich mit den unionsrechtlichen Kriterien deckt, die stets ein subjektives Element umfassen (so etwa Schwintowski, VuR 2022, 83 [88]; Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [507, 515, 518 ff., 528] m.w.N.; Ebers, VuR 2017, 47 [48]; OLG Rostock, Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 116 f.).
Zunächst ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass die nationalen Gerichte in den Grenzen der praktischen Wirksamkeit und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts befugt sind, das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung zu stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 1988 – 39/86 –, juris Rn. 43 – Lair; Urteil vom 2. Mai 1996 – C-206/94 –, juris Rn. 25 – Paletta; Urteil vom 12. Mai 1998 – C-367/96 –, juris Rn. 20 ff. – Kefalas; Urteil vom 23. März 2000 – C-373/97 –, juris Rn. 34 – Diamantis; Urteil vom 21. Juli 2011 – C-186/10 –, juris Rn. 25 – Oguz).
Soweit der Gerichtshof für die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis darüber hinaus auch das Vorliegen eines subjektiven Elements verlangte, bezog sich dies ursprünglich ausdrücklich nur auf die spezielle Frage, wann mit Unionsrecht unvereinbare Praktiken von „Wirtschaftsteilnehmern“ vorliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 – C-110/99 –, juris Rn. 51-54 – Emsland-Stärke; Urteil vom 21. Februar 2006 – C-255/02 –, juris Rn. 68 ff. – Halifax; Urteil vom 6. April 2006 – C-456/04 –, juris Rn. 20 ff. – Agip Petroli; Urteil vom 12. September 2006 – C-196/04 –, juris Rn. 64 – Cadbury Schweppes; Urteil vom 13. März 2014 – C-155/13 –, juris Rn. 31, 33 – Sices; vgl. dazu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 45). Dabei muss für das subjektive Element die Absicht erkennbar sein, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden bzw. es muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass im Wesentlichen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils bezweckt wird; demgegenüber ist das Missbrauchsverbot nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 – C-110/99 –, juris Rn. 53 – Emsland-Stärke; Urteil vom 21. Februar 2006 – C-255/02 –, juris Rn. 75 – Halifax; Urteil vom 6. April 2006 – C-456/04 –, juris Rn. 23 – Agip Petroli; Urteil vom 13. März 2014 – C-155/13 –, juris Rn. 33 – Sices).
Mit seinem Urteil vom 9. September 2021 zur Auslegung der – hier nicht unmittelbar einschlägigen – Verbraucherkreditrichtlinie hat der Gerichtshof nun aber ausdrücklich auch für Verbraucher entschieden, dass die Feststellung eines Missbrauchs nach unionsrechtlichen Grundsätzen neben einer Gesamtheit objektiver Umstände auch ein subjektives Element voraussetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 122 – Volkswagen Bank; siehe auch OLG Rostock, Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 117).
Da sich die entsprechenden Ausführungen des Gerichtshofs nicht spezifisch auf die Verbraucherkreditrichtlinie beziehen, sondern auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zum Rechtsmissbrauch, ist es zumindest zweifelhaft, ob einem Verbraucher in anderen Rechtsgebieten die Berufung auf durch oder auf Grund von Unionsrecht gewährte Rechte unter Anwendung einer nationalen Regelung auch ohne das Vorliegen eines subjektiven Elements wegen Rechtsmissbrauchs verwehrt werden kann (so etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 13; dagegen etwa Ebers, VuR 2022, 203 [207]). Insoweit erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zumindest als nicht nur entfernte Möglichkeit.
(b) Weiter ist seit dem Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) auch unklar, ob ein dem Versicherungsnehmer unionsrechtlich gewährleistetes Rücktrittsrecht überhaupt wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erlöschen kann, wenn der Versicherungsnehmer nicht (ordnungsgemäß) über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde (vgl. Schwintowski, VuR 2022, 83 [89]; Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [534 ff.]; OLG Rostock, Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 118 f. und 183 zur Verwirkung; a.A. Kähler, in: Gsell et al. [Hrsg.], BGB, § 242 Rn. 316 [März 2022], 1765.1 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 10; siehe insgesamt dazu auch BGH, EuGH-Vorlage vom 31. Januar 2022 – IX ZR 113/21 u.a. –, juris Rn. 68). So soll im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie der Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher keinen Rechtsmissbrauch annehmen dürfen (und sich auch nicht auf Verwirkung berufen können), wenn eine der in der Verbraucherkreditrichtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, und dies unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Leitsatz 7, Rn. 119 ff. – Volkswagen Bank). Zwar führt der Gerichtshof in diesem Zusammenhang aus, dass der Unternehmer dem Verbraucher bei unzureichender Belehrung auch dann keinen Missbrauch seines Widerrufsrechts vorwerfen könne, wenn zwischen Vertragsschluss und Widerruf erhebliche Zeit vergangen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 126 – Volkswagen Bank). Eine Beschränkung des Ausschlusses des Rechtsmissbrauchseinwands auf solche Fälle eines „bloßen Zeitablaufs“ ist den Ausführungen – jedenfalls in der für die Annahme eines acte éclairé erforderlichen Klarheit – indes nicht zu entnehmen (siehe auch Ebers, VuR 2022, 203 [205]; anders wohl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 10; vgl. dazu auch BGH, EuGH-Vorlage vom 31. Januar 2022 – IX ZR 113/21 u.a. –, juris Rn. 69).
Dass ein Ausschluss des Rechtsmissbrauchseinwands bei unzureichender Belehrung auch im Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien gelten könnte, erscheint nicht nur als entfernte Möglichkeit (so auch Schwintowski, VuR 2022, 83 [89]; Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [534 ff.]; Ebers, VuR 2022, 203 [205 ff.]; OLG Rostock, Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 118; LG Erfurt, EuGH-Vorlage vom 30. Dezember 2021 – 8 O 1519/20 –, juris Rn. 40 f.; a.A. dagegen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 9 ff.). Zwar trifft es zu, dass sich Lebensversicherungs- und Verbraucherkreditverträge in wesentlicher Hinsicht voneinander unterscheiden. Allerdings hat der Gerichtshof die Unzulässigkeit des Rechtsmissbrauchseinwands zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts gerade aus solchen Zielen der Verbraucherkreditrichtlinie abgeleitet, die den Zielen vergleichbar sind, die nach den Feststellungen des Gerichtshofs die Lebensversicherungsrichtlinien hinsichtlich des Rücktrittsrechts verfolgen (siehe auch Schwintowski, VuR 2022, 83 [89]; Ebers, VuR 2022, 203 [206 f.]).
So soll das Widerrufsrecht im Verbraucherkreditrecht dem Zweck dienen, es dem Verbraucher zu ermöglichen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 123 – Volkswagen Bank). Weiter soll durch die Richtlinie sichergestellt werden, dass der Verbraucher alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtungen beurteilen zu können (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 124 – Volkswagen Bank). Schließlich dient die Koppelung von Fristbeginn und der Information des Verbrauchers dem Zweck, den Kreditgeber, der die vorgesehenen Informationen nicht erteilt, zu bestrafen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 124 – Volkswagen Bank). Insoweit sollen die in den Unionsrichtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes vorgesehenen Sanktionen den Gewerbetreibenden davon abschrecken, gegen die ihm nach den Bestimmungen dieser Richtlinien obliegenden Pflichten gegenüber dem Verbraucher zu verstoßen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 125 – Volkswagen Bank).
Wie bereits ausgeführt, dienen auch die Lebensversicherungsrichtlinien Informationszwecken und dabei insbesondere dem Ziel, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen, wobei diese Wahlfreiheit gerade durch das Rücktrittsrecht abgesichert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 101 f. – Rust-Hackner). Insoweit hat der Gerichtshof in dem Urteil vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris Rn. 123 – Volkswagen Bank) sogar ausdrücklich auf seine Feststellungen in dem die Lebensversicherungsrichtlinien betreffenden Urteil vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) verwiesen. Zwar hat der Gerichtshof hinsichtlich der Lebensversicherungsrichtlinien noch nicht ausdrücklich einen Sanktionszweck benannt (darauf bezieht sich OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 12; Schubert, in: MüKo, BGB, 9. Aufl. 2022, § 242 Rn. 507). Aber er hat auch hier bereits darauf hingewiesen, dass sich der Versicherer nicht mit Erfolg auf Gründe der Rechtssicherheit berufen können soll, um einer Situation abzuhelfen, die er dadurch selbst herbeigeführt hat, dass er seiner unionsrechtlichen Obliegenheit zur Mitteilung bestimmter Informationen nicht nachgekommen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 30 – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 69, 109 – Rust-Hackner). Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, der Versicherer könne sich im Falle einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung nicht auf eine anderweitige Kenntniserlangung des Versicherungsnehmers berufen, da er anderenfalls nicht ausreichend dazu motiviert würde, seiner Verpflichtung zur zutreffenden Belehrung nachzukommen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 89 – Rust-Hackner). Hinzu kommt, dass der Gerichtshof die Ausführungen zum Sanktionsaspekt in seinem Urteil vom 9. September 2021 nicht speziell auf die Verbraucherkreditrichtlinie bezogen hat, sondern insoweit allgemein die „in den Unionsrichtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes vorgesehenen Sanktionen“ in Bezug genommen hat (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 125 – Volkswagen Bank; siehe auch Schwintowski, VuR 2022, 83 [89]; OLG Rostock, Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 118).
Danach erscheint es zumindest als nicht bloß entfernte Möglichkeit, dass der Gerichtshof seine diesbezüglichen Feststellungen von der Verbraucherkreditrichtlinie auf die Lebensversicherungsrichtlinien übertragen könnte.
Schließlich mag es zutreffen, dass durch die Entscheidung vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) nicht abschließend geklärt ist, ob die Berufung auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Verbrauchers im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung stets ausgeschlossen ist oder unter bestimmten, zu einem bloßen Zeitmoment (siehe hierzu EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 126 – Volkswagen Bank) hinzutretenden Umständen oder etwa nach vollständiger, beidseitiger Vertragserfüllung nicht doch zulässig sein könnte (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 31. Januar 2022 – IX ZR 113/21 u.a. –, juris Rn. 57, 63 ff.). Dies wäre dann zwar bezogen auf die Lebensversicherungsrichtlinien ebenso denkbar, ist durch den Gerichtshof aber gerade nicht beantwortet.
2. Vor diesem Hintergrund hat das Oberlandesgericht den ihm zustehenden Beurteilungsrahmen überschritten und die Vorlagepflicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt, da es keine tragfähige Begründung dafür gegeben hat, warum es von einer Vorlage abgesehen hat.
a) Zwar kann eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV nicht bereits aus dem Umstand hergeleitet werden, dass dem Oberlandesgericht das Vorliegen voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen zu den hier streitentscheidenden Fragen des Unionsrechts zur Kenntnis gebracht wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 – C-561/19 –, juris Rn. 49 – Consorzio Italian Management – zu den daraus folgenden besonderen Sorgfaltspflichten; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Mai 2022 – 1 BvR 2342/17 –, juris Rn. 17 zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Denn Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs oder divergierende Entscheidungen oder Vorlagebeschlüsse anderer Gerichte, die erst nach dem angegriffenen Beschluss ergangen sind, können einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV nicht begründen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Dezember 2006 – 1 BvR 2085/03 –, juris Rn. 57; Kammerbeschluss vom 24. Mai 2022 – 1 BvR 2342/17 –, juris Rn. 18 zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und auch die Anforderungen an die Begründung des Absehens von einer Vorlage nicht verschärfen. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Rostock (Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 – juris Rn. 116-118; Hinweisbeschluss vom 9. November 2021 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 6-9) und des Landgerichts Erfurt (Vorlagebeschluss vom 30. Dezember 2021 – 8 O 1519/20 –, juris), wonach infolge des Urteils des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur – anhand objektiver Kriterien zu bestimmenden – Rechtsmissbräuchlichkeit eines Widerspruchs im Versicherungsvertragsrecht nicht mehr festgehalten werden könne, sind nämlich erst nach dem Berufungszurückweisungsbeschluss ergangen bzw. wurden dem Oberlandesgericht Koblenz erst im Anhörungsrügeverfahren, und damit nach der Entscheidung in der Sache, vorgelegt.
b) Allerdings ist die Begründung des Oberlandesgerichts in der angegriffenen Entscheidung – auch unter Einbeziehung der Ausführungen in dem Anhörungsrügebeschluss vom 9. Februar 2022 – nicht hinreichend tragfähig, um den Verzicht auf die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens noch als vertretbar anzusehen.
aa) Das Absehen des Oberlandesgerichts von einer Vorlage kann zunächst nicht deswegen als vertretbar angesehen werden, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 die Annahme des Bundesgerichtshofs, es verstoße gegen Treu und Glauben, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen, unter dem Blickwinkel des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht beanstandet hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 42 ff.). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Erwägung des Bundesgerichtshofs, die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung geklärt und auch ein Verstoß gegen den Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz liege nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13 –, juris Rn. 32 ff.; vgl. zur stRspr des BGH auch: Beschluss vom 8. September 2021 – IV ZR 133/20 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 3. Juni 2020 – IV ZB 9/19 –, juris Rn. 14; Beschluss vom 27. September 2017 – IV ZR 506/15 –, juris Rn. 15; Beschlüsse vom 27. Januar und 22. März 2016 – IV ZR 130/15 –, juris), als vertretbar angesehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 43).
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht einen erkennbaren Widerspruch der Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass ein missbräuchliches Verhalten allein auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne und unredliche Absichten oder ein Verschulden insoweit nicht erforderlich seien, zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerade deswegen verneint, weil der Gerichtshof ein subjektives Element nur für die Prüfung verlange, wann mit Unionsrecht unvereinbare missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern vorlägen, worum es vorliegend nicht gehe (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 45). Gerade eine solche Begrenzung des Erfordernisses des subjektiven Tatbestandsmerkmals auf die Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern durch den Gerichtshof lässt sich aber spätestens seit dem Urteil vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) nicht mehr vertreten (siehe auch BGH, EuGH-Vorlage vom 31. Januar 2022 – IX ZR 113/21 u.a. –, juris Rn. 60; OLG Rostock, Urteil vom 8. März 2022 – 4 U 51/21 –, juris Rn. 117; Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [518 ff.]). Die Feststellung des Gerichtshofs, wonach ein rechtsmissbräuchliches Verhalten das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements voraussetzt, bezieht sich gerade auf die Prüfung, ob einem Verbraucher – hier im Verbraucherkreditrecht – die Berufung auf ein ihm garantiertes Widerrufsrecht wegen Rechtsmissbrauchs verwehrt werden darf (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 119 ff., 122 – Volkswagen Bank).
Außerdem betrifft der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Februar 2015 eine Konstellation, in der der Versicherungsnehmer vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden war (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 47). Ausdrücklich unter dieser Prämisse hat das Bundesverfassungsgericht die Annahme des Bundesgerichtshofs, der Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrags verwehrt werde, als verständlich und nicht offensichtlich unhaltbar angesehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 47). Darüber, ob diese Annahme auch im Falle einer fehlenden (ordnungsgemäßen) Belehrung über das Rücktrittsrecht noch als vertretbar angesehen werden kann, hat das Bundesverfassungsgericht dagegen keine Aussage getroffen. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 9. September 2021, wonach der Kreditgeber im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie im Hinblick auf die – mit denen der Lebensversicherungsrichtlinien vergleichbaren – Zwecke der Richtlinie im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher keinen Rechtsmissbrauch annehmen dürfe, wenn dieser nicht ordnungsgemäß belehrt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 119 ff. – Volkswagen Bank), können die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auch nicht (mehr) ohne weiteres auf Fälle einer fehlenden oder unzureichenden Belehrung übertragen werden.
bb) Auch der Verweis des Oberlandesgerichts auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit und zu den Voraussetzungen des Einwands des Rechtsmissbrauchs
im Lebensversicherungsrecht ersetzt nicht die erforderliche nachvollziehbare Begründung für ein Absehen von einer Vorlage. Dies folgt schon daraus, dass diese Rechtsprechung
(siehe etwa BGH, Beschluss vom 8. September 2021 – IV ZR 133/20 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 3. Juni 2020 – IV ZB
9/19 –, juris Rn. 14; Beschluss vom 27. September 2017 – IV ZR 506/15 –, juris Rn. 15; Beschlüsse vom 27. Januar und 22. März 2016 – IV ZR 130/15 –, juris) vor dem Urteil des
Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) ergangen ist und sich daher nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob es infolge dieser Entscheidung
unionsrechtlich geboten ist, auch im Anwendungsbereich der Lebensversicherungsrichtlinien für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs neben einem objektiven auch ein subjektives
Tatbestandselement zu verlangen, und dem Versicherer im Falle einer fehlerhaften Belehrung über das Widerspruchsrecht die Berufung auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu
verwehren. Soweit die Beklagte des Ausgangsverfahrens schließlich darauf verweist, dass der Bundesgerichtshof auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9.
September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) weiterhin an seiner Rechtsprechung festhalte, ergibt sich aus der vorgelegten Entscheidung (BGH, Beschluss vom 17.
November 2021 – IV ZR 38/21 –, n.v.) schon nicht, ob sich der Bundesgerichtshof darin mit der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinandergesetzt
hat.
cc) Bereits deswegen begründet das Oberlandesgericht das Absehen von einer Vorlage auch nicht dadurch nachvollziehbar, dass es ausführlich eine Kommentierung zu § 242 BGB (Schubert, in: MüKo, BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 Rn. 70 ff.) zitiert. Diese Fundstelle stammt aus dem Jahr 2019 und setzt sich ebenfalls nicht mit dem Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) auseinander. Außerdem wird auch in der zitierten Kommentierung erläutert, dass die volle Wirksamkeit des Unionsrechts durch die Anwendung eines nationalen Rechtsmissbrauchseinwands nicht beeinträchtigt werden dürfe, insbesondere dürften die mit dem Unionsrecht verfolgten Zwecke nicht vereitelt werden. Ob diese Anforderung bezogen auf die Lebensversicherungsrichtlinien gewahrt ist, ergibt sich daraus allerdings nicht.
dd) Soweit das Oberlandesgericht weiter ausführt, das Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, ist auch dies – zumindest mit der angeführten Begründung – nicht hinreichend tragfähig.
Das Oberlandesgericht verweist insoweit darauf, dass die Entscheidung zu Verbraucherkrediten ergangen sei und nicht zum Recht der Lebensversicherungen. Dies wird im Anhörungsrügebeschluss vom 9. Februar 2022 dahingehend erläutert, die Lebensversicherungsrichtlinien seien denen des Verbraucherkreditrechts nicht gleichzustellen, da es sich um vollständig verschiedene Vertragstypen handele mit unterschiedlicher Vertragsgestaltung und Zielsetzung. Auch die erforderlichen Verbraucherinformationen, die Belehrung zum Vertragswiderspruch, dessen Voraussetzungen und die Folgen einer Vertragsrückabwicklung unterschieden sich.
Dadurch wird das Absehen von der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens aber bereits deswegen nicht nachvollziehbar begründet, weil die streitentscheidenden Fragen in der zu den Lebensversicherungsrichtlinien ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs gerade nicht abschließend geklärt sind. Stützt sich die Annahme des Oberlandesgerichts, die Rechtslage sei geklärt, insoweit aber – stillschweigend, denn das Oberlandesgericht nennt außer den Urteilen vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) und vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) keine einzige Entscheidung des Gerichtshofs – auf Rechtsprechung des Gerichtshofs aus anderen Rechtsgebieten, ist nicht nachvollziehbar, warum die Entscheidung vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) gänzlich außer Betracht zu bleiben hätte. Dies ist auch deswegen nicht verständlich, weil die Zwecke der Lebensversicherungsrichtlinien und der Verbraucherkreditrichtlinie – wie bereits ausgeführt – wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Gerade auf diese Zwecke kommt es aber für die entscheidende Beurteilung an, ob infolge der mit der nationalen Anwendung des Rechtsmissbrauchseinwands verbundenen Einschränkungen des Rücktrittsrechts die praktische Wirksamkeit der Richtlinie noch gewahrt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 22 f. – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 62 – Rust-Hackner; siehe auch Knops, RabelsZ 85 [2021], 505 [525]). Dass das Oberlandesgericht auf die Gemeinsamkeiten der Zweckbestimmungen der unterschiedlichen Vertragslösungsrechte nicht eingegangen ist, erscheint auch deshalb nicht nachvollziehbar, da der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) selbst eine solche Parallele gezogen hat, indem er auf seine Feststellungen zu den Zielsetzungen der Lebensversicherungsrichtlinien in dem Urteil vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) verwiesen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20 u.a. –, juris Rn. 123 – Volkswagen Bank). Vor diesem Hintergrund geben die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu den Unterschieden der Vertragsgestaltungen von Lebensversicherungs- und Verbraucherkreditverträgen keine tragfähige Begründung für die gerichtliche Handhabung der Vorlagepflicht. Auch die Feststellung, beide Vertragstypen wiesen lediglich die Gemeinsamkeit auf, dass ein Verbraucher an ihnen beteiligt sei, ist insoweit nicht nachvollziehbar.
Ob dagegen eine Argumentation, die beispielsweise an dem unterschiedlichen Harmonisierungsgrad der betroffenen Richtlinienvorgaben angesetzt hätte (so etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris Rn. 13; dagegen Ebers, VuR 2022, 203 [207]), zumindest vertretbar im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung, da das Oberlandesgericht darauf nicht abgestellt hat.
ee) Soweit das Oberlandesgericht in seiner weiteren Argumentation auf den Sinn der Lebensversicherungsrichtlinien eingeht, ergibt sich auch daraus keine vertretbare Begründung für das Absehen von einer Vorlage. Denn es bildet die hier betroffenen Ziele der Lebensversicherungsrichtlinien, wie sie vom Gerichtshof der Europäischen Union bereits ausdrücklich festgestellt wurden, nur unzureichend ab. Das Oberlandesgericht führt insoweit aus, es sei Sinn der Lebensversicherungs-richtlinien, dem Verbraucher nach Vertragsschluss durch ein grundsätzlich unbefristetes Lösungsrecht vom Vertrag noch eine genaue Prüfung der übernommenen Pflichten sowie einen Vergleich mit anderen Produkten anderer Anbieter am Lebensversicherungsmarkt zu ermöglichen und dieser Zweck werde durch die Anwendung des Rechtsmissbrauchseinwands nicht gefährdet, zumal vorliegend eine – wenn auch möglicherweise nicht ordnungsgemäße – Belehrung vorgelegen habe. Allerdings hat der Gerichthof bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Lebensversicherungsrichtlinien gerade auch bezweckten, dass mit ihnen sichergestellt werden soll, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht zutreffend belehrt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 71, 87 – Rust-Hackner; Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 25 – Endress). Bezugnehmend auf diesen Zweck und unter der Prämisse einer ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 2. Februar 2015 (– 2 BvR 2437/14 –, juris Rn. 47) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unbeanstandet gelassen. Denn gerade durch das Rücktrittsrecht und die zutreffende Belehrung hierüber wird die Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers abgesichert (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 101 f. – Rust-Hackner). Außerdem hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich der Versicherer nicht mit Erfolg auf Gründe der Rechtssicherheit berufen können soll, um einer Situation abzuhelfen, die er dadurch selbst herbeigeführt hat, dass er seiner unionsrechtlichen Obliegenheit zur Mitteilung bestimmter Informationen nicht nachgekommen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-209/12 –, juris Rn. 30 – Endress; Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 69, 109 – Rust-Hackner) und dass sich der Versicherer im Falle einer (fehlerhaften) Belehrung nicht auf eine anderweitige Kenntniserlangung des Versicherungsnehmers berufen können soll, da er anderenfalls nicht ausreichend dazu motiviert würde, seiner Verpflichtung zur zutreffenden Belehrung nachzukommen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 u.a. –, juris Rn. 89 – Rust-Hackner). Auch mit diesen Aspekten hat sich das Oberlandesgericht indes nicht auseinandergesetzt.
ff) Ebenso lässt der Verweis des Oberlandesgerichts auf die Entscheidung des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris – Rust-Hackner) das Absehen von einer Vorlage nicht als vertretbar erscheinen. Der Gerichtshof hat darin die streitentscheidenden Fragen – wie bereits ausgeführt – nicht geklärt. Anderes folgt insbesondere nicht aus der vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Feststellung des Gerichtshofs, dass Fehler bei den mitgeteilten Informationen, die dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit des Rücktritts nehmen, dem Anlaufen der Widerspruchsfrist unter Umständen nicht entgegenstünden. Das Oberlandesgericht hat nämlich nicht geprüft, ob das hier der Fall gewesen ist. Gerade auf diesen Aspekt bezog sich aber die vom Oberlandesgericht herangezogene Feststellung des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 19. Dezember 2019 (– C-355/18 u.a. –, juris Rn. 78 f., 81 – Rust-Hackner), wonach im Bereich der Lebensversicherungsrichtlinien die nationalen Gerichte ihre Prüfung an einer Gesamtwürdigung auszurichten hätten, bei der insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen sei.
c) Schließlich wird die Handhabung der Vorlagepflicht in der angegriffenen Entscheidung nicht dadurch vertretbar, dass infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (– C-33/20 u.a. –, juris – Volkswagen Bank) auch andere Oberlandesgerichte von der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahren zur Beantwortung der hier streitgegenständlichen unionsrechtlichen Fragestellungen durch den Gerichtshof abgesehen haben (siehe etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2022 – 12 U 80/21 –, juris; Urteil vom 27. Januar 2022 – 25 U 107/21 –, n.v.; OLG Hamm, Urteil vom 22. September 2021 – 20 U 121/19 –, juris Rn. 36 ff.; sowie OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 10. Januar 2022 – 7 U 411/21 –, n.v.; Saarl. OLG, Urteil vom 29. April 2022 – 5 U 24/21 –, n.v.). Dies wirkt sich bereits deswegen nicht auf die verfassungsrechtliche Beurteilung aus, da es vorliegend an einer vertretbaren Begründung für das Absehen von einer Vorlage fehlt.
3. Verstoßen die angegriffenen Entscheidungen bereits gegen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 LV, bedarf es keiner Entscheidung, ob zugleich auch der vom Beschwerdeführer gerügte allgemeine Justizgewährleistungsanspruch verletzt ist.
D.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. November 2021 ist hiernach gemäß § 49 Abs. 3 VerfGHG aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Koblenz zurückzuverweisen. Der ebenfalls angegriffene Beschluss vom 9. Februar 2022 wird damit gegenstandslos.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei.
Die Anordnung der Auslagenerstattung zugunsten des Beschwerdeführers folgt aus § 21a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG –. Dieser ist in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien – Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers – nach billigem Ermessen zu bestimmten; er beträgt mindestens 5.000,00 €.
In der verfassungsgerichtlichen Praxis ist für das Verfassungsbeschwerdeverfahren anerkannt, dass sich Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bewertungskriterien sowie deren Verhältnis zueinander und damit der Gegenstandswert vorrangig nach der subjektiven Bedeutung des Verfahrens für den Beschwerdeführer richten, einschließlich der weiteren Auswirkungen auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Stellung und sein Ansehen. Zu berücksichtigen ist auch die objektive Bedeutung der Sache, wobei diese, wenn sie neben dem subjektiven Interesse eigenständiges Gewicht hat, zu einer Erhöhung und Vervielfachung des Ausgangswertes führt. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wirken sich nur dann werterhöhend aus, wenn sie über den Aufwand hinausgehen, welcher der Bedeutung der Sache entspricht. Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse dienen nur der Korrektur des danach gefundenen Ergebnisses unter sozialen Aspekten (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 20. August 2014 – VGH B 16/14 –, AS 43, 45 f.; Beschluss vom 20. Oktober 2014 – VGH A 17/14 –, AS 43, 92 f.; Beschluss vom 27. Oktober 2017 – VGH N 2/15 –, juris Rn. 3; Beschluss vom 16. April 2020 – VGH B 19/19 –, BeckRS 2020, 7535; vgl. auch entsprechend BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1989 – 1 BvR 1291/85 –, BVerfGE 79, 365 [366 ff.]).
Daran gemessen ist der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit 17.319,51 € zu bemessen. Das subjektive Interesse des Beschwerdeführers an dem Verfassungsbeschwerdeverfahren ergibt sich aus seiner Klageforderung in Höhe von 17.319,51 € und ist mit diesem Betrag ausreichend erfasst.
Das Saarländische Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 22.04.2021 (Az.: 4 U 27/20) einer Klage auf Widerruf eines endfälligen Darlehensvertrages stattgegeben. Im Darlehensvertrag hatte die Bank die Höhe der monatlichen Annuitäten nicht angegeben. Besonderheit des Falles war außerdem, dass der Widerruf einen Tag nach Ablösung des Darlehensvertrages erklärt wurde.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien schlossen im Juli 2013 einen Darlehensvertrag über 50.000 € zur Finanzierung einer Immobilie. Das durch eine Grundschuld besicherte Darlehen war zu einem Zinssatz von 2,85 % (effektiv 2,95 %) p.a. am 15.8.2023 vollständig zurückzuzahlen, wobei die Rückzahlung durch die Zuteilung eines Bausparvertrags Nr. ~5 der Bausparkasse S. erfolgen sollte.
Unter Ziffer 3.1 des Vertrags heißt es:
"Sollzinssatz: Das Darlehen ist ab dem Tag der Auszahlung mit 2,85 % jährlich zu verzinsen. Dieser Sollzinssatz ist gebunden bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Die Soll-Zinsen werden aus dem jeweiligen Darlehenssaldo berechnet. Die Soll-Zinsen sind fällig am Ultimo eines jeden Monats."
Weiterhin wird in Ziffer 3.2 des Vertrags ("Kosten, Nebenleistungen, Nettodarlehensbetrag") der Nettodarlehensbetrag von 50.000 €, eine Abschlussgebühr für den Bausparvertrag in Höhe von 500 € sowie ein Betrag für "Bausparen (Summe 50.000 €; monatlich 216 €" genannt.
Unter Ziffer 4 - Darlehensrückzahlung und Laufzeit - heißt es:
"Das Darlehen ist wie folgt zurückzuzahlen: In voller Höhe am 15.8.2023 (i.e.S.d. Zuteilung BSV ~5 der BSH). Daneben sind die Soll-Zinsen zu den vereinbarten Zinsfälligkeitsterminen zu zahlen."
Bestandteil des Darlehensvertrags ist unter Ziffer 11 eine Widerrufsinformation, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird.
Die Kläger zahlten in der Folgezeit monatlich an die Bausparkasse S. die im Darlehensvertrag genannte, auf den Bausparvertrag entfallende Prämie von 216 € sowie an die Beklagte einen weiteren Betrag von 118,75 € auf das Darlehen.
Im Herbst 2018 veräußerten die Kläger die finanzierte Immobilie und lösten das Darlehen am 2.11.2018 unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 5.962,50 € ab. Sie erklärten mit Schreiben vom 3.11.2018 (Anlage K 7, Bl. 63 d.A.) den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf zurück. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger forderten die Beklagte mit Schreiben vom 11.1.2019 (Bl. 68 ff. d.A.) unter Fristsetzung zum 31.1.2019 vergeblich zur Zahlung eines Gesamtbetrages von 6.287,50 € auf (5.962,50 € Vorfälligkeitsentgelt und 325 € Nutzungsersatz) auf (Anlage K 13, Bl. 68 ff. d.A.).
Zur Finanzierung der Immobilie hatten die Kläger mit der früheren Beklagten zu 2, der Bausparkasse S. AG, ebenfalls im Juli 2013 noch zwei weitere Darlehensverträge über jeweils 80.000 € geschlossen (Anlage 2 und 3, Bl. 26 ff. d.A.). Auch diese beiden Darlehen wurden zeitgleich mit dem hier streitgegenständlichen Kredit jeweils gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abgelöst. Die Kläger haben ihre dahingehenden Vertragserklärungen ebenfalls am 3.11.2018 widerrufen (Bl. 64 f. d.A.). Mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 2 haben die Kläger von der Beklagten zu 2 Rückzahlung der diesbezüglich gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen verlangt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.5.2019 (Bl. 231 f. d.A.) das Verfahren gegen die Beklagte zu 2 gemäß § 145 ZPO unter Hinweis auf seine fehlende örtliche Zuständigkeit abgetrennt.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, sie hätten wegen inhaltlicher Fehler der Widerrufsinformation ihre Vertragserklärungen zu dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag Nr. ~3 noch im Jahr 2018 widerrufen können.
Die Widerrufsinformation sei deshalb fehlerhaft, weil sie hinsichtlich des Anlaufs der Widerrufsfrist eine Kaskadenverweisung enthalte, über deren Europarechtskonformität der Europäische Gerichtshof in dem aktuell dort geführten Vorlageverfahren (Aktenzeichen des Landgerichts Saarbrücken: 1 O 164/18) zu entscheiden habe (Bl. 245 d.A.). Ein weiterer inhaltlicher Fehler liege darin, dass in Ziffer 24 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen (ABKD) die Regelung des § 193 BGB abbedungen worden sei, wodurch die Widerrufsfrist verkürzt werde (Bl. 22 d.A.). Fehlerhaft werde außerdem in der Widerrufsinformation unter "Widerrufsfolgen" auf eine angebliche Pflicht zum Ersatz nicht näher bezifferter Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen hingewiesen (Bl. 18 d.A.). Schließlich enthalte die Widerrufsinformation fehlerhafte Angaben zu den Rechtsfolgen eines Widerrufs der - zudem unklar definierten - Zusatzleistung Bausparen. Gegenüber dem Darlehensnehmer werde der unzutreffende Eindruck erweckt, der Widerruf eines Bausparvertrages führe dazu, dass damit auch der Darlehensvertrag mit der Beklagten zu 1 nicht mehr bindend sei (Bl. 10 f., 244 f. d.A.).
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 6.287,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Widerrufsinformation für ordnungsgemäß und den Widerruf der Kläger dementsprechend für verfristet gehalten. Der Bundesgerichtshof habe bereits entschieden, dass die Abbedingung des § 193 BGB nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsinformation führe (Beschluss vom 3.7.2018 - XI ZR 758/17). Gleiches gelte für den Hinweis auf eine mögliche Ersatzpflicht von Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen (z.B. BGH XI ZR 66/16, XI ZR 467/15, XI ZR 99716, XI ZR 482/15 u.a.). Entgegen der Auffassung der Kläger stelle die Belehrung über die Zusatzleistung des Bausparvertrages keineswegs eine Abweichung vom gesetzlichen Muster dar. Bei dieser Zusatzleistung, über die die Beklagte korrekt belehrt habe, stünden den Klägern sogar mehr Rechte zu, als dies nach der Gesetzeslage der Fall wäre, weil bei Widerruf des Darlehensvertrages zugunsten der Kläger auch der Bausparvertrag beendet wäre und die Kläger somit nicht mit möglichen Verpflichtungen konfrontiert wären, die in ihrer Gesamtfinanzierung keinen Sinn mehr hätten. Der erklärte Widerruf habe somit nicht wirksam zu einem Rückabwicklungsverhältnis geführt, weshalb den Klägern die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zustünden.
Mit dem am 13.3.2020 verkündeten Urteil (Bl. 255 ff. d. A.) hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.
Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiterverfolgen. Das Landgericht sei zu Unrecht von der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten verwendeten Widerrufsinformation ausgegangen. Es habe den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 26.3.2020, Az. C-66/19) eine Widerrufsinformation wie die vorliegende aufgrund der für den Beginn der Widerrufsfrist angegebenen Kaskadenverweisung nicht hinreichend klar und prägnant sei. Das Landgericht habe die Auffassung vertreten, dass sich die Beklagte auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Widerrufsinformation allerdings nicht hinreichend deutlich hervorgehoben. Sie sei vielmehr im Darlehensvertrag unter einer fortlaufenden Vertragsziffer 11 geführt; eine gegenüber anderen Vertragstexten besondere optische Hervorhebung sei nicht erfolgt, und auch Schriftart und Größe unterschieden sich nicht vom übrigen Vertragstext. Die bloße Umrahmung genüge nicht, zumal eine Passage im Folgetext zusätzlich in Fettdruck umrahmt worden sei. Dieser Umstand lasse die Gesetzlichkeitsfiktion entfallen, so dass die vom EuGH gerügte Unwirksamkeit der Widerrufsinformation durch die Kaskadenverweisung zum Tragen komme.
Ferner habe es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen, die gesetzlichen Pflichtangaben korrekt zu benennen. Sie habe versäumt, im Darlehensvertrag die erforderlichen Angaben zu den geschuldeten monatlichen Ratenzahlungen anzugeben. Zwar habe das Darlehen bei Eintritt der Zuteilungsreife durch einen Bausparvertrag abgelöst und getilgt werden sollen. Die Kläger seien jedoch gleichwohl zur Zahlung von Zinsen verpflichtet gewesen. Gemäß Art. 247 § 3 Nr. 7 EGBGB seien Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen anzugeben. Betrag und Zahl der Raten, die jeweils zum Ultimo eines Monats fällig sein sollen, habe die Beklagte jedoch nicht benannt. Auch vor diesem Hintergrund habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen und sei der im Jahr 2018 erklärte Widerruf wirksam gewesen.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des am 13.3.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken (Az. 1 O 93/19) die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 6.287,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs sei unsubstantiiert. Die Klägerseite interpretiere die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 26.3.2020 falsch.
Auch seien die gesetzlichen Pflichtangaben korrekt benannt. Vorliegend handele es sich um ein Tilgungsaussetzungsdarlehen, welches mit einem Tilgungsersatzinstrument, nämlich dem parallel von den Klägern zu bedienenden Bausparvertrag verknüpft worden sei. Der Kreditvertrag mit der Beklagten und der Bausparvertrag mit der Bausparkasse seien insoweit miteinander verbunden, als es sich bei dem Bausparvertrag um einen Vertrag über eine Zusatzleistung handele.
Die Beklagte sei vor diesem Hintergrund nicht gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB verpflichtet gewesen, die zu zahlenden monatlichen Zinsen als monatliche Rate im Darlehensvertrag zu nennen. Mit der Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB seien nämlich nur monatliche Ratenzahlungen unter gleichzeitigem Einschluss eines Tilgungsanteiles gemeint. Der Begriff der Rate könne schon begrifflich nur in diesem Sinne verstanden werden. Diese Auffassung sei mittlerweile auch in Literatur und Rechtsprechung bestätigt worden. Die vertraglichen Regelungen seien transparent und verständlich. Dass die Kläger für die Zurverfügungstellung des Kapitals monatliche Zinsen in bestimmten Abständen zu zahlen hatten, ergebe sich aus dem Text und der Natur des Darlehensvertrages. Bei einem endfälligen Darlehen, in dem lediglich Zinsraten während der Laufzeit zu erbringen seien, bestehe keine Angabepflicht nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB, eben weil es an "Teilzahlungen" fehle. Da mit dem Bausparvertrag ein weiterer Vertrag mit einer Zusatzleistung vorliege, richteten die Informationspflichten sich nach Art. 247 § 8 EGBGB, wonach die Zeiträume und Bedingungen für die Zahlung der Sollzinsen und der damit verbundenen wiederkehrenden und nicht wiederkehrenden Kosten im Vertrag anzugeben seien, wenn die vom Darlehensnehmer geleisteten Zahlungen nicht der unmittelbaren Darlehenstilgung dienten. Im vorliegenden Fall seien also die Prämienzahlungen für dieses als Teilzahlungen im Sinne des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB anzusehen, soweit die Ansparleistungen durch wiederholte Prämienzahlungen und nicht durch einen kreditfinanzierten Einmalbetrag erfolgt seien. Da im vorliegenden Fall unstreitig eine monatliche Rate von 216 € auf den Bausparvertrag zu zahlen gewesen sei bei einem Zinssatz von 2,85 % p.a., werde auch in dieser Konstellation klar, dass der rechnerische Zinsbetrag auf den Darlehensbetrag von 50.000 € nicht explizit als Zahl genannt werden müsse. Durch die klaren Angaben im Vertrag sei die Höhe des monatlichen Zinsbetrags eindeutig zu errechnen und betrage 50.000 € x 2,85 % p.a. / 12 Monate = 118,75 €. Exakt dieser Betrag finde sich auch wieder im Zins- und Tilgungsplan, der den Klägern ausgehändigt worden sei.
Da unter Ziffer 4 des Darlehensvertrags vereinbart worden sei, dass die Darlehensrückzahlung "im engeren Sinne durch Zuteilung eines Bausparvertrags" unter der dort genannten Nummer erfolgen solle, der bis zum 15.8.2013 laufe, und die Darlehenslaufzeit exakt auf den gleichen Zeitraum vereinbart worden sei, liege der Ausnahmefall des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB vor, wonach abweichend von § 3 Abs. 1 Nr. 7 die Anzahl der Teilleistungen nicht anzugeben sei, wenn die Laufzeit des Darlehensvertrags von dem Zeitpunkt der Zuteilung eines Bausparvertrags abhänge.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 28.2.2020 (Bl. 253 f. d. A.) und des Senats vom 25.3.2021 (Bl. 329 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Oberlandesgericht begründete das Urteil wie folgt:
Die Berufung der Kläger ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO auch begründet. Die Kläger konnten ihre Vertragserklärungen zu dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag Nr. ~3 im November 2018 noch wirksam widerrufen, weil die Widerrufsfrist zu diesem Zeitpunkt mangels ordnungsgemäßer Widerrufsinformation noch nicht abgelaufen war:
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass den Klägern bei Abschluss des Darlehensvertrags im Juli 2013 ein Widerrufsrecht nach Maßgabe des § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB in der zwischen dem 11.6.2010 und dem 12.6.2014 geltenden Fassung zugestanden hat. Das Anlaufen der Widerrufsfrist war gem. § 495 Abs. 2 Satz 1 BGB in der zwischen dem 30.7.2010 und dem 12.6.2014 geltenden Fassung (Art. 229 § 32 Abs. 1, §§ 38, 40 EGBGB) davon abhängig, dass die Kläger die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB und die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB in der seit dem 30.7.2010 geltenden Fassung erhielten. Zu diesen Pflichtangaben gehörte nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB und Art. 247 § 9 Abs. 1 S. 1 und 3 EGBGB auch die Erteilung einer wirksamen Widerrufsinformation (BGH, Urteil vom 22.11.2016 - XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306).
2. Entgegen der Berufungsbegründung ist auch die Annahme des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. auf die gesetzliche Schutzwirkung der Musterwiderrufsinformation berufen könne.
a) Die Widerrufsinformation der Beklagten genügt den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. Sie ist in hervorgehobener und deutlicher Form gestaltet, da der sich auf der dritten Seite der Vertragsurkunde befindliche Text durch Umrahmung von den übrigen vertraglichen Regelungen abgesetzt und darüber hinaus durch Verwendung von Zwischenüberschriften (Widerrufsrecht, Widerrufsfolgen) und einer weiteren Umrahmung innerhalb der Widerrufsinformation übersichtlich gestaltet ist. Drei "Binnenkästen" kennzeichnen die Adresse des Widerrufsempfängers sowie den bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens und Widerruf täglich fällig werdenden Zinsbetrag und den Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs für den Bausparvertrag als besonders wichtige Informationen. Ein situationsadäquat aufmerksamer Verbraucher kann eine so gestaltete Widerrufsbelehrung nicht übersehen. Der Einwand der Berufung, die Widerrufsinformation sei lediglich unter einer fortlaufenden Vertragsziffer 11 geführt, verfängt daher nicht. Die Anforderungen an eine deutlich gestaltete Form können etwa auch durch Fettdruck oder Umrahmung erfüllt werden, ohne dass die Widerrufsinformation ein Alleinstellungsmerkmal erfüllen müsste (Gerlach/Kuhle/Scharm in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reimann, BGB, Stand: 15.8.2020, Art. 247 § 6 EGBGB, Rn. 32). Dem Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB kann ein solches Erfordernis nicht entnommen werden; dort wird lediglich gefordert, dass bestimmte Pflichtangaben "klar und verständlich" sein müssen; dies kann eine Information jedoch ohne weiteres auch ohne grafische Hervorhebung sein (BGH, Urteil vom 23.2.2016 - XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881; Senat, Urteile vom 17.5.2018 - 4 U 22/17, n.v., und vom 6.12.2018 - 4 U 82/17, n.v.). Eine von der Berufung für erforderlich gehaltene weitergehende besondere optische Hervorhebung gegenüber dem übrigen Vertragstext - etwa durch die Verwendung einer anderen Schriftart und -größe - ist damit nicht erforderlich.
b) Die Beklagte hat ferner das gesetzliche Muster ordnungsgemäß verwendet und insbesondere die nach § 359a Abs. 2 BGB a.F. geforderten Gestaltungshinweise umgesetzt. Bei dem Bausparvertrag handelte es sich um einen Vertrag über eine Zusatzleistung, die der Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag geschlossen hat (vgl. Habersack, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 359a Rn. 13). Wie das Landgericht zutreffend und von der Berufung insoweit unangegriffen ausgeführt hat, verunklarte die Bezeichnung "Bausparen" die Widerrufsinformation nicht, nachdem vorliegend nur ein einziger Bausparvertrag abgeschlossen wurde und dieser zudem in dem Vertragsformular konkret bezeichnet war.
c) Ebenfalls ist es unschädlich, dass in dem Unterabschnitt "Widerrufsfolgen" darüber belehrt worden ist, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen hat, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann (Bl. 18 d.A.).
aa) Die Umsetzung dieses Gestaltungshinweises setzt nicht voraus, dass der Darlehensgeber solche Aufwendungen tatsächlich erbracht hat. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses steht noch nicht sicher fest, ob und welche Aufwendungen der Darlehensgeber zu tätigen haben wird. Der Hinweis darf deshalb auch dann erteilt werden, wenn noch gar nicht feststeht, ob ein Erstattungsanspruch des Darlehensgebers besteht. Das entspricht dem Zweck des Gestaltungshinweises nach der Gesetzesbegründung. Danach soll der Verbraucher darüber informiert werden, dass dem Darlehensgeber ein Erstattungsanspruch zustehen kann (BT-Drucks. 17/1394 S. 29). Deshalb darf der Darlehensgeber den Hinweis vorsorglich einfügen, um sich mögliche Erstattungsansprüche vorzubehalten (Senat, Urteil vom 17.5.2018 - 4 U 22/17, n.v.; OLG München, Urteil vom 9.11.2017 - 14 U 465/17, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2018 - 16 U 11/18, juris Rn. 19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 5.4.2020 - 6 U 182/19, juris 26).bb) Unabhängig von der Gesetzlichkeitsfiktion ist der Hinweis zur Erstattungspflicht hinsichtlich etwaiger Aufwendungen der Beklagten gegenüber öffentlichen Stellen auch nicht zu beanstanden, weil damit lediglich die Regelung in § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB wiedergegeben wird, mit der Artikel 14 Absatz 3 b der Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt wurde (BT-Drucks. 16/11643 S. 83). Dieser Zusatz beeinträchtigt die Klarheit und Verständlichkeit der Information unabhängig davon nicht, ob der Darlehensgeber tatsächlich Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat (BGH, Beschluss vom 24.4.2018 - XI ZR 573/17 -, juris). Dies stellt die Berufungsbegründung auch nicht infrage.
d) Schließlich entfällt der Musterschutz auch nicht dadurch, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten die Vorschrift des § 193 BGB abbedungen ist; auch die Ordnungsgemäßheit einer Widerrufsinformation wird dadurch nicht berührt (Senat, Urteil vom 20.2.2020 - 4 U 58/18; BGH, Beschluss vom 3.7.2018 - XI ZR 758/17). Auch dies wird im Berufungsverfahren nicht mehr angezweifelt.
3. Da die Beklagte sich somit auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen kann, können die Kläger auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.3.2020 (C-66/19) für sich fruchtbar machen, wonach eine Widerrufsinformation aufgrund der für den Beginn der Widerrufsfrist angegebenen Kaskadenverweisung keinesfalls hinreichend klar und prägnant sei und somit auch nicht mit der maßgeblichen EU-Richtlinie 2008/48 über Verbraucherkredite im Einklang stehe.
a) Nach der durch den Senat geteilten einhelligen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. Senat, Urteile vom 30.6.2020 - 4 U 70/18, juris; vom 22.10.2020 - 4 U 10/20, n.v. und vom 28.1.2021 - 4 U 7/20, juris) ist eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB, der die Widerrufsinformation bei Verwendung der Musterinformation für ordnungsgemäß erklärt, nicht möglich. Dem stehen die klare gesetzliche Anordnung und das Verbot einer Entscheidung contra legem entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 31.3.2020 - XI ZR 198/19; OLG München, Beschluss vom 30.3.2020 - 32 U 5462/19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 5.4.2020 - 6 U 182/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.5.2020, 6 U 448/19; alle zitiert nach juris; Herresthal, ZIP 2020, 745; Hölldampf, WM 2020, 907; Knoll/Nordholtz, NJW 2020, 1407). Der Gesetzgeber hat den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB (und die Verwendung von Beispielsangaben) mit Gesetzesrang als klare und prägnante Angabe bezüglich des Beginns der Widerrufsfrist vorgegeben; die Regelung in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB, wonach eine Widerrufsinformation, die den Text des Musters verwendet, dem Gesetz entspricht, ist eindeutig und bietet keinen Auslegungsspielraum. Um der Entscheidung des EuGH uneingeschränkte Geltung zu verschaffen, müssten die Gerichte daher gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sowie gegen Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB urteilen, woran sie durch das in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Rechtsstaatsprinzip gehindert sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31.3.2020 - XI ZR 198/19, juris). Die Auslegung des nationalen Rechts darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Das Ziel des Gesetzgebers, durch Verwendung des vorgegebenen Musters Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu erreichen, würde verfehlt, wenn diesem die angeordnete Gesetzlichkeitsfiktion genommen würde. Eine Auslegung, die das vom Gesetzgeber selbst geschaffene Muster für eine Widerrufsinformation als nicht genügend ansehen würde, würde damit eine unzulässige Auslegung contra legem darstellen.
b) Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB i.V.m. Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB bezüglich der Frage des Kaskadenverweises auch nach der im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 26.3.2020 (C-66/19) vorgenommenen Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch seine Entscheidung vom 27.10.2020 (Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 498/19) weiterhin anwendbar ist (Senat, Urteil vom 28.1.2021 - 4 U 7/20, juris).
aa) Auf der Grundlage dieses Urteils des EuGH hat der Bundesgerichtshof im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht festgehalten, wonach ein solcher Verweis klar und verständlich sei (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 498/19, juris Rn. 16). Die nationalen Regelungen in § 492 Abs. 2 BGB und Art. 247 § 6 EGBGB ließen nach ihrem Wortlaut offen, ob und auf welche Weise in der Widerrufsinformation auf die zu erteilenden Pflichtangaben hinzuweisen sei. Nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB müsse dies lediglich klar und verständlich sein. Diese Voraussetzung sei auslegungsfähig, so dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung eine Verweisung auf weitere Rechtvorschriften den Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit nicht genüge (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2020 - XI ZR 498/19, juris Rn. 16 m. w. N.).
bb) Zugleich hat der Bundesgerichtshof im Rahmen seiner geänderten Rechtsprechung aber auch geprüft, ob sich die Darlehensgeberin mit Blick auf ihre Widerrufsbelehrung auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen kann. Dies setze voraus, dass die Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entspreche (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2020 - XI ZR 498/19, juris Rn. 17). In dem Urteil vom 27.10.2020 hat der Bundesgerichtshof dies verneint, weil die dortige Widerrufsinformation unter der Unterüberschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" als mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nicht nur den Fahrzeugkaufvertrag, sondern - zu Unrecht - auch einen Vertrag über eine Restschuldversicherung angegeben habe. Einen solchen Vertrag habe der dortige Kläger jedoch nicht abgeschlossen gehabt. Hierdurch fehle es an der Musterkonformität der Widerrufsinformation (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 498/19, juris Rdn. 18 f).
cc) Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass - ungeachtet der Rechtsprechung des EuGH, der sich nunmehr auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat - jedenfalls die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB i. V. m. Anlage 7 auch in Fällen anwendbar ist, in denen der Sache nach wegen des sog. Kaskadenverweises nicht von einer korrekten Widerrufsinformation auszugehen ist. Jedenfalls in derartigen Fällen beginnt daher die Widerrufsfrist auf Grund der mit dem Muster übereinstimmenden Widerrufsinformation zu laufen.
c) Auf dieser Grundlage hat - wovon auch das Landgericht im Ergebnis ausgegangen ist - die Entscheidung des EuGH vom 26.3.2020 im Streitfall keine Auswirkungen auf die Beurteilung des Kaskadenverweises, weil die Beklagte als Unternehmerin infolge der Verwendung der Musterwiderrufsinformation die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. für sich in Anspruch nehmen kann.
4. Allerdings führt die erstmals in der Berufungsbegründung erhobene Rüge der Kläger zum Erfolg, wonach die Beklagte es unter Verstoß gegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 EGBGB i.V.m. §§ 492 Abs. 2, 495 Abs. 2 Nr. 2b BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) versäumt hat, im Darlehensvertrag den Betrag der monatlichen Teilzahlungen zu benennen.
a) Die Klägerin hat die Rüge betreffend die unzureichenden Angaben der Teilzahlungen in erster Instanz noch nicht erhoben. Sie ist damit jedoch nicht ausgeschlossen, weil die zugrundeliegenden Tatsachen - der Vertragsinhalt - zwischen den Parteien unstreitig sind (vgl. Wulf in: Vorwerk/Wolf, ZPO, Stand: 1.9.2020, § 531 Rn. 8).
b) Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 EGBGB i.V.m. §§ 492 Abs. 2, 495 Abs. 2 Nr. 2b BGB a.F. muss der Verbraucher vor Vertragsschluss über Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen unterrichtet werden. Vorliegend hat die Beklagte unter Ziffer 3.1 der Vertragsurkunde zwar angegeben, dass die Soll-Zinsen (2,86 % p.a.) aus dem jeweiligen Darlehenssaldo berechnet werden und "am Ultimo eines jeden Monats" fällig sind. Ferner ist unter Ziffer 3.2 ein Betrag von monatlich 216 € als vom Verbraucher zu zahlende Kosten bzw. als Nebenleistung aufgeführt (Bl. 16 d.A.). Dies bezieht sich jedoch lediglich auf die Prämie für den zusätzlich abgeschlossenen Bausparvertrag, nicht aber auf die über diesen Betrag hinausgehende, von den Klägern ebenfalls zu erbringende monatliche Zinszahlung, die sich nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien auf 118,75 € belaufen hat (vgl. die Angaben in der Berufungserwiderung Bl. 316 d.A. sowie die Angaben der Kläger in der Klageschrift Bl. 12 d.A.). Zur Höhe der monatlichen Zinszahlungen finden sich überhaupt keine Angaben im Vertragstext.
c) Der Senat vermag sich der Auffassung der Beklagten, mit der Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen nach Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB a.F. seien nicht monatlich zu entrichtende Zinsbeträge zu verstehen, sondern nur monatliche Ratenzahlungen unter gleichzeitigem Einschluss eines Tilgungsanteils, nicht anzuschließen.
aa) Die gesetzliche Formulierung des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB a.F. ist exakt dem Wortlaut des § 502 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.d.F. vom 2.1.2002 nachgebildet, der die erforderlichen Angaben und Rechtsfolgen von Formmängeln bei Teilzahlungsgeschäften regelte (BT-Drucks. 16/11643 S. 124). Der Begriff Teilzahlungen bezieht sich hierbei sowohl auf die Tilgung als auch auf Zinszahlungen (Gerlach/Kuhle/Scharm in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reimann, beck-online Großkommentar zum BGB, Stand: 15.8.2020, Art. 247 § 3 EGBGB, Rn. 17).
bb) Auch der von der Beklagten zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung angeführten Definition des Begriffes der "Rate" durch den Duden Verlag kann nicht zwingend entnommen werden, dass eine Rate schon nach dem allgemeinen Wortgebrauch nicht nur einen in Zeitabständen zu zahlenden Zinsanteil, sondern immer auch einen Tilgungsanteil enthalten müsse.
cc) Die darüber hinaus von der Beklagten zum Beleg ihrer Rechtsauffassung zitierte Literatur (Merz/Rösler, Immobilienfinanzierungen nach neuem Verbraucherkreditrecht, ZIP 2011, 2381, 288, dort Rn. 2.7) überzeugt nicht.
(1) Zwar heißt es dort, dass bei einem endfälligen Darlehen, bei dem während der Vertragslaufzeit lediglich Zinsraten zu erbringen seien, keine Angabepflicht nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB a.F. bestehe, weil es insofern an Teilzahlungen fehle. Bei der Kombination eines endfälligen Immobiliardarlehensvertrags mit einem Tilgungsersatzmittel dürften dagegen die Prämienzahlungen für dieses als Teilzahlungen im Sinne des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB a.F. angesehen werden, soweit die Ansparleistung durch wiederholte Prämienzahlungen und nicht durch einen (kreditfinanzierten) Einmalbetrag erfolge.
(2) Das in dem Aufsatz zum Beleg angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs ist indes nicht zu Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB a.F. ergangen, sondern zu der nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1b Satz 1 VerbrKrG bestehenden Pflicht zur Gesamtbetragsangabe (BGH, Urteil vom 19.2.2008 - XI ZR 23/07, juris Rn. 12). Nach dieser am 31.12.2001 außer Kraft getretenen Vorschrift war bei Krediten mit veränderlichen Bedingungen, die in Teilzahlungen getilgt werden, ein Gesamtbetrag anzugeben, und zwar auf der Grundlage der bei Abschluss des Vertrages maßgeblichen Kreditbedingungen. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung auf den "eindeutigen" Wortlaut von § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1b Satz 2 VerbrKrG verwiesen, wonach eine Pflicht zur Gesamtbetragsangabe nur dann bestehe, wenn die Tilgung des Kredits in Teilzahlungen erfolge. Demgemäß kämen, so der Bundesgerichtshof, als Tilgungsersatz nur mehrere Zahlungen auf einen Ansparvertrag in Betracht, die aus der Sicht des Verbrauchers wirtschaftlich gesehen Tilgungsleistungen gleichstünden. Derartige Zahlungen seien nach dem dort streitgegenständlichen Anlagekonzept jedoch nicht vorgesehen. Die Ansparleistung sei vielmehr durch die Einmalzahlung in die Tilgungsversicherung erfolgt, durch die der Grundstock für die spätere Versicherungsleistung gelegt worden sei (BGH, Urteil vom 19.2.2008 - XI ZR 23/07, juris Rn.16).
(3) Dies ist auf die vorliegende Vertragsgestaltung schon deshalb nicht übertragbar, weil nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1b Satz 1 VerbrKrG lediglich der "Gesamtbetrag aller vom Verbraucher zur Tilgung des Kredits sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen" anzugeben war, während nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB "Betrag, Zahl und Fälligkeit der Teilzahlungen" zu benennen sind. Der "Gesamtbetrag" ist dagegen in Nr. 8 gesondert aufgeführt und seine Benennung war im vorliegenden Fall gem. Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der zwischen dem 11.6.2010 und 20.3.2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) entbehrlich. Die gesetzliche Formulierung der Nr. 7 entspricht indes exakt dem Wortlaut des oben erwähnten § 502 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.d.F. vom 2.1.2002.
dd) Daher vermag sich der Senat im vorliegenden Fall auch nicht dem von der Beklagten in Bezug genommenen, nicht veröffentlichten Urteil des Landgerichts Kassel vom 12.4.2019 - 4 O 2039/16, Anlage BB1, Bl. 317 ff. d.A.) anzuschließen. Im dortigen Fall wurde es bei einem endfälligen Darlehen, bei dem der Darlehensnehmer während der Laufzeit nur die anfallenden Zinsen zahlte und nach der Vertragslaufzeit den vollständigen Darlehensbetrag zurückzuzahlen hatte, für ausreichend erachtet, dass in der Vertragsurkunde nur die Höhe des am Monatsletzten zu zahlenden Zinsbetrags mit 3,5 % angegeben waren. Offenbar erfolgte die Finanzierung ebenfalls durch den Abschluss eines Bausparvertrags, da in der Vertragsurkunde weiterhin ein monatlicher Bausparbeitrag von 298 € genannt wurde (Bl. 319 d.A.). Allerdings hat das Landgericht Kassel in dem genannten Urteil - zumindest auch - maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Darlehensnehmer im Vertrag der voraussichtliche Gesamtbetrag genannt und damit verdeutlicht wurde, welche Belastungen auf ihn zukämen (Bl. 324 d.A.). Im hier streitgegenständlichen Vertrag waren jedoch lediglich der Nettodarlehensbetrag, der festgeschriebene Zinssatz und die monatlich auf den Bausparvertrag zu zahlende Prämie angegeben. Damit war es für die Kläger gerade nicht ersichtlich, welche monatlichen Belastungen entstanden.
ee) Gleiches gilt im Ergebnis für das von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichte, ebenfalls nicht veröffentlichte Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16.10.2020 - Az. 330 O 79/20 (Bl. 336 ff. d.A.). In dieser Entscheidung wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass der Darlehensnehmer zunächst nur die Zinsen zu zahlen gehabt habe, deren Höhe festgeschrieben gewesen sei und sich aus den Darlehensverträgen ergeben hätte. Da diese Zinsbelastung ab Auszahlung immer auf den vollen Darlehensbetrag errechnet und daher bis zum Ende der Zinsbindungsfrist gleich geblieben sei, habe der Darlehensnehmer die von ihm zu erbringenden Leistungen aus dem Vertrag gut nachvollziehen können. Der Gesetzeszweck des Art. 247 § 3 Nr. 7 EGBG, dem Verbraucher die von ihm zu übernehmende Belastung konkret vor Augen zu führen, sei damit gewahrt. Im Übrigen hätte das Darlehen auch in Teilbeträgen ausgezahlt werden können, so dass die gesamte Höhe der monatlichen Zinszahlung im Darlehensvertrag gar nicht im Voraus hätte angegeben werden können. Ungeachtet dessen, dass sich der sehr knapp gehaltenen Entscheidung der genaue Vertragsinhalt im dort zu entscheidenden Fall nicht entnehmen lässt, kann vorliegend gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger die von ihnen zu erbringenden Leistungen aus dem Vertrag ersehen konnten. Der monatlich an Darlehenszinsen zu zahlende Betrag ergab sich unstreitig nicht aus dem Vertrag, in dem lediglich die auf den Bausparvertrag zu zahlende Prämie von 216 € genannt wurde. Auch eine etwaige Nennung der monatlichen Zinszahlungen in dem den Klägern ausgehändigten Zins- und Tilgungsplan würde den gesetzlichen Vorgaben nicht genügen, da die Angaben im Vertrag selbst gemacht werden müssen.
ff) Für die vom Senat vertretene Auslegung spricht auch der gesetzliche Regelungszusammenhang: In Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB heißt es: "Abweichend von § 3 Abs. 1 Nr. 7 ist die Anzahl der Teilleistungen nicht anzugeben, wenn die Laufzeit des Darlehensvertrags von dem Zeitpunkt der Zuteilung eines Bausparvertrags abhängt." In all diesen Fällen eines Vorfinanzierungskredits zu einem Bauspardarlehen mit ungewissem Zuteilungsdatum erfolgen typischerweise vor der Zuteilung keine Tilgungsleistungen. "Teilzahlungen" würden sich also immer (nur) auf Zinsleistungen beziehen.
gg) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der streitgegenständliche Darlehensvertrag der genannten Ausnahmeregelung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB (früher: Art. 247 § 9 Abs. 2 a.F.) deshalb unterfiele, weil unter Ziffer 4 des Darlehensvertrags vereinbart worden sei, dass die Darlehensrückzahlung "im engeren Sinne durch Zuteilung eines Bausparvertrags" unter der dort genannten Nummer erfolgte, der bis zum 15.8.2013 laufen sollte, und die Darlehenslaufzeit exakt auf den gleichen Zeitraum vereinbart sei. Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass sich Bausparkassen nach den Vorgaben des § 4 Abs. 5 BauSparkG vor Zuteilung eines Bausparvertrages nicht verpflichten dürfen, die Bausparsumme zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuzahlen. Damit darf der Zeitpunkt der Zuteilungsreife nicht im Voraus festgelegt werden, so dass auch die korrelierende Vorhersage der Anzahl an hierfür erforderlichen Teilzahlungen unterbleiben soll (Gerlach/Kuhle/Scharm in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reimann, beck-online Großkommentar zum BGB, Stand: 15.8.2020, Art. 247 § 6 EGBGB, Rn. 26; Weber in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 247 § 6 EGBGB Rn. 9; BT-Drucks. 16/11643 S. 130). Im Streitfall war jedoch in Ziffer 4 des Darlehensvertrags die Laufzeit des Darlehens von vornherein ausdrücklich bestimmt, nämlich bis zum 15.8.2013. Sie hing damit gerade nicht von der Zuteilungsreife eines Bausparvertrags ab. Im Übrigen entbindet die Regelung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB bzw. Art. 247 § 9 Abs. 2 EGBGB a.F. nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut lediglich von der Angabe der Anzahl der Teilzahlungen, nicht jedoch - wie in § 3 Abs. 1 Nr. 7 ebenfalls gefordert - von der Benennung des Betrags und der Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen. Diese Angaben sind auch dann möglich und gesetzlich vorgeschrieben, wenn die Darlehensrückzahlung durch die Zuteilung eines Bausparvertrags erfolgt.
hh) Auch angesichts des Zwecks der Informationspflicht erscheint es kaum nachvollziehbar, warum das Informationsbedürfnis des Verbrauchers sich nur auf solche monatliche Belastungen beziehen sollte, die sich aus Zins und Tilgung zusammensetzen. Denn dem Darlehensnehmer sollen vollständige und zutreffende Informationen gegeben werden, auf deren Grundlage er in die Lage versetzt werden soll, zuverlässig zu beurteilen und zu entscheiden, ob der Vertrag seinen Bedürfnissen entspricht und mit seinen finanziellen Verhältnissen verträglich ist. Hierfür erscheint es evident relevant, Anzahl und Betrag der monatlichen Darlehenszinsen (vorliegend 118,75 €) zu kennen, da sich die faktische monatliche finanzielle Belastung nicht ausschließlich an der zu erbringenden Bausparprämie (vorliegend 216 €) orientiert, sondern an den von dem Verbraucher insgesamt zu erbringenden Zahlungen unter Einschluss der Darlehenszinsen.
5. Dies führt dazu, dass die Kläger ihre Vertragserklärungen zum streitgegenständlichen Darlehensvertrag noch im Jahr 2018 wirksam widerrufen konnten. Durch den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages wandelt sich dieser grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft - ex nunc - in ein Rückgewährschuldverhältnis um (BGH, Urteil vom 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123; Beschluss vom 12.1.2016 - XI ZR 366/15, NJW 2016, 2428). Allein nach diesem Rückgewährschuldverhältnis - nicht nach dem zugrundeliegenden Verbraucherdarlehensvertrag - bestimmen sich die von den Parteien nunmehr wechselseitig geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche (BGH NJW 2016, 2428). Danach schulden die Kläger der Beklagten gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung sowie gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta; dem gegenüber stehen Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte auf Herausgabe der von den Klägern empfangenen Zins- und Tilgungsleistungen zzgl. von ihnen gezogener Nutzungen (§ 346 Abs. 1 BGB; BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441; NJW 2016, 2428; Urteil vom 25. April 2017 - XI ZR 573/15, WM 2017, 1004). Vorliegend war das Darlehen zum Zeitpunkt des Widerrufs indes bereits abgelöst und die Höhe des Klagebetrags steht wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren außer Streit. Hiernach können die Kläger die Rückzahlung der von ihnen in Höhe von 5.962,50 € geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung sowie Zahlung des von ihnen errechneten Nutzungsersatzes für die während der Vertragslaufzeit gezahlten Zinsleistungen in Höhe von 325 € verlangen. Unstreitig haben die Kläger über die Laufzeit des Darlehens fortlaufend monatliche Darlehensraten in Höhe von jeweils 118,75 € entrichtet. Diese sind mit einer Verzinsung von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu erstatten (BGH, Urteil vom 10.3.2009 - XI ZR 33/08, juris Rn. 29). Die Kläger haben unwidersprochen vorgetragen, dass ihnen unter Beachtung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs ein Erstattungsanspruch in Höhe von (mindestens) 325 € zustehe. Hieraus folgt ein Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 6.287,50 €, sodass die Klage in vollem Umfang Erfolg hat.
6. Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten. Die Beklagte ist nach Ablauf der in dem anwaltlichen Schreiben vom 11.1.2019 (Anlage K 13, Bl. 68 ff. d.A.) bis zum 31.1.2019 gesetzten Frist zur Zahlung des Klagebetrags in Verzug geraten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Das Landgericht Ravensburg hat mit Urteil vom 23.08.2022 (Aktenzeichen: 2 O 212/21) einem Verbraucher ermöglicht, ein 2016 finanzierten Hyundai i30 wegen Widerrufs des Darlehensvertrages zurückzugeben. Der Kläger schuldet der Bank Anspruch auf Wertersatz für den eingetretenen Wertverlust, soweit dieser auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger schloss mit der beklagten Bank am 22.03.2016 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 9.402,- €, der zweckgebunden dem Kauf eines Kraftfahrzeugs Hyundai i30 zur privaten Nutzung diente. Der Kaufpreis belief sich auf einen Betrag von 14.280,- €. Der Kläger leistete eine Anzahlung von 5.280,- € an die Verkäuferin und finanzierte den restlichen Betrag von 9.000,- € und eine Restschuldversicherungsprämie von 402,- € über das vorgenannte Darlehen. Die Beklagte bediente sich bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung der Verkäuferin als Darlehensvermittlerin. Vereinbart wurde im Darlehensvertrag weiter, dass der Kläger die Darlehenssumme von 9.836,87 € (Nettodarlehensbetrag von 9.402,- € zuzüglich Zinsen von 434,87 €) ab 15.05.2016 mittels einer Rate von 246,87 und 35 gleichbleibenden Monatsraten in Höhe von jeweils 274,- € zurückzuzahlen hat. Der Kläger hat sämtliche vorgenannten Ratenzahlungen erbracht.
Mit Schreiben vom 01.03.2021 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung.
Das Landgericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
Der Zahlungsantrag des Klägers gem. Klageantrag Ziff. 1 ist in Höhe von 14.714,87 € begründet.
1. Der Darlehensvertrag hat sich durch die Widerrufserklärung des Klägers vom 01.03.2021 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet.
a) Der Widerruf ist nicht verfristet, da die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB über die im Fall des Verzuges anfallenden Verzugszinsen informiert hat.
Nach dem Urteil des EuGH vom 09.09.2021 - C-33/20, C-155/20, C-187-20 - (dort Tenor Ziff. 3 Satz 1 und Rn. 93) muss der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages geltende Verzugszinssatz im Kreditvertrag konkret in Form eines Prozentsatzes angegeben werden. Die Verweisung auf andere Vorschriften, aus denen sich dann der Verzugszinssatz entnehmen lässt, genügt nicht.
Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung ist Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB daher so zu verstehen, dass im Darlehensvertrag der bei Vertragsabschluss geltende Verzugszinssatz als konkreter Prozentsatz anzugeben ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2021 - 6 U 32/19 -, juris Rn. 25 ff).
Im vorliegenden Fall wird im Darlehensvertrag in Ziff. 13 der Allgemeinen Darlehensbedingungen über den gesetzlichen Verzugszinssatz nicht informiert. Es wird zwar erklärt, während der Vertragslaufzeit würden keine Verzugszinsen berechnet. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Beklagte nach Vertragsende sehr wohl Verzugszinsen berechnen kann, so dass über die konkrete Höhe des Zinssatzes im Darlehensvertrag zu informieren gewesen wäre.
Dies hat zur Folge, dass die in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelte Widerrufsfrist nicht begonnen hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2021 - 6 U 32/19 -, juris Rn. 36). Denn nach § 356b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Frist nicht zu laufen, wenn die Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB im Kreditvertrag nicht vollständig enthalten sind oder die Angaben nachgeholt worden sind.
b) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf die Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts. In dem Urteil vom 09.09.2021 (C-33/20, C-155/20 und C-187/20) hat der EuGH entschieden, dass es dem Kreditgeber verwehrt ist, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß dieser Bestimmung durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat (Urteilstenor Ziff. 6). In der Urteilsbegründung wird dazu ausgeführt, dass die RL 2008/48 keine zeitliche Beschränkung der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher für den Fall vorsieht, dass ihm diese Informationen nicht erteilt wurden, und dass eine solche Beschränkung mithin auch nicht in einem Mitgliedstaat durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden kann (EuGH, Urteil vom 09.09.2021, C-33/20 u.a., Rn. 117).
Dadurch ist klargestellt, dass eine Dispositionsbefugnis der Mitgliedstaaten für die Annahme einer Verwirkung bei nicht ausreichender Information des Verbrauchers nicht besteht. Ausgehend von dieser Prämisse hat es sich für den EuGH erübrigt, auch auf die Umstände einzugehen, nach denen im Rahmen des Unionsrechts eine Verwirkung nach nationalem Recht zulässig sein könnte (Knops, WM 2021, 2169).
Der Meinung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 12.10.2021 - 6 U 715/19 - juris Rn. 97 ff.), es bestünden weiterhin Zweifel, ob das Widerrufsrecht bei beiderseitig erfüllten Verträgen verwirkt sein kann, da eine Verwirkung nicht nur ein Zeitmoment, sondern auch ein Umstandsmoment voraussetzt, kann daher nicht beigetreten werden. Die Entscheidung des EuGH ist in diesem Punkt klar und eindeutig (acte éclairé). Zwei der vorgelegten Fälle, die dem Urteil des EuGH vom 09.09.2021 zugrunde liegen (nämlich LG Ravensburg Az. 2 O 280/19 - und - Az. 2 O 334/19 - im Verfahren des EuGH Az. C-155/20) waren gerade solche beiderseitig erfüllten Verträge, so dass sich der EuGH entsprechend geäußert hätte, wenn nach seiner Auffassung in diesen Fällen ausnahmsweise eine Dispositionsbefugnis der Nationalstaaten bestehen sollte.
c) Dem Widerruf steht auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.
33Nach der aktuellen ständigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH kann zwar eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts auch dann in Betracht kommen, wenn der Verbraucher nicht alle Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB im Darlehensvertrag erhalten hat und auch nicht nachträglich belehrt wurde (BGH, Urteil vom 16.10.2018 - XI ZR 69/18, juris Rn. 17 ff.)
Durch das Urteil des EuGH vom 09.09.2021 (Tenor Ziff. 7 und Rn. 127) ist dieser nationalen Rechtsprechung aber die Grundlage entzogen. Nach dem Urteil des EuGH kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht in Betracht, soweit die zwingenden Angaben gem. Art. 10 Abs. 2 RL 2008/48/EG nicht vollständig im Vertrag oder nachträglich erteilt worden sind. Der EuGH begründet dies mit dem Zweck des Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b) RL 2008/48/EG, nämlich sicherzustellen, dass der Verbraucher alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung zu beurteilen, und den Kreditgeber, der diese Informationen nicht erteilt, zu bestrafen (a.a.O. Rn. 124 f.).
Nach diesen Grundsätzen ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nach nationalem Recht kein Raum, da die Angaben gem. § 492 Abs. 2, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB (die den zwingenden Angaben gem. Art. 10 Abs. 2 RL 2008/48/EG entsprechen) nicht vollständig erteilt worden sind (siehe oben a)).
2. Nachdem der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden ist, steht dem Kläger gem. §§ 355 Abs. 3, 357a Abs. 1 a. F., 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der an die Beklagte bis zum Widerruf geleisteten Darlehensraten in Höhe von 9.836,87 € zu.
Ein Anspruch besteht auch hinsichtlich der aus eigenen Mitteln des Klägers an das Autohaus geleisteten Anzahlung in Höhe von 5.280,- €, da nach dem Zweck des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB die Rückabwicklung ausschließlich zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber erfolgen soll (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08 -, juris Rn. 27; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 358 Rn. 21).
3. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Beträge von insgesamt 15.116,87 € ist gem. § 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten (die allerdings, obwohl als „unbedingte Aufrechnung bezeichnet, eine Hilfsaufrechnung ist, da die Beklagte weiterhin dem Widerruf entgegentritt) mit dem Anspruch auf Wertersatz gem. § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB a. F. für die vollständig in Anspruch genommenen Versicherungsdienstleistungen im Wert von 402,- € erloschen. Denn infolge der Erstreckung des Widerrufs auf die Restschuldversicherung erfolgt eine Berechnung des Rückzahlungsanspruchs des Verbrauchers unter Abzug der „verbrauchten“ Versicherungsprämie (OLG Schleswig WM 2010, 1074, 1076; LG Bremen WM 2009, 2215 Rn 29; Knops ZIP 2010, 1268; Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 14.06.2022, § 358 Rn. 208).
Der Wert der vom Kläger vollständig in Anspruch genommenen Versicherungsdienstleistungen ergibt sich aus dem dafür vertraglich vereinbarten Betrag von 402,- €.
Nach Aufrechnung verbleibt ein von der Beklagten zu erstattender Betrag von 14.714,87 €.
4. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Beträge erlischt jedoch nicht durch die weitere Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Darlehenszinsen in Höhe von 434,87, da eine solche Forderung nicht besteht.
Bei Rückabwicklung eines Darlehensvertrags, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist, besteht kein Anspruch aus §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. auf Verzinsung des Darlehens (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2021 - 9 U 107/19, juris Rn. 83 ff.).
Nach feststehender höchstrichterlicher Rechtsprechung und einhelliger Meinung in der Literatur (BGH, Urteil vom 17.09.1996 - X ZR 164/95 - juris Rn. 15, 17; Grüneberg/ Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 358 Rn. 1) kann der Darlehensgeber bei einem darlehensfinanzierten Kauf das Darlehenskapital nach Widerruf des Darlehens vom Darlehensnehmer nicht zurückfordern. Denn bei der Prüfung, was der Darlehensnehmer nach dem Widerruf als empfangene Leistung zurückzugewähren hat, kommt dem Schutzzweck der Widerrufsregelung entscheidende Bedeutung zu. Der Käufer/Darlehensnehmer soll innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen entscheiden können, ob er an seinen Verpflichtungserklärungen festhalten will oder nicht. Dieser Schutzzweck würde gefährdet, wenn der widerrufende Verbraucher dem Darlehensgeber den - dem Verkäufer zugeflossenen - Kreditbetrag erstatten müsste und selbst das Risiko der Anspruchsdurchsetzung gegen den Verkäufer tragen müsste (BGH, a.a.O., juris Rn. 15, 17 m. w. Nachw.).
Die gleichen Erwägungen müssen aber auch für die Verzinsung des Darlehens gelten. Auch insoweit erfordert der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dass der Darlehensnehmer solchen Ansprüchen des Darlehensgebers nicht ausgesetzt ist, ansonsten hätte er nämlich ein Regressrisiko gegenüber dem Verkäufer der finanzierten Sache. Er würde also bei der Rückabwicklung der beiden Verträge, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, zunächst doppelt zur Kasse gebeten (nämlich für den Wertersatz für das Fahrzeug und für die Zinsen aus dem Darlehen) und müsste bei dem Verkäufer, der das Darlehen (in Form des Kaufpreises) empfangen hat und daraus Nutzungen ziehen konnte, mit ungewissem Ausgang wegen dieser Nutzungen Regress nehmen. Eine solche Abwicklung würde auch unnötigerweise den Aufwand der Rückabwicklung in diesem Dreiecksverhältnis steigern, denn die Bank müsste vom Verkäufer das Darlehen zurückfordern, und der Verbraucher die Zinsen. Bei Ablehnung der Rückerstattung durch den Verkäufer müssten dann parallel zwei Prozesse geführt werden.
Aus § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. (in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung, identisch mit § 357b Abs. 3 Satz 1 BGB n. F.) ergibt sich nichts Anderes, denn diese Regelung ist auf den Normalfall eines Darlehens zugeschnitten und nicht auf den Sonderfall eines darlehensfinanzierten Kaufs, bei dem Kauf- und Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine restriktive Auslegung ist insoweit geboten.
Auch kann aus § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB kein Umkehrschluss gezogen werden, dass bei einem Widerruf des Darlehensvertrags gem. § 358 Abs. 2 BGB die Darlehenszinsen vom Darlehensnehmer zu zahlen sind, denn aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber bei einem darlehensfinanzierten Kauf den Fall des Widerrufs des Kaufvertrags gegenüber dem Fall des Widerrufs des Darlehensvertrags unterschiedlich behandeln wollte (Wildemann, VuR 2011, 55). Soweit die Gegenauffassung einen Darlehenszinsanspruch bejaht (Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 14.06.2022, § 358 Rn 204.2), wird der Schutzzweck des Widerrufsrechts bei verbundenen Verträgen ausgeblendet. Wenn dabei nebulös der Gerechtigkeitsgehalt des § 358 Abs. 4 Satz 4 BGB als „systemfremder“ Vorschrift bezweifelt und auf den grundlegenden Gerechtigkeitsgehalt eines Bereicherungsausgleichs verwiesen wird (Staudinger/Herresthal, a.a.O. Rn. 207), bleibt unberücksichtigt, dass der Darlehensnehmer die Nutzungen aus dem Darlehen nicht ziehen kann (sondern nur der Verkäufer, der den Darlehensbetrag erhält), und dass der Darlehensnehmer daher auch nicht bereichert ist.
Auch aus Art. 14 Abs. 3 der Verbraucherkreditrichtlinie RL 2008/48/EG folgt nichts Anderes (a. A. Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 14.06.2022, § 358 Rn. 204.1 und 207.4; Rosenkranz/Beck-OGK-BGB, Stand 01.01.2022, § 358 Rn. 119.2). Soweit Art. 14 Abs. 3 lit. b) RL 2008/48/EG anordnet, dass der Verbraucher das Darlehen einschließlich der „ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen“ zurückzuzahlen hat, ist der Normalfall gemeint, dass der Kreditnehmer den Kredit ausgezahlt bekommt und für eigene Zwecke nutzt, und nicht der Sonderfall des mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrags. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unionsgesetzgeber dem nationalen Gesetzgeber auch für diese Sonderkonstellation eine konkrete Vorgabe für die Rückabwicklung der beiden Verträge machen wollte. Die Richtlinie regelt überhaupt nicht, welche Folgen der Widerruf des Kreditvertrags für einen verbundenen Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen hat (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 15.07.2021, C-155/20, Celex-Nr. 62020CC0155, Rz. 126). In der Richtlinie ist nicht einmal geregelt, dass der verbundene Vertrag für den Fall des Widerrufs des Darlehensvertrags unwirksam ist, geschweige denn die Rückabwicklung selbst. Art. 15 Abs. 1 RL 2008/48/EG bestimmt nur für den umgekehrten Fall des Widerrufs des verbundenen Vertrags, dass damit auch der Kreditvertrag unwirksam ist, aber auch hier ist die Rückabwicklung nicht geregelt. Der nationale Gesetzgeber kann daher für die Sonderkonstellation des Widerrufs unter Beachtung des Schutzzwecks des Widerrufsrechts eine von Art. 14 Abs. 3 lit b) RL 2008/48/EG eine abweichende Regelung treffen. Wie oben erörtert, gebietet es der Schutzzweck des Widerrufsrechts sogar, den Verbraucher bei der Rückabwicklung im Dreiecksverhältnis nicht zunächst doppelt zu belasten, indem ihm das Risiko der Durchsetzung eines Regressanspruchs zugeschoben wird.
II.
Der Klageantrag Ziff. 2 ist begründet. Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug.
Zwar hat der Kläger der Beklagten das Fahrzeug nicht tatsächlich im Sinne des § 294 BGB angeboten. Denn nach aktueller Rechtsprechung des BGH muss die Übergabe des Fahrzeugs nach § 357 Abs. 4 BGB grundsätzlich als Vorleistung in Form der Übergabe am Geschäftssitz der Beklagten (BGH, Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 498/19 -, juris Rn. 22 ff.) erfolgen.
50Der Kläger hat der Beklagten allerdings mit Schreiben vom 06.08.2021 (Anlage K 4) die Übergabe des Fahrzeugs an der von der Beklagten gewünschten Adresse angeboten. Ein wörtliches Angebot genügt gem. § 295 BGB, wenn der Gläubiger die Annahme endgültig abgelehnt hat. In dem vorprozessualen Verhalten und auch im Prozessverhalten der Beklagten ist vorliegend eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Annahme zu erblicken (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2019 - 16 U 102/18- juris Rn. 28). Denn die Beklagte ist dem Widerruf mit Schreiben vom 09.03.2021 entgegengetreten, genauso in der Klagerwiderung. Die gleichzeitig erklärte Bereitschaft der Beklagten, das Fahrzeug anzunehmen, ist unbeachtlich. Eine wirksame Annahmeerklärung setzt jedoch voraus, dass der Gläubiger, der die Vorleistung ernsthaft haben will, anschließend bereit ist, die ihm nach Erfüllung der Vorleistung obliegende Gegenleistung zu erbringen, ohne den Widerruf weiterhin gerichtlich in Frage zu stellen. Die Zurückweisung des Widerrufs und eine gleichzeitige Annahmeerklärung schließen sich aus.
III.
Der Kläger hat außerdem einen Anspruch gem. Klageantrag Ziff. 3 auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Beklagte hat den Widerruf des Klägers gem. Schreiben vom 09.03.2021 entgegen der Rechtslage nicht akzeptiert und hat wegen dieser Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB für einzustehen, dass der Kläger zur Rechtsdurchsetzung einen Rechtsanwalt beauftragen musste. Die Beklagte hat den Kläger daher von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.134,86 € freizustellen (1,3-Geschäftsgebühr aus dem Streitwert von 15.116,87 €).
IV.
Der Widerklageantrag Ziff. 1 ist begründet, denn nach Widerruf ist der Kläger zur Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet.
V.
Die hilfsweise erhobene Feststellungswiderklage (Widerklageantrag Ziff. 3) ist ebenfalls begründet, da der Beklagten ein Wertersatzanspruch gem. §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB dem Grunde nach zusteht, limitiert allerdings durch die bereits im Gesetz enthaltene Einschränkung, dass der Wertverlust auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen sein muss, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war. Die Beklagte hat außerdem keinen Anspruch auf Feststellung der Wertersatzpflicht, soweit dies künftige Wertminderungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung betrifft. Insoweit steht die Wertersatzpflicht dem Grunde nach noch nicht fest.
Möglich ist beispielsweise, dass das Fahrzeug verkauft wird. Schließlich kann auch nur dem Grunde nach über die Ersatzpflicht befunden werden, die Feststellung der Berechnungsfaktoren bleibt dem Verfahren über die Höhe des Wertersatzanspruchs vorbehalten.
VI.
Für die Einräumung des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2022 beantragten Schriftsatzrechts gibt es keinen Grund. Es ist seit dem Schriftsatz der Beklagten vom 05.05.2022 keinerlei weiterer Vortrag der Beklagten eingegangen, zu dem der Kläger noch ein Äußerungsrecht gebraucht hätte. Der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, dass der Widerklageantrag Ziff. 1 für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs begründet sein dürfte, hat auch kein Schriftsatzrecht ausgelöst.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Mit Urteil vom 02.11.2021 (Aktenzeichen: 6 U 32/19) hat das Oberlandesgericht Stuttgart als erstes Obergericht in Deutschland die neue Rechtsprechung des EuGH in dessen Urteil vom 09.09.2021 angewendet und ein erstinstanzliches klageabweisendes Urteil gegen einen Verbraucher aufgehoben.
Dem Urteil des OLG Stuttgart lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 24.7.2014 kam mit der beklagten Bank ein Darlehensvertrag zustande. Der Nettodarlehensbetrag in Höhe von 28.900,00 € diente der Klägerin zur teilweisen Finanzierung des Kaufs eines Fahrzeugs der Marke M. bei der T. GmbH zu einem Preis von 41.400,00 €. Den nicht finanzierten Teil des Kaufpreises (12.500,00 €) leistete die Klägerin als Anzahlung an die Verkäuferin. Vor Ende der Laufzeit erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4.7.2018 den Widerruf ihrer Vertragserklärung.
Der Darlehensvertrag wurde im Juli 2018 widerrufen.
Das Landgericht hat die auf Leistung gerichteten Anträge der Klägerin abgewiesen, weil die Widerrufsfrist im Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits abgelaufen gewesen sei.
Die zulässige Berufung der Klägerin hiergegen hatte weitgehend Erfolg:
18
1.
Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1 EGBGB finden die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in ihrer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Juli 2014 gültigen Fassung Anwendung. Zitierungen von BGB und EGBGB im Folgenden beziehen sich auf die Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt.
192. Der Klägerin stand gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB ein Widerrufsrecht zu, das sie noch im Jahr 2018 ausüben konnte. Denn der vorliegende Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 Abs. 1 BGB) enthielt entgegen § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Nr. 11 EGBGB keine ausreichenden Angaben zur Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes, was gemäß § 356b Abs. 1 BGB zur Folge hat, dass die Frist für den Widerruf nicht begonnen hat.
20
Das Revisionsurteil enthält zu dieser Frage keine Vorgaben, die der Entscheidung nach § 563 Abs. 2 ZPO zugrunde zu legen wären. Auf die Beurteilung der Widerrufsinformation und die durch das Revisionsurteil aufgeworfene Frage, ob es rechtsmissbräuchlich ist, wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass die Gesetzlichkeitsfiktion nicht eingreift, kommt es nicht mehr an. Ebenso kann offen bleiben, ob die weiteren Angaben im Vertrag den Vorgaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB genügen.
21
a) Im Geltungsbereich der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (Verbraucherkreditrichtlinie) ist Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB dahin richtlinienkonform auszulegen, dass zur erforderlichen Beschreibung des Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes ein Verweis auf den Basiszinssatz nicht ausreichend ist, wenn nicht die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes im Vertrag angegeben wird.
22
aa) Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB, wonach der (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrag den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung enthalten muss, ist richtlinienkonform auszulegen.
23
Da der vorliegende Darlehensvertrag in den Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie fällt, ist der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten, nach dem alle im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anzuwenden sind, um die Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten. Dabei bestehen Schranken, die sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Insbesondere darf die unionsrechtskonforme Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-882/19 -, Rn. 72, juris; EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12 -, Rn. 44 f. juris; EuGH, Urteil vom 29. Juni 2017 - C-579/15 -, Rn. 33, juris; BGH, Urteil vom 3. Juli 2018 - XI ZR 702/16 -, Rn. 13, juris).
24
Bei Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB besteht ein Spielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung. Der im Vertrag anzugebende Verzugszins beträgt gemäß §§ 497 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, wobei sich der in § 247 Abs. 1 S. 1 BGB angegebene Basiszinssatz von 3,62% seit dem Inkrafttreten der Norm am 1.1.2002 jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres nach Maßgabe des § 247 Abs. 1 S. 2 BGB ändert. Ob es Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB genügt, wenn der Darlehensgeber den Verzugszinssatz und seine Anpassung lediglich durch Wiedergabe der abstrakten Regelung in § 288 Abs. 1 S. 2 BGB beschreibt oder ob er den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatz ausrechnen und im Vertrag konkret beziffert als Prozentsatz angeben und die Anpassung nach § 247 Abs. 1 S. 1 BGB näher beschreiben muss, ist nach dem Wortlaut, der Systematik der Entstehungsgeschichte und den Zwecken des Gesetzes nicht in einer Weise eindeutig, die keinen Auslegungsspielraum ließe. Der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie (BT-Drucks. 16/11643) gibt keinen weiteren Aufschluss, vielmehr beschränkt sich die Begründung auf den Hinweis, dass Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB der Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie diene (BT-Drucks. 16/11643, S. 124). Angesichts des bestehenden Auslegungsspielraums ist eine richtlinienkonforme Auslegung geboten.
25
bb) Der Europäische Gerichtshofs hat im Urteil vom 9. September 2021 - C-33/20, C-155/20 und C-187/20 - zu den hier aufgeworfenen Auslegungsfragen entschieden, „dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der RL 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.“
26
b) Dem genügen die Angaben im vorliegenden Vertrag, die sich auf den Hinweis beschränken, dass der Verzugszinssatz fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, nicht.
27
Angesichts der Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 15. Juli 2021 in den Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20 spricht viel dafür, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs dahin zu verstehen ist, dass es mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Verbraucherkreditrichtlinie und in richtlinienkonformer Auslegung auch mit Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB nicht zu vereinbaren ist, wenn der Darlehensgeber den Verzugszinssatz im Vertrag lediglich abstrakt als variablen Zinssatz beschreibt, ohne den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret geltenden Verzugszins als Prozentsatz beziffert anzugeben.
28
Ob demgegenüber die Auffassung der Beklagten zutrifft, Leitsatz Ziff. 3 sowie Rn. 93 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 sei zu entnehmen, dass der bei Abschlusses des Vertrages geltende Verzugszinssatzes nicht in Form eines bezifferten Prozentsatzes angegeben werden müsse, wenn der Verzugszinssatz - wie in § 288 Abs. 1 S. 2 BGB - variabel ausgestaltet ist, kann jedoch dahinstehen, denn jedenfalls hat es die Beklagte versäumt, die Häufigkeit der Änderung des Basiszinssatzes im Vertrag zu beschreiben. Insoweit ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs eindeutig und lässt keinen Deutungsspielraum.
29
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten, folgt aus § 494 Abs. 4 S. 1 BGB nicht, dass dieser Fehler zum Verlust des Anspruchs auf Verzugszinsen führt. Es muss deshalb nicht geklärt werden, ob die Sanktion des § 494 Abs. 4 S. 1 BGB neben die Widerruflichkeit des Vertrages treten oder diese ausschließen würde.
30
Die Rechtsfolge des § 494 Abs. 4 S. 1 BGB beschränkt sich auf Kosten, die entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht in der Vertragsurkunde angegeben wurden (MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, BGB § 494 Rn. 35). Bereits die begriffliche Unterscheidung in § 494 Abs. 4 S. 2 BGB zeigt, dass der Gesetzgeber Zinsen nicht zu den Kosten zählt und an versäumte Angaben zu Zinsen folglich nicht den Wegfall des darauf gerichteten Anspruchs knüpft. Aber selbst wenn anzunehmen wäre, nicht nur § 494 Abs. 4 S. 2 BGB, sondern auch § 494 Abs. 4 S. 1 BGB gelte für Zinsen und Kosten, fiele der Verzugszins nicht darunter, denn mit Zinsen und Kosten im Sinne des § 494 Abs. 4 S. 2 BGB sind nur preisbestimmende Faktoren gemeint (Müller-Christmann in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl., § 494 Rn. 25; MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, BGB § 494 Rn. 37).
31
Eine entsprechende Anwendung des § 494 Abs. 4 S. 1 BGB auf fehlende Angaben zum Verzugszins kommt angesichts des Fehlens einer Regelungslücke aber auch nach dem Zweck der Norm nicht in Betracht. Für den Fall der Heilung des Formmangels wegen fehlender Pflichtangaben (§ 494 Abs. 1 BGB) ordnet die Regelung in § 494 Abs. 2 bis 6 BGB als Sanktion für die Verletzung bestimmter Informationspflichten einzelne Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen an, um zum Schutz des Verbrauchers einen interessengerechten Inhalt des Vertrages zu gewährleisten. Das Gesetz sieht aber gerade nicht für sämtliche nach § 492 Abs. 2 BGB notwendigen Angaben Sanktionen vor und lässt sich deshalb entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dahin verallgemeinern, dass der Unternehmer, der über seine Rechte gegenüber dem Darlehensnehmer unzureichend informiert, diese Rechte verliert. Zudem beruht der Anspruch auf Verzugszinsen zum Ausgleich des Verzugsschadens nicht auf den Absprachen der Parteien, sondern auf einer gesetzlichen Regelung (§§ 497 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB), die als solche interessengerecht ist und nicht der Korrektur bedarf.
32
d) Dass die Beklagte entgegen § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Nr. 11 EGBGB im Vertrag keine ausreichenden Angaben zur Anpassung des Verzugszinssatzes gemacht hat, steht gemäß § 356b Abs. 1 BGB dem Beginn der Widerrufsfrist entgegen.
33
Es kann dahinstehen, ob diese Folge ohne Einschränkung bei jeder gemessen an § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 EGBGB unzureichenden Angabe eintritt, oder ob bei Fehlern, die nicht geeignet sind, die Zwecke der gesetzlichen Informationspflichten in Frage zu stellen, und so marginal sind, dass es unverhältnismäßig wäre, daran die Folge der unbefristeten Widerruflichkeit zu knüpfen, eine einschränkende Auslegung des § 356b Abs. 1 BGB bzw. Art. 14 Abs. 1 lit. b der Verbraucherkreditrichtlinie in Betracht kommt. Vorliegend sind die Angaben im Vertrag unvollständig und nicht lediglich marginal fehlerhaft.
Sodann wendet sich das OLG Stuttgart dem sog. Verwirkungseinwand zu:
34
e) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Ausübung des Widerrufsrechts verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dabei muss nicht entschieden werden, was insoweit aus der Entscheidung EuGH, Urteil vom 9. September 2021 (C-33/20, C-155/20, C-187-20) folgt.
35
Der Einwand der Verwirkung greift nicht durch, weil der streitgegenständliche Darlehensvertrag im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht beendet war und schon deshalb Anhaltspunkte für das Vorliegen des erforderlichen Umstandsmoments fehlen (vgl. zu den Voraussetzungen der Verwirkung etwa Senat, Urteil vom 2. April 2019 - 6 U 96/16 -, juris).
36Soweit die Geltendmachung von Rechten aus dem Widerruf unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn der Vertrag nach Widerruf vorbehaltlos weiter bedient wird (vgl. dazu Senat, Urteil vom 13. März 2018 - 6 U 62/17 -, Rn. 20, juris; Senat, Beschluss vom 20. Februar 2019 - 6 U 249/18 [Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen mit Beschluss vom 28. April 2020 - XI ZR 129/19 -, juris]), hat die Klägerin vorliegend bereits in ihrem Widerrufsschreiben einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.
37
Es verstößt schließlich auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass die Klägerin ihre Rechte aus dem Widerruf verfolgt, obwohl sie das Fahrzeug wie ursprünglich vorgesehen an die Händlerin zurückgegeben hat. In der durch den Streit um die Wirksamkeit des Widerrufs veranlassten Schwebelage gereicht es dem Darlehensnehmer nicht zum Vorwurf, wenn er das Fahrzeug veräußert. Denn der Darlehensnehmer, der sich einerseits gehalten sieht, den Fahrzeugwert nicht durch weiteren Gebrauch zum Nachteil des Darlehensgebers aufzuzehren (Senat, Urteil vom 22. Juni 2021 - 6 U 189/20 -, Rn. 38, juris), dem andererseits aber auch nicht zuzumuten ist, auf die Nutzung des im Fahrzeug verkörperten Werts bis zur Klärung der Rechtslage zu verzichten, handelt nicht treuwidrig, wenn er das Fahrzeug gemäß den ursprünglichen Absprachen zur Ablösung der Schlussrate an den Händler zurückgibt. Im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs erwächst der Beklagten daraus kein Nachteil, weil ihr ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugwertes zusteht, dessen Erfüllung sie im Wege der Aufrechnung erreichen kann.
Zu den Rechtsfolgen des erklärten Widerrufs führt das OLG Stuttgart aus:
38
3. Aufgrund des wirksamen Widerrufs kann die Klägerin von der Beklagten gemäß §§ 495, 358 Abs. 4 S. 1, 355 Abs. 3 S. 1, 357a Abs. 1 BGB die Rückgewähr erbrachter Leistungen in Höhe von 8.624,72 € verlangen.
39
a) Die Klägerin erwarb aufgrund des wirksamen Widerrufs gemäß §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357a Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung sämtlicher bis zum Widerruf geleisteter Zins- und Tilgungsleistungen und gemäß § 812 Abs. 1 BGB auch auf Rückzahlung der nach Widerruf geleisteten Raten. Ferner konnte sie gemäß §§ 358 Abs. 2 und 4 S. 1 und 5, 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB die an die Verkäuferin aus eigenen Mitteln geleistete Anzahlung zurückverlangen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 -, juris, Rn. 27). Danach standen der Klägerin ursprünglich 43.414,64 € zu.
40
b) Die Beklagte kann der Forderung kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB entgegenhalten.
41
Zwar stand der Fälligkeit der Zahlungsansprüche zunächst die Vorleistungspflicht der Klägerin auf Herausgabe des Fahrzeugs entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - XI ZR 376/20 -, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19 -, Rn. 21, juris). Der Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugs ist jedoch mit dessen Veräußerung an die Verkäuferin entfallen, denn die Klägerin ist gemäß § 275 BGB von der Pflicht zur Herausgabe befreit.
42
Selbst wenn sie noch in der Lage wäre, das Fahrzeug von der Händlerin oder einem Dritten zurück zu kaufen, wäre der damit verbundene Aufwand unverhältnismäßig (§ 275 Abs. 2 BGB). Maßgebend sind dafür alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere aber das Leistungsinteresse des Gläubigers (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 275 Rn. 28). Im Falle der Beklagten und der Verkäuferin, deren Rechte und Pflichten die Beklagte nach § 358 Abs. 4 S. 5 BGB übernommen hat, ist das Leistungsinteresse im Rahmen der Rückabwicklung nach Widerruf nicht auf das Fahrzeug selbst, sondern auf den darin verkörperten Geldwert gerichtet. Das hat die Beklagte im Prozess dokumentiert, indem sie nach der in ihrem Einvernehmen erfolgten Rückgabe des Fahrzeugs zunächst hilfsweise ihren Anspruch auf Wertersatz in Geld eingewendet und erst im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Klägerin sei noch zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet, um unter Hinweis auf die Vorleistungspflicht noch die Abweisung der Klage zu erreichen. Unter diesen Umständen ist es unverhältnismäßig, von der Klägerin die Wiederbeschaffung des Fahrzeugs zu verlangen.
43
c) Soweit die Beklagte sich gegen die Forderung der Klägerin durch Aufrechnung mit einem Anspruch auf Verzinsung der jeweils offenen Darlehensschuld in Höhe von 2.014,64 € verteidigt, greift dies nicht durch. Gemäß Ziff. IX. 5 der AGB und aufgrund der Angabe in der Widerrufsinformation, dass der pro Tag zu entrichtende Zinsbetrag 0,00 € betrage, hat die Beklagte mit der Klägerin einen Verzicht auf die Verzinsung vereinbart (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18 -, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 28. Juli 2020 - XI ZR 288/19 -, Rn. 18, juris).
44
d) Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist jedoch gemäß §§ 387, 389 BGB bis auf einen Betrag von 8.624,72 € erloschen, da die Beklagte wegen der unterbliebenen Rückgabe und der Entwertung des Fahrzeugs Ersatz in Höhe von 34.789,92 € verlangen kann und mit dieser Forderung wirksam aufgerechnet hat.
45
aa) Aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages, der gemäß § 358 Abs. 2 BGB auch auf den verbundenen Kaufvertrag durchgreift, steht der Verkäuferin im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 358 Abs. 4 S. 1 BGB i. V. m. § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz des am Fahrzeug eingetretenen Wertverlusts zu. Die Beklagte ist gemäß § 358 Abs. 4 S. 5 BGB in dieses Forderungsrecht eingetreten. Darauf hat der Bundesgerichtshof bereits im Revisionsurteil hingewiesen (BGH, Urteil vom 30. März 2021 - XI ZR 142/20 -, Rn. 18, juris).
46
bb) Diese Wertersatzpflicht setzt im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 357 Abs. 7 BGB nicht voraus, dass der Darlehensgeber den Darlehensnehmer „nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat“. Vielmehr genügt es, wenn der Darlehensgeber den Verbraucher über eine mögliche Wertersatzpflicht unterrichtet (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, juris, Rn. 31 ff.). Den damit nur zu fordernden Hinweis auf den unter den im Gesetz beschriebenen Umständen bestehenden Wertersatzanspruch enthält die streitgegenständliche Widerrufsinformation, die insoweit die gesetzliche Formulierung nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB übernimmt.
47
cc) Der zwischen Kauf des Fahrzeugs und Veräußerung an die Händlerin eingetretene Wertverlust geht auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurück, der über das zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise Notwendige hinausging. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird davon auch die durch bloßen Zeitablauf eingetretene Entwertung erfasst, denn auch das dauerhafte Halten des Fahrzeugs stellt einen Gebrauch dar, der über das zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise Notwendige hinausgeht.
48
dd) Bei der Bemessung des Wertverlusts bildet der im Kaufvertrag vereinbarte Nettoverkaufspreis grundsätzlich den Ausgangswert, hier 34.789,92 €.
49
Der Wertverlust ist nach der Vergleichswertmethode zu bestimmen, wonach dem Darlehensgeber, der in die Rechte des Verkäufers eingetreten ist, die Differenz zwischen dem unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung zu ermittelnden Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages und dem Verkehrswert des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe zusteht (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, Rn. 40).
50
(1)
Auch im vorliegenden Fall kann der maßgebliche objektive Wert zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 - Rn. 43 und 45) unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung in Form des Kaufpreises von 41.400,00 € geschätzt werden (§ 287 ZPO).
51
Soweit diese Anknüpfung nicht geeignet sein könnte, wenn es an einer privatautonom ausgehandelten Entgeltabrede fehlt, bestehen dafür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat keinen Neuwagen, sondern ein Vorführfahrzeug erworben. Aber selbst wenn es sich bei dem Kaufpreis um einen Listenpreis der Verkäuferin handeln würde, würde dies nicht die Annahme rechtfertigen, die Vertragsparteien hätten den Preis nicht privatautonom vereinbart (a. A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. März 2021 - 9 U 107/19 -, Rn. 79, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 22. September 2020 - 10 U 188/19 -, Rn. 49, juris).
52
Der Vortrag der Klägerin, eine DAT-Bewertung unter Eingabe der Fahrzeugdaten zum 24.7.2014 ergebe einen um 11% geringeren Händlerverkaufswert, gibt keinen Anhalt dafür, der Kaufpreis entspreche nicht dem objektiven Wert des Fahrzeugs. Der objektive Wert entspricht dem, was ein Käufer am Markt aufwenden muss, um ein Fahrzeug gleicher Beschaffenheit zu erwerben. Die DAT-Bewertung liefert hierfür nur einen Orientierungswert, der insbesondere den individuellen Zustand des Fahrzeugs nicht berücksichtigen kann. Angesichts einer Abweichung von lediglich 11% kann deshalb aus dem Ergebnis der DAT-Bewertung nicht abgeleitet werden, der Preis, auf den sich die Klägerin und die Verkäuferin geeinigt haben, wäre für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht marktgerecht gewesen.
53
(2) Bei dem Wertvergleich ist nach der Rechtsprechung des Senats auf den Händlerverkaufswert, nicht auf den Händlereinkaufswert abzustellen. Denn dem Verkäufer - bzw. vorliegend der im Verbund nach Widerruf in dessen Rechtsposition einrückenden Beklagten - soll nach dem Konzept des Gesetzes der Nachteil ausgeglichen werden, der ihm durch den über das zu den in § 357 Abs. 7 BGB beschriebenen Zwecken Notwendige hinausgehenden Umgang des Verbrauchers mit der Kaufsache entsteht. Dieser Nachteil besteht jedoch in der Differenz zwischen dem Verkaufspreis, den der Verkäufer ohne diesen Umgang hätte erzielen können, und dem Verkaufspreis, den der Verkäufer infolge des Wertverlusts jetzt (nur noch) wird erzielen können. Daher besteht auch kein Anlass, einen im so vermittelten Händlerverkaufswert enthaltenen Gewinnanteil herauszurechnen (Senat, Urteil vom 21. September 2021 - 6 U 184/19 -, Rn. 48 ff., juris).
54
Soweit im direkten Anwendungsbereich des § 357 Abs. 7 BGB vertreten wird, der Wertersatzanspruch des Unternehmers sei um den Gewinn zu kürzen (Palandt/Grüneberg. BGB, 80. Aufl., § 357 Rn. 11; Fritsche in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 357 Rn. 36) gilt das jedenfalls nicht bei der entsprechenden Anwendung des § 357 Abs. 7 BGB auf die Rückabwicklung des verbundenen Kaufvertrages gemäß § 358 Abs. 2 und 4 S.1 BGB (a. A.: OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. März 2021 - 9 U 107/19 -, Rn. 79, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 22. September 2020 - 10 U 188/19 -, Rn. 49, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 13. September 2021 - 23 U 44/19 -, Rn. 44, juris).
55
Die situativen Besonderheiten der Verbraucherverträge nach §§ 312b, 312c BGB, die im direkten Anwendungsbereich zur Begründung dieser Folge herangezogen werden (Fritsche in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 357 Rn. 36), bestehen im Falle des Widerrufsdurchgriffs nicht.
56Die Kürzung des Wertverlusts um den Gewinnanteil des Verkäufers ist auch nicht zur effektiven und zweckentsprechenden Gewährleistung des in der Verbraucherkreditrichtlinie geregelten Widerrufsrechts geboten.
57
Welche Wirkungen der Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages für den mit dem Darlehen finanzierten Vertrag hat, ist in der Verbraucherkreditrichtlinie nicht geregelt und bleibt somit nach Art. 22 Abs. 1 und 23 der Verbraucherkreditrichtlinie der Regelung der Mitgliedstaaten überlassen (vgl. Erwägungsgrund (9) der Richtlinie). Zwar verlangt der Grundsatz der effektiven Durchführung des Unionsrechts, dass der nationale Gesetzgeber durch die Regelung der Widerrufsfolgen bei verbundenen Verträgen das in der Richtlinie verankerte Recht des Verbrauchers, den Darlehensvertrag zu widerrufen, nicht entwertet oder aushöhlt. Eine gesetzliche Bestimmung, die den Verbraucher verpflichtet, den vollen Wertverlust auszugleichen, der an der finanzierten Kaufsache eingetreten ist, beeinträchtigt das Widerrufsrecht des Verbrauchers indes nicht, sondern kann im Hinblick auf den Grundsatz des Bereicherungsverbots sogar geboten sein (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 15. Juli 2021 in den Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20, Rn. 126 ff.).
58Die Kürzung des Anspruchs des Verkäufers auf Ersatz des Wertverlusts um den Gewinn wäre auch keine sachgerechte Sanktion für die Verletzung der Informationspflichten gemäß § 492 Abs. 2 BGB. Die Informationspflicht, deren Nichterfüllung zur Widerruflichkeit der verbundenen Verträge führt, betrifft ausschließlich das Rechtsverhältnis zum Darlehensgeber, nicht aber den Kaufvertrag. Eine Sanktion zum Nachteil des Darlehensgebers für eine unzureichende Information - etwa über den Verzugszins -, die davon abhängen würde, ob das finanzierte Geschäft mit dem Darlehensvertrag verbunden ist, wäre auch deswegen nicht sachgerecht, weil diese Differenzierung in keinem Zusammenhang mit der verletzten Pflicht stehen würde und deshalb nicht gerechtfertigt wäre.
59
(3) Abzustellen ist auf den Nettoverkaufswert, denn die Umsatzsteuer stellt sich für den Verkäufer, auf den im Verbund abzustellen ist, als durchlaufender Posten dar; würde der Wertverlust unter Einbeziehung der Umsatzsteuer berechnet, würde das gegenüber einem endgültigen Verkauf zum ursprünglichen Wert zur Bereicherung führen (Senat, Urteil vom 21. September 2021 - 6 U 184/19 -, Rn. 51 f., juris). Denn die Steuerbarkeit entfällt und der Unternehmer kann den Steuerbetrag gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 3 UStG berichtigen, wenn die Leistung aufgrund Widerrufs rückgängig gemacht wird (BeckOK UStG/Hahn, 30. Ed. 30.8.2021, UStG § 3 Rn. 83). Soweit dem entgegengehalten wird, aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Nutzungen, die nach Rücktritt herauszugeben sind, auf der Grundlage des Bruttokaufpreises geschätzt werden (BGH, Urteil vom 9. April 2014 - VIII ZR 215/13, Rn. 11), folge auch für die Rückabwicklung des Widerrufs die Maßgeblichkeit des Bruttokaufpreises, berücksichtigt dies nicht, dass es vorliegend nicht um die Herausgabe von Nutzungen, sondern um den Ausgleich eines Wertverlusts geht, der nicht notwendig mit gezogenen Gebrauchsvorteilen korrespondiert, sondern etwa auch auf der Beschädigung des Fahrzeugs beruhen kann. Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind umsatzsteuerrechtlich anders zu beurteilen (vgl. BFH, Urt. vom 20.3.2013 - XI R 6/11 zum Minderwertausgleich bei einem Leasingvertrag).
60
(4)
Ausgangswert der Berechnung ist danach der beim Kauf im Jahr 2014 vereinbarte Nettoverkaufspreis von 34.789,92 €.
61
ee) Es kann dahinstehen, ob der in den Wertvergleich einzustellende Endwert mit null anzusetzen ist, wenn dem Darlehensnehmer die Rückgabe des Fahrzeugs wegen dessen Veräußerung nicht mehr möglich ist, so dass der gemäß §§ 358 Abs. 4 S. 1 BGB i. V. m. § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB zu ersetzende Wertverlust dem Ausgangswert und damit Nettoverkaufspreis des Fahrzeugs entspricht, oder ob der Darlehensgeber Ersatz für den objektiven Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Veräußerung (§§ 355, 280, Abs. 1, 283 BGB) und daneben nach §§ 358 Abs. 4 S. 1 BGB i. V. m. § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB als Ersatz des Wertverlusts die Differenz zum anfänglichen Wert verlangen kann. Denn auch bei der letztgenannten Betrachtung entspricht die Summe der Zahlungsansprüche des Darlehensgebers immer dem Ausgangswert des Fahrzeugs. In dieser Konstellation bedarf es keiner Feststellung des objektiven Wertes des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Veräußerung durch den Darlehensnehmer.
62
ff) Demnach beträgt die Gegenforderung der Beklagten 34.789,92 € und die von ihr erklärte Aufrechnung führt zu einer Reduzierung der Ansprüche der Klägerin auf 8.624,72 € (= 43.414,64 € - 34.789,92 €).
63
4. Soweit die Klägerin in zweiter Instanz die Gegenansprüche der Beklagten anerkannt und ihren Zahlungsantrag in Höhe von 1.969,19 € teilweise für erledigt erklärt hat, ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen.
64Anerkennt der Kläger Gegenansprüche, mit denen der Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat, kann er insoweit die Hauptsache für erledigt erklären (Althammer in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 91a ZPO, Rn. 58.6 a. E.). Da die Klage auch in diesem Umfang ursprünglich zulässig und begründet war, ist insoweit die Erledigung eingetreten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Aufrechnung gemäß § 389 BGB auf den Zeitpunkt vor Rechtshängigkeit zurückwirkt, denn unabhängig davon liegt in der im Prozess erklärten Aufrechnung ein erledigendes Ereignis (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02 -, juris).